Teil V - Donnertraum:
Sein ganzes Leben lang wird Arved von einer düsteren Prophezeiung verfolgt. Er verliert Freunde, Familie und seine Hoffnung: Denn das Ende naht. Dabei will Arved nichts weiter, als sich von seinem Schicksal zu befreien.
Im Jahr 2975
Mein Leben begann schon anders als das jedes anderen Menschen.
Es begann in der Kälte, in Wind und Regen, in Donner und Blitz.
Ein Sturm tobte, fegte über das wehrlose Land und riss Bäume, Häuser und Menschen mit sich. Dieser Macht konnte sich nichts und Niemand entgegen stellen. Der Sturm war so wütend, dass er es sogar vermocht hätte, Berge einzureißen. Doch hier, an der finnischen Küste, musste er sich mit dem Meer und den schmutzigen Bohrtürmen begnügen.
Durch diesen Sturm wanderte Ana, meine spätere Mutter. Sie hatte sich in einen schwarzen Regenmantel gehüllt, die Kapuze als Schutz vor dem Regen tief ins Gesicht gezogen. Sie rannte über die Felsen, Blitze zuckten zu beiden Seiten von ihr ins Meer und auf das Land, die letzten, toten Kiefern gingen in Flammen auf.
Ana war an diesem Tag absichtlich in den Sturm gerannt, denn sie hatte ihren Mann verloren. Und ihre Hoffnung. Doch das alles änderte sich schlagartig, als sie ein Weinen hörte.
Mitten in diesem Sturm, in diesem Krieg der Götter, weinte ein Kind.
Ana folgte der Stimme. Sie musste sich zum Land wenden und in den verkümmerten Wald gehen. Immer noch zuckten Blitze, doch hatte Ana keine Furcht um ihr Leben. In diesem Moment spürte sie die Magie in der Luft und wusste, dass kein Blitz sie treffen würde.
Denn die Blitze wollten etwas von ihr.
Ana folgte dem Weg, den der Wind ihr wies. Und auf einer Lichtung mitten im Wald blieb sie stehen. Sie fror. Und sie verstand das Gewicht der Ereignisse noch nicht. Aber sie nahm die Kapuze ab und hob das Gesicht in den kalten Regen. Die Augen hielt sie weit geöffnet und sah hinauf in den Himmel, ohne Furcht.
Wasser perlte über ihr helles Gesicht. Die blonden Haare waren nass und schwer von der Nässe, ihre hellen, blauen Augen so viel lebendiger als der schwarze Himmel in seiner Wut.
Sie sah etwas, das über ihr schwebte. Es trudelte im Wind, wie ein Blatt, wurde hin und her geworfen und schrie dabei.
Es war ein Kind, ein Baby. Ana rührte sich nicht, und der Wind blies ihr das Bündel direkt in die Arme.
Ein nacktes Kind. Helle Haut, blaue Augen, blondes Haar. Kleine Ärmchen, dünne Beine, die Haut noch schrumpelig, als wäre es gerade erst geboren. Ana sah auf das Lebewesen, zwischen Abscheu, Angst und Liebe gefangen.
Ein Fötus, der aus dem Himmel fiel, hätte wohl jeden Menschen erschreckt. Noch während Ana hin sah, verloren die blonden Haare ihre Helligkeit und wurden schwarz. Die blauen Augen färbten sich braun, und das Kind wuchs ein Stück, nur ein winziges Stück. Es sah so hilflos aus, wie es das Gesicht vor dem Regen schützte und gleichzeitig wie bittend eine Hand ausstreckte. Anas Herz ging auf und sie beugte sich schützend über das Kind, öffnete ihren Mantel und dann ihr Herz für dieses Wesen.
Noch im Sturm gab sie ihm zum ersten Mal die Brust, und obwohl sie eigentlich keine Milch haben sollte, war welche da. Ana fror in der Kälte, aber sie wartete, bis ihr neues Kind gesättigt war, und trug es dann singend davon.
Der Sturm tobte und heulte und sang. Gemeinsam mit Ana sang der Sturm ein Lied für seinen Sohn. Und im Wind erklang der Name, den Ana mir geben würde: Arved.
Geboren in Sturm und Nacht bin ich auserwählt, die Welt zu retten oder an dieser Aufgabe zu scheitern. Ana war auserwählt mich zu finden und mich zu lieben, doch manchmal befreien sich Menschen von ihrem Schicksal.
Und ich werde mich selbst befreien.
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Kleine Warnung: Wie man vielleicht schon an der Kapitelüberschrift sieht, gibt es hier eine Art Schnitt, und zwar ist dieser Teil der Geschichte noch nicht überarbeitet. Das kann leider ein wenig dauern, kommt aber eines Tages noch. ^^