Schon als wir uns zum ersten Mal trafen, fiel er mir dieser Geruch auf. Er umspielte ihn sanft wie Wölkchen die Sonne und streichelte meinen verwöhnten Geruchssinn.
Dieser typisch männliche Geruch, der ihm anhing – irgendwie animalisch. Es war allerdings kein Aftershave, nahm ich an, sondern ein Parfüm aus einer teuren Drogerie. – Ihr müsst wissen, ich stehe voll auf Davidoff Cool Water. Doch es war kein Davidoff, das mich kirre machte. Es war etwas anderes, mir noch Unbekanntes und trotzdem ein sofort vertrauter Geruch.
Ich kenne so viele unterschiedliche Gerüche, die mir nicht aus dem Sinn gehen. Die sich in meinem Hirn eingebrannt haben, dass ich sie nicht mehr losbekomme. Sobald ich sie rieche, weiß ich genau, zu welcher Situation, zu welchem Menschen, welchem Ort ich sie zuordnen muss. Sogar an den Geruch meiner Kinder, als sie noch ganz klein waren, kann ich mich erinnern. Ich könnte noch heute darin schwelgen.
Doch sein Duft ist ganz besonders an mir hängengeblieben. Er begleitet mich, tagein, tagaus, immer. Es ist eine Erinnerung an jemanden, den ich sehr mochte, nein, sogar sehr liebte. Es ist etwas, das ich nicht aus meinem Kopf herausbringe, so sehr ich mich auch abmühe. Er erinnert mich an eine Liebe, die ich nie mehr missen möchte. Auch wenn diese Liebe inzwischen zu Ende ist, da er von mir gegangen ist. Er ging dahin, wohin ich ihn nicht folgen kann. Irgendwann werden wir uns vielleicht wiedersehen, wer weiß, was uns hinter der Regenbogenbrücke erwartet. Niemand weiß es. Und die, die sie bereits überquert haben, können es uns nicht sagen.
Auch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, hängt sein Duft in der Luft, als wäre er noch anwesend, gleich hier, neben mir und sieht mir lächelnd beim Schreiben zu. Und gerade jetzt muss bei YouTube auch noch mein Lieblingssong laufen: „Du erinnerst mich an Liebe…“ und meine Tränen rinnen mir über die Wangen, dass ich sie nicht stoppen kann, so sehr vermisse ich ihn. Und nicht nur seinen Duft.
Eigenartig, wird so mancher denken. So eigenartig sind diese Gedanken gar nicht. Ich denke, jeder von uns kann auf fast die gleichen Erfahrungen mit Düften, wie ich sie habe, zurückgreifen. Vielleicht nicht bewusst, sondern eher unbewusst. Vielleicht bin ich auch ein Mensch, der sehr auf seine Sinne zurückgreifen und diese mit bestimmten Dingen verbinden kann.
Diesen Duft, der ihm anhing, habe ich nie wieder gerochen. Es war nicht zu aufdringlich, wie es manche Männer mögen. Als würden sie denken, damit Frauen anziehen zu können. Gerade das Gegenteil ist oft der Fall. Der natürliche Geruch kann nicht schöner sein. Wohl heißt es auch, dass man sich gut riechen kann. Stimmt der Geruch nicht, kann man sich abmühen, wie man will. Der oder die Angebetete reagiert nicht auf alle möglichen Avancen. Alles vergebliche Liebesmüh.
Bei ihm war es mir vom ersten Augenblick klar. Diesen Geruch mochte ich. Ich sog ihn in mir auf, wie eine Ertrinkende die rettende Atemluft. Bereits beim ersten Treff konnte ich sagen, es ist ein Wohlgeruch, der ihm anhing, dem ich nicht widerstehen konnte. Der mich anzog, wie Licht die Motten.
Dabei war ich mir noch nicht einmal sicher, ob er mich riechen konnte. Aber ich machte mir zu viele Sorgen darum, die ich mir nie hätte machen müssen. Denn auch er konnte mich gut riechen.
So begann es zwischen uns. Als wäre es selbstverständlich, näherten wir uns einander. Der erste richtige Kuss folgte bald. Ich noch ein wenig schüchtern, er voranstürmend wie ein junges Fohlen.
Alles, was danach folgte, war wie ein Märchen für mich. Ein Märchen, das wahr geworden war. Nur dass Märchen eher wenig von Düften erzählen.
Liebe und Vertrauen waren an der Tagesordnung. Etwas, das ich bisher noch nie wieder erleben durfte. Leider. Doch ich will nicht gierig sein. Immerhin habe ich ihn immer noch in der Nase: seinen Duft, der mich wohl ewig begleiten und erinnern wird … an eine sehr schöne Liebe.
© Milly B. / 17.07.2021