Waagen gehören zu den Gegenständen, die ich hasse wie die Pest. Nicht, dass so ein Messgerät unbedingt wichtig wäre im Leben. Bei mir geht oft es Pi mal Daumen. Aber bei gewissen Dingen wird so ein Mistvieh schon mal gebraucht, z.B. um Mehl oder Zucker abzuwiegen, oder um herauszufinden, ob das Spanferkel, das man gekauft hat, auch wirklich fünfzig Kilogramm wiegt und nicht nur dreißig und somit zu viel bezahlt wurde. Doch wenn es darum geht, mich selbst auf die Waage zu stellen, da sehe ich rot, werde wütend, grantig, heißblütig, aggressiv usw. Naja, und dann aber auch verschämt.
Manchmal lässt sich das leider nicht vermeiden, auf so ein vermaledeites Ding zu steigen. Da kann man sich wehren, wie man will. Es geht einfach kein Weg daran vorbei. Heulen und Schreien hilft auch nicht. Das macht es ebenfalls nicht besser, man benimmt sich nur voll daneben. Auf den Boden werfen, mit Armen und Beinen strampeln wäre eine Option, aber ebenso wirkungslos. Obwohl… Wird dies lange genug getan, werden Kalorien verbrannt und man nimmt ab. Aber wer strampelt schon ewig und drei Tage vor Wut mit Armen und Beinen, es sei denn, derjenige will sich zum Affen machen.
Ich schweife mal wieder ab, komme von A nach B, weiter zu C… dabei wollte ich über verhasste Waagen schreiben und das, was sie tun – oder auch nicht tun.
Also weiter im Text. Es war wieder einmal so weit. Ich kam zu meinem Arzt, Routinekontrolle, neues Tablettenrezept, was man halt ständig braucht, wenn man in ein gewisses Alter kommt und hier und da Zipperlein auftreten. Der Gute hatte allerdings nichts Besseres zu tun, als mir nach dem genauso verhassten Blutdruckmessen die Vampire auf den Hals zu hetzen. Ich musste bluten. Das allerdings war nicht so schlimm wie das, was danach folgen sollte.
Ahnungslos betrat ich nach der Sprechstundenhilfe eines der Behandlungszimmer. Das kannte ich schon und nahm an, sie wolle EKG machen. Aber nix war.
„Heute wird mal gewogen. Hat der Doc angeordnet“, hieß es auf einmal.
„Oh nein“, wollte ich am liebsten kreischen, „nicht mit mir!“ Doch ich unterdrückte den hysterischen Schrei. „Mit oder ohne Schuhe?“, fragte ich stattdessen etwas flapsig und mit Herzrasen. Ich wusste, ich hatte zu viel auf den Rippen, gab es nur ungern zu und schon gar nicht vor meinem Arzt und dessen Gehilfinnen.
„Ist egal“, kam es als Antwort.
Mutig stieg ich auf das verhasste Gerät. So ein richtig altmodisches, wo man noch Gewichte hin und herschieben muss. Das kennt wohl fast jeder. Die Schwester machte sich an die Arbeit. Ein Gewicht folgte dem nächsten. Meine Augen wurden immer größer, die der Schwester ebenso.
„Mehr“, sagte ich, nachdem sie das nächste Gewicht verschoben hatte. Immer wieder „mehr“.
„Kann doch nicht sein“, erwiderte die Weißgekleidete erstaunt.
„Doch, doch“, sagte ich darauf und gleich wieder, „mehr.“
Endlich pegelte sich das Messgerät bei einer gefühlten Tonne ein. „Bissel viel. Das wird dem Doc nicht gefallen“, sagte die Sprechstundenhilfe trocken, nachdem sie die Zahl in meiner Akte vermerkt hatte.
„Hm“, erwiderte ich, „und ich dachte immer, ich wiege Error. Das zeigt nämlich meine Waage zu Hause immer an. Kleine Elefanten sollten zum Wiegen wohl doch lieber eine Fahrzeugwaage nutzen.“
© Milly B. / 03.04.2022