Ein Besuch im Germanischen Nationalmuseum
Wenn ich jetzt beim Schreiben so daran denke, dann ist es doch schon eine lange Zeit her als ich das letzte Mal in Nürnberg war. Und trotzdem kommt es mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen. 2013 war das, wenn ich mich richtig erinnerte. Ich musste erst einmal meine alten Urlaubsbilder sichten, um das genauer sagen zu können. Kalt war es, ja… da war ich mir noch sehr sicher. Diese arge Kälte werde ich nie vergessen. Im Februar. Schnee lag ohne Ende, beinahe meterhoch. Aber was tut man nicht alles, um seinen Liebsten zu treffen. Damals hatte ich einen Freund, nichts Festes, aber auch nicht ganz so loses. Ein Freund für gewisse Stunden, anfangs, später wurde es auch etwas fürs Herz. Nur wollten wir dies erst nicht zugeben, bis wir uns gegenseitig unsere Liebe gestanden.
Nürnberg, eine Stadt im Norden Bayerns und gleichzeitig die zweitgrößte des Freistaates ist eine schöne, alte Stadt. Wer sich für mittelalterliche Architektur interessiert, ist hier genau richtig. In der Altstadt dominieren Festungsmauern und Türme. Rote Ziegel zieren die Dächer, die weithin sichtbar sind. Im Norden der Altstadt kann man die Kaiserburg bestaunen, die wohl schon Barbarossa besucht hat. Aber so sicher bin ich mir mit dem Rotbart da nicht – obwohl ich das als Barbarossa-Fan eigentlich wissen müsste. Eins ist aber sicher: Nürnberg gab es bereits vor der Zeit Friedrich I. Erwähnt wurde die Stadt bereits Anno 1050. Ihre erste große Blütezeit war um 1219 als Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches. Später gab es noch eine weniger schöne Epoche, an die wir Deutschen nicht so gerne erinnert werden. Die wurde dann auch dort beendet – von den Alliierten.
Doch anstatt die Historie der Stadt zu besprechen, lieber weiter im Text mit meinem Besuch in Nürnberg.
Die vielen alten Häuser ließen mein Herz höherschlagen. Fachwerkhäuser – das ist was für Mutters Tochter. Und dann die Stadtmauer, eine Augenweide. Na gut, der Mann neben mir war auch eine Augenweide. Aber meine Guggelchen ruhten nicht nur auf ihm. Immerhin waren wir nicht nur zum Vergnügen hier.
Geduldig ließ er sich meine Allüren gefallen. Er ging gerne mit, auch wenn ihm die Geschichte alter Städte und Museen nicht wirklich interessierte.
Was mich damals noch brennend interessierte, war das Germanische Nationalmuseum. Dieses ist das größte kulturgeschichtliche Museum im deutschsprachigen Raum. Von den etwa 1,3 Millionen Objekten werden circa 25tausend ausgestellt. Das Museum beherbergt Fundstücke von der Frühzeit bis zur unmittelbaren Gegenwart.
Im Jahre 1852 wurde es gegründet. In früher Zeit ist das Museum ein Kartäuserkloster gewesen. Das bezeugt auch noch der Straßenname: Kärtäusergasse. Teile des Klosters sind noch zu bestaunen und in das Museum integriert. So auch der Große Kreuzgang, durch den man von einem in den anderen Teil der Ausstellungen gelangt. Imposante Säulen links und rechts säumen den Gang. Mit etwas Fantasie kann man noch die Mönche hören, die hier vor Jahrhunderten entlangspaziert sind und gebetet haben. Mich beeindruckte vor allem der krasse Unterschied der historischen und modernen Architektur. Ganz nach der Devise: Mittelalter trifft Neuzeit – sehr passend, denke ich.
2013 arbeitete ich gerade in einem Museum und befasste mich mit einer Doktordissertation des Archäologen Johannes Schneider, der 1965 in der DDR seinen Doktortitel in Archäologie an der Martin-Luther-Universität zu Halle-Wittenberg erringen wollte. Schneider schrieb über die jüngere Bronzezeit des Bezirks Cottbus. Sie bestand aus vier Teilen. Teil eins umfasste circa 150 A4-Seiten, Teil zwei etwa 100 Seiten und Teil drei etwa 160 Seiten. Den vierten Teil habe ich leider nicht zu Gesicht bekommen.
Ich hatte das Glück, die Dissertation zu digitalisieren, das heißt auf Deutsch: Ich musste Wort für Wort abtippen, möglichst detailgetreu ohne Änderungen. Eine Aufgabe, die nicht leicht war, vor allem, da sie teilweise nur noch sehr schlecht lesbar war. Damals war es üblich, mit Schreibmaschine zu schreiben und auch die Qualität des Papiers ließ nach so vielen Jahren zu wünschen übrig.
Die Dissertation war eine Fundgrube für mich. Ich hatte mich bis dahin noch nie mit Hügelgräbern und solchen Dingen befasst. Doch riss es mich dermaßen mit, dass ich mehr darüber erfahren wollte. Vor allen Dingen ging es mir um die Fundstücke in den Gräbern. Einige davon waren auch im Nationalmuseum ausgestellt.
Also nutzte ich die Gelegenheit und stattete dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg einen Besuch ab. Die Fundstücke jetzt in Natura sehen zu können, war ein Erlebnis. Endlich konnte ich mir ein reelles Bild von den vielen Dingen machen, anstatt es mir nur in meiner Fantasie vorzustellen. Krüge, Töpfe, Speerspitzen, Verzierungen, Waffen, Schmuck. Alles, was das Herz begehrte, fand ich dort. Immer wieder staunte ich, wie es den Menschen damals in der Bronzezeit gelungen ist, mit ihren sehr einfachen Hilfsmitteln solche Werke zu schaffen. Vor allem die Schmuckstücke waren wahre Kunstwerke.
An diesem Tag war ich fast nicht mehr aus dem Museum herauszubekommen, das schon von außen sehr zu bestaunen war. Am liebsten hätte ich noch die Nacht dort verbracht, was natürlich nicht möglich ist. Wir waren ja nicht bei „Nachts im Museum“. Wo kämen wir denn da hin.
Trotz Sauwetter schauten wir uns noch zu Fuß die Altstadt an. Dort hielten wir es allerdings nicht sehr lange aus. Erst zogen uns unsere hungrigen Mägen zum Abendessen und später die Müdigkeit in unser Hotelzimmer. Außerdem waren wir vom vielen Herumlaufen im Museum schon recht fußlahm.
Am nächsten Tag mussten wir leider schon wieder nach Hause, jeder in eine andere Richtung. Ich nach Osten, er in Richtung Süden. Obwohl er es weiter hatte als ich, war er viel eher zu Hause. Die 270 Kilometer von Nürnberg bis nach Hause legte ich in sage und schreibe acht Stunden zurück – mit dem Auto wohlgemerkt. Ein schwerer Unfall und stundenlange Sperrung der Autobahn hinderte mich daran, heimatliche Gefilde und die wärmende Stube in Bälde zu erreichen. Angekommen bin ich trotzdem, zwar recht durchgefroren und hundemüde, aber mit sehr vielen neuen Eindrücken und schönen Erinnerungen.
© Milly B. / 30.06.2022