Wie es zu tiefsten DDR-Zeiten gang und gebe war, gab es bestimmte Artikel nur wenig, oder auch gleich gar nicht zu kaufen. So war es bei uns vor allem bei Südfrüchten, wie Bananen oder Apfelsinen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es ein Festtag war, wenn man diese leckeren Früchte mal bekam. Noch heute kann ich Bananen bis zum Umfallen essen, da finde ich kein Ende. Wohl ein Überbleibsel meiner Kindheit.
Gab es um die Weihnachtszeit mal keine Apfelsinen, dann wurde von der Regierung Weihnachten einfach abgesagt. Doch ein gelernter Ostbürger wäre kein Ostbürger, wenn er sich nicht zu helfen wüsste. Doch hier soll es nicht nur um Apfelsinen gehen, sondern um Bananen.
Bananen waren Mangelware. Eingeführt aus irgendeinem afrikanischen Land, meist fast ungenießbar oder überreif, aber trotzdem hochbegehrt. Hatte der Dorfkonsum eine Ladung bekommen, sprach sich das sehr schnell im Dorf herum. Die Mund-zu-Mundpropaganda funktionierte besser als so manches Telefon. Letzteres war genauso eine Mangelware. In dem Dorf, in dem ich großgeworden bin, gab es derzeit nur zwei Haushalte mit Telefonen und eine Telefonzelle.
Meist kamen die Lieferungen zu Zeiten, in denen Normalbürger noch in den Betten lagen und schliefen. Aber nicht auf den Dörfern. Dort wurde sehr zeitig aufgestanden. Die Leute mussten in die Ställe, das Vieh versorgen, später auf die Felder oder in die Betriebe, in denen sie arbeiteten. So blieb es nicht geheim, wenn die beliebte Ware eintraf.
Wer konnte und schnell zu Fuß war, begab sich so bald wie möglich zum Konsum. Die Devise heute ist, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Aber nicht zu DDR-Zeiten.
Meist hatte sich schon eine lange Schlange vor dem Konsum gebildet. Die Hausfrauen standen plaudernd da, so verging die Zeit schnell. Keiner schimpfte über lange Wartezeiten. Es war normal, anstehen zu müssen.
Bei uns war meist meine Großmutter diejenige, die einkaufen ging, da meine Mutter krankheitsbedingt nicht konnte. So kam es häufig dazu, dass meine Oma mehr zu schleppen hatte, als ihr guttat. Daher war ich meist mit dabei und demzufolge bekam ich schnell mit, wo der Hase langlief, wenn man mal etwas besonders Begehrtes ergattern wollte.
Eines Tages gab es mal wieder Bananen im Konsum. Die gewohnte lange Schlange davor war schon Gesetz. Also stellten wir uns schön brav ans Ende und harrten der Dinge, die kommen sollten.
Wir waren derzeit sieben Personen in der Familie. Meine Eltern, mein Bruder, ich, meine beiden Großeltern und eine Tante meines Vaters. Als wir in den Laden kamen, sahen wir eine riesige Kiste voll mit Bananen. Freudig starrte ich diese an. Oma ging inzwischen zur Ladentheke und legte ihren Einkauf darauf.
„10 Bananen bitte noch“, sagte sie zur Verkäuferin.
Die schaute sie entgeistert an. Dann erwiderte sie: „Aber ihr seid doch nur sieben Personen! Also bekommst du auch nur sieben Bananen.“
Nun schaute meine Oma entgeistert und zeigte auf die volle Kiste. „Aber es sind doch noch genug da“, sagte sie.
„Die sind reserviert“, entgegnete die Verkäuferin. „Es gibt nur sieben für euch, keine einzige mehr.“
Ich stand nur da und verstand die Welt nicht mehr. Aus der Traum von einer Bananen-Fressorgie.
© Milly B. / 28.07.2021