Der Sex wird von vielen Menschen viel zu großgeschrieben. Ohne Zweifel ist es eine schöne Sache. Vor allen Dingen, wenn man den Partner liebt. Das gehört einfach dazu, wie Salz in der Suppe oder Chili auf dem Döner.
Trotzdem sage ich, Sex ist nicht alles. Das Leben drumherum ist viel interessanter. Für mich ist Sex nur eine Nebensache. Mit dem Liebsten schmusen, beieinander liegen, zusammen träumen, die Sterne am Himmel zählen. Wenn es bei einem dieser Dinge zum Unausweichlichen kommt, auch schön.
So ging es mir mit meinem Liebsten, bei dem ich einiges mehr gelernt habe als in meinem ganzen Leben vorher. Dabei war ich schon Mitte vierzig und hatte eine lange Ehe hinter mir. Aber wenn man an einen sehr erfahrenen Ehemann gerät, komme bestimmt nicht nur ich ins Staunen.
Ich hatte nie Probleme, wenn es bei einem Mann mal nicht so funktionierte, wie er es gerne hätte. Als Frau richtig zu reagieren, ist nicht einfach. Dennoch brachte ich es immer zustande, genau das Richtige zu sagen und den Mann davon abzubringen, schnellstens das Weite zu suchen.
Doch nun zu meiner kleinen Geschichte:
Das Thema Schlaganfall zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden. Dabei habe ich festgestellt, eine Frau scheint dies wohl viel besser zu verkraften als ein Mann. Wobei bei Männern die Nachwirkungen doch nicht immer so zu sein scheinen, wie es uns die Ärzte weismachen wollen. So erging es meinem Liebsten. Allerdings hatte ich, als wir uns kennenlernten, davon absolut keine Ahnung. Ich wusste, er hatte einen schlimmen Schlaganfall hinter sich und war seitdem körperlich nicht mehr ganz auf der Höhe. Dass dieses „körperlich“ auch etwas ganz Bestimmtes betreffen konnte, war mir fremd.
Bis wir zu dieser gewissen Sache kamen, verging einige Zeit. Wir sahen uns zwar oft, verbrachten auch Nächte miteinander. Aber dazu kam es nie. Damit wollten wir uns Zeit lassen.
Als ich wieder einmal bei ihm zu Besuch war, sollte es geschehen. Wir hatten es nicht geplant. Sex zu planen, ist wie Bauchschmerzen auf Befehl zu bekommen. Es sollte geschehen, einfach so, weil es beide wollen.
Wie gewohnt gingen wir zu Bett. Manchmal kam es mir vor, als wären wir ein altes Ehepaar und nicht erst ein paar Monate zusammen. Trotzdem war an diesem Abend irgendetwas anders als sonst. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was es sein könnte. Nur, dass ich eine innere Spannung fühlte, die sonst nicht vorhanden war.
Es kam, wie es wohl irgendwann kommen sollte. Aus schmusen wurde mehr. Hände verirrten sich an Orte, an denen sie vorher noch nie gelandet waren. Bisher war alles so, wie ich es aus anderen Beziehungen vorher kannte. Nur eines nicht. Ich wusste nicht, was es war.
„Warte“, hielt er mich zurück. „Ich muss dir noch was beichten.“
Fragend schaute ich ihn an.
„Ich kann nicht“, beeilte er sich zu sagen. Ich verstand nicht.
„Naja, es geht halt nicht. Er will nämlich nicht mehr.“
Endlich kam bei mir die große Erleuchtung. Eigentlich hätte ich geschockt sein müssen, ich war es aber nicht. „Na und“, erwiderte ich ganz lässig. „Als käme es darauf an. Du hast bestimmt auch flinke Finger.“
Er feixte nur darauf und schritt zur Tat.
In dieser Nacht erlebte ich zum ersten Mal das ultimative Feuerwerk meines Körpers.
© Milly B. / 19.05.2021