Es ist heutzutage gar nicht mehr so Mode, dass jung und alt zu Weihnachten zusammensitzen und die angeblich so besinnlichen Tage gemeinsam verbringen. Jung und alt ist genauso wie arm und reich. Irgendwie nie so richtig vereinbar und trotzdem kann keins von beiden ohne den anderen.
Wenn ich an meine Kindheit denke, läuft es mir so manches Mal heiß und kalt den Buckel runter. Diese intrigante und hinterfotzige Verwandtschaft, die uns früher vor den Weihnachtstagen heimsuchte, war mir ein Graus. Wenn sie kamen, dann nur, um unsere mit Blut und Schweiß aufgezogenen Enten, Hasen oder Hühner davonzuschleppen. „Ach, kommt schon, ihr habt doch genug davon“, höre ich immer noch die Worte von Tanten, Onkeln und sonstigen Verwandten, von denen man sonst das ganze Jahr über weder etwas sah oder hörte. Natürlich wollten sie die Festtagsbraten küchenfertig, gerupft und ausgenommen, gehäutet, am liebsten wohl auch gleich noch gebraten. Damit sie nur noch essen und sch… müssen. Ups, beinahe wäre ein böses Wort herausgerutscht.
Nun gut, die Zeit ist vorbei. Jetzt weht ein anderer Wind und ich habe selber Kinder und
Enkelkinder und irgendwann vielleicht auch Urenkel. Inzwischen genieße ich es, mit der Familie zusammen zu sein und Zeit zu verbringen, egal, an welchen Tagen. Doch zu Weihnachten ist es besonders schön. Da wird der Tischgrill aufgebaut und angeheizt. Ja, Grillen zu Weihnachten ist schon Tradition bei mir.
Alles mögliche Fleisch liegt zum Grillen bereit, Fisch, Gemüse und Dips und noch sehr vieles mehr, dass es kaum auf den Tisch passt. Dann geht es los, das Geschlemme. Magersüchtig darf man da nicht sein, eher das Gegenteil. Man wird fettleibig oder wenigstens mollig, wenn man nicht aufpasst. Dabei wird gelabert, gelacht und Spaß gemacht. Alkohol brauchen wir oft genug keinen, lustig sein können wir auch ohne. Mein Eiersalat ist bei allen beliebt, wohl dem, der noch etwas davon abbekommt. Am besten den ganzen Tag vorher nichts essen, damit abends auch genug reinpasst.
Doch wenn ich zu erzählen beginne, als „Dorfälteste“ – Ein Spitzname, den mir mein älterer Sohn verpasste, dann hören alle gespannt zu.
„Was? Weihnachten mit Schnee?“, plappern die Enkel aufgeregt dazwischen. Wann gab es eigentlich das letzte Mal zu Weihnachten richtig Schnee? Ich weiß es nicht mehr. Es ist zu lange her. In unserer Zeit könnten wir beinahe in Badehosen am Pool oder auf dem Balkon die Feiertage verbringen, oder weil es Bindfäden regnet, in Gummistiefeln und Friesennerz.
„Solange du nicht mit Handschellen kommst“, meint mein Großer und feixt über alle Backen. Die Kinder schauen uns mit großen Fragezeichen in den Augen an. „Erwachsenengespräch, nichts für kleine Ohren“, wehre ich ab und lache ebenfalls.
Trotzdem erfüllt es mich mit Freude, wenn die Weihnachtstage und der ganze Trubel wieder vorbei ist. Wenn wieder Ruhe einkehrt und der normale Alltag uns einholt. Die nächsten Feiertage werden garantiert kommen. Dann schallt lautes Kinderlachen durch den Garten oder so mancher Schrei: „Oma! Ich habe ein Osterei gefunden!“
Da geht mein Herz auf und ich denke: „Wie schön es doch ist, eine Familie zu haben.“
© Milly B. / 24.01.2024