Es gab einmal Zeiten, da war ich eine sehr glückliche Frau. Doch das ist lange her und schon fast nicht mehr wahr. Ich bin zwar immer noch glücklich, aber trotzdem ist es ganz anders als früher.
Ich bin lange Zeit allein. Ich bin zwar noch verheiratet, aber ich lebe schon lange von meinem Ehemann getrennt. Vor zwei Jahren hatte ich diesen kurzerhand vor die Tür gesetzt. Mein Sohn war mir dabei eine große Hilfe. Er unterstützte mich in dieser heiklen Sache tatkräftig. Nicht, dass ich es mir sonst anders überlegt hätte. Nein, es war eher so, dass der Ehemann es partout nicht wahrhaben wollte, dass ich Ehe für zu Ende bestimmte. Er nahm wohl an, ich wolle ihn nur auf den Arm nehmen. Aber ich machte noch nie Späße mit einer sehr ernsten Sache.
Ich hatte es satt, ständig Lügen von meinem Noch-Ehemann zu hören, oder wie er anderen Frauen, besonders einer, hinterherschaute. Dies ging schon einige Zeit so. Anfangs sah ich noch gnädig darüber hinweg. Aber als er eines Tages nicht nach Hause kam und auch nicht erreichbar war, wurde es zu viel. Mir platzte der Kragen. Aus dem nur Hinterherschauen war mehr geworden. Da war ich mir sicher. Die Spatzen pfiffen es schon von den Dächern. Er aber log mir immer noch frech ins Gesicht, ohne rot zu werden. Hätte ich mich an diesem Tag nicht so im Griff gehabt, wäre meine Faust in seinem Gesicht gelandet.
Außerdem mochte er meine Familie nicht. Was wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Mein Vater äußerte sich nicht nur einmal negativ über ihn. Bis dahin hatte ich noch Verständnis, für Vater und Mann. Ich saß zwar zwischen den Stühlen und sagte mir, die beiden sollten ihre Zänkereien unter sich ausmachen. Aber als sich mein Ehemann im Wort vergriff und meine Familie aufs übelste beschimpfte, war es Schluss mit lustig. Ich schmiss ihn kurzerhand hinaus, wie bereits gesagt, mithilfe meines Sohnes.
Seitdem lebe ich allein. Ich vermisse nichts, auch Männer nicht. Von Sex ganz zu schweigen. Den hatte ich schon einige Zeit nicht mehr. Nur mein Ex-Mann beschwerte sich schon lange vor der Trennung darüber, weil ich mich ihm gegenüber verweigerte. Doch meine Meinung war und ist es immer noch, wie konnte ich mit jemanden Sex haben, der mir im Laufe der Zeit so unsympathisch geworden war, dass ich ihn am liebsten vergessen würde. Aus der anfänglichen Liebe war Antipathie geworden. Hass will ich nicht sagen, denn einen Menschen zu hassen, ist für mich unmöglich.
Fast zwei Jahre war ich nun allein. Immer noch fühlte ich mich als Single-Frau gut und war zufrieden mit dem, was ich hatte. Mein Leben verlief in geraden Bahnen, meinem Hobby konnte ich frönen, wie ich lustig war. Nächte durchmachen ist schon fast Tagesordnung. Es war niemand da, der mit mir schimpfen könnte. Nun gut, außer meinem Vater, dem es schon lange ein Dorn im Auge ist, dass ich zu einer Nachteule mutierte. Aber nachts bin ich nun mal am kreativsten.
Eines Tages geschah etwas für mich gänzlich Unerwartetes. Ich lernte einen Mann kennen und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich und verliebt! Das gab es schon viele Jahre nicht mehr. Ich glaubte es kaum. Es schlug ein wie Blitz und Donner in einen Baum mitten auf der Wiese. Etwas, das ich nie und nimmer erwartet hatte. Aber, wenn ich tief in mein Innerstes schaute, dann erkannte ich, dass mir doch etwas fehlte im Leben – der männliche Part an meiner Seite. Ich gebe es ungern zu. Wahrscheinlich musste erst wieder ein Mann in mein Leben treten, damit ich dies für voll nehme.
Seit ich den Mann kennengelernt hatte, flatterten Schmetterlinge in meinem Bauch, die mich Tag und Nacht piesackten. Ich fühlte mich wie ein Teenager, dabei bin ich eine gestandene Frau von über 50 Jahren. Der Mann ging mir nicht aus dem Kopf. Es verging keine Stunde, in der ich nicht an ihn denken musste. Nicht einmal nachts ließ mir der Gedanke Ruhe. Wenn ich sich einsam fühlte und er nicht bei mir war, sah ich seine Bilder an und mir ging es wieder gut.
Die Liebe hatte einfach so eingeschlagen. Ich war glücklich, wie schon lange nicht mehr. Obwohl wir noch nicht lange zusammen waren, war ich mir sicher, es könnte mehr daraus werden als nur eine Fernbeziehung. Er machte mir Komplimente, brachte mich zum Lachen. Es passte wie ein Deckel auf den Topf, sagte ich immer.
Ich fühlte sich zum ersten Mal nach langer Zeit wieder als Frau, die begehrt wurde. Er war mein Sonnenschein, der den Tag erhellte und die Nacht interessant machte. Dass er jünger war als ich, das machte mir nichts aus. Eigentlich nahm ich an, ältere Männer waren für mich interessanter. Das waren sie eigentlich immer. Dieses Mal war alles anders. Obwohl ich um einiges älter war, machte es mir nichts aus, einen jungen Mann an meiner Seite zu haben. Die Liebe nimmt keine Rücksicht auf das Alter. Das Gerede der Leute war mir egal. Für mich zählte die Liebe und nicht das, was die Leute über mich redeten.
Eines Tages aber wurde alles anders, was mich in eine Art Schockstarre versetzte. Er machte Schluss, von Jetzt auf Gleich, ohne mir genau zu sagen, warum. Die Gründe, die er mir auf meine Fragen hin nannte, waren für mich nicht plausibel. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so geschockt war ich. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, doch das ging nicht. Er war 300 km entfernt von mir. Gut für ihn, das Schluss machen am Telefon per SMS fiel ihm so wohl leichter, als es mir direkt ins Gesicht zu sagen. Die Ausreden mochte ich nicht hören. Seine Worte brannten sich in mir ein. Sie schmerzten unheimlich. Ich wollte ihn hassen, doch ich konnte es nicht, genauso wie ich es bis jetzt nicht verstehe, warum auf einmal Schluss war.
Inzwischen ist seit der Trennung einige Zeit vergangen. Ich bin immer noch unbemannt. Ob ich jemals wieder einem Mann vertrauen kann, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich: Hass empfinde ich nicht. Das Wort Hass gehört nicht zu meinem Wortschatz. Auch verbietet mir meine Erziehung, jemanden zu hassen.
Ob es jemals wieder einen Mann in meinem Leben geben wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Dies wird die Zeit zeigen und wie die tiefe Wunde, die er in mir hinterlassen hatte, heilen würde. Und trotzdem stelle ich mir nicht nur zum ersten Mal die Frage, warum es bei mir mit den Männern nicht mehr klappt. Liegt es an den Männern? Liegt es an mir? Ich weiß es nicht. Es ist auch eine Frage, die mir niemand beantworten kann. Bin ich zu anspruchsvoll geworden? Ist in meinem Kopf eine Art Sperre, die die Männer immer wieder von mir wegtreibt. Sie merken es vielleicht unbewusst, was ich für Signale aussende.
Dabei will ich nicht einmal sagen, dass ich eine Männerhasserin bin. Eher im Gegenteil. Ich liebe Männer. Zurzeit allerdings eher auf der platonischen Ebene. Männer können für eine Frau die besten Freunde sein, wenn sie wissen, wo ihre Grenzen sind. Ich habe drei sehr gute Freunde, die ich nie im Leben missen möchte. Einer von ihnen hat mich am Tag der Trennung aufgefangen, sonst wäre ich durchgedreht und hätte vielleicht etwas angestellt, was ich jetzt bedauern würde. Dafür kann ich ihm gar nicht genug Danke sagen.
© Milly B. / 07.07.2021