„Lumpzig? Wo zum Teufel liegt dieses Kaff?“, wird der eine oder andere fragen und sein Gegenüber verständnislos ansehen. „Nie gehört?“, sagt der andere.
Nun ja, Lumpzig ist auch kein Ort, den jeder kennen muss. Doch für mich hat er eine besondere Bedeutung. Vor allen Dingen, wenn man, wie ich, ein Mühlenfan ist. Denn dort steht eine wunderschöne Bockwindmühle, erbaut im Jahre 1732. Ja, da lest Ihr richtig. 1732! Welche Mühle kann schon so ein Alter vorweisen? Ich kenne nur sehr wenige.
Außerdem ist sie eine von den zwei ältesten erhaltenen Mühlen in ganz Thüringen.
Doch zuerst etwas zu Lumpzig. Der Ort ist ein kleines Dorf am Rande des Altenburger Landes im östlichsten Zipfel Thüringens, direkt an der Grenze zum Landkreis Greiz. Das Dorf gehört seit einiger Zeit zur Stadt Schmölln, die vor der Wende 1989 noch eine eigenständige Kreisstadt war. Nach 1990 wurden die Kreise Altenburg und Schmölln ein Kreis. Der Landkreis Altenburger Land entstand.
Die Gemeinde hat eine eigene kleine Kirche, die einen Besuch wert ist. Außerdem gibt es dort einen Feuerwehrverein, einen Sportverein, sogar eine Fußballmannschaft. Der Spielmannszug ist in der Gegend recht bekannt. Sogar ein Seniorenclub ist ansässig, in dem ich schon einige Lesungen gemacht habe. Ansonsten ist der kleine Ort recht unbedeutend, inzwischen aber wieder ansehnlich geworden.
Mit der Bockwindmühle in Lumpzig verbinde ich schöne Zeiten, aber auch schlechte Erinnerungen.
2016 ist zum Beispiel so ein Jahr, das ich in guter Erinnerung behalten werde. Ich lernte viele neue Menschen kennen, die ich noch heute zu guten Freunden zähle und mit denen ich immer noch regen Kontakt habe.
In diesem Jahr rückten die Pfadfinder vom Stamm Konradin aus Offenburg, der Partnerstadt von Altenburg, auf dem Mühlengelände ein. Wie es bei ihnen Brauch war, veranstalteten sie ein Sommerlager. 2016 zog es sie ins Altenburger Land.
Von Jung bis Alt war alles vertreten. Es gab Spaß ohne Ende. Kleine Veranstaltungen wurden durchgeführt und ich mittendrin. An den Schwarzwaldabend kann ich mich noch heute gut erinnern. Zu Hause Gebliebene kamen extra für diesen einen Tag aus Offenburg angereist, nur um dabei zu sein. Es war ein schöner Abend, an dem viel geredet, gesungen und getanzt wurde.
Oder dann, ein Jahr später, der Mühlentag 2017, der immer am Pfingstmontag durchgeführt wird. Unser Verein hatte die Ehre, diesen besonderen Tag der Mühlenfreunde Deutschlands zu eröffnen. Von Nah und Fern reisten die Gäste an, dass das kleine Mühlengelände überquoll und wir alle Hände voll zu tun hatten, um den Ansturm zu bewältigen. Doch wir schafften es und am Ende des Tages konnten wir auf eine wunderschöne Zeit zurückblicken, die auch nach Jahren bei mir in bleibender Erinnerung ist.
Doch leider kam 2018 ein großes Unglück über meine geliebte Mühle. Noch heute erinnere ich mich, als wäre es erst gestern gewesen.
18. Januar 2018. Es stürmte. Das Orkantief Friederike machte Deutschland zu schaffen. Auch im Altenburger Land wütete es.
Plötzlich erreichte mich die Nachricht, die Mühle hat Schaden genommen. Oh Schreck! Der Sturm deckte Teile des Dachs ab und zerstörte die Flügel. Das schlimmste war, die Bremse hatte sich losgerissen und die Flügel waren nicht zu stoppen. Bis einer wohl am Dach hängen blieb und sie abrupt zum Stehen kamen. Teile der Mühle flogen durch die Gegend. Das Innere wurde regelrecht zerrissen – die jahrhundertealte Technik löste sich in Kleinteile auf. Ein Wunder, dass niemand zu Schaden kam. Dafür war der Schaden an der Mühle immens. Die Königswelle war so stark beschädigt, dass sie ausgetauscht werden musste. Das Dach war defekt. Am schlimmsten hatte es die Flügel erwischt. Die waren nicht mehr zu gebrauchen.
Als ich mit anderen Vereinsmitgliedern auf dem Gelände war, musste ich mir das Weinen unterdrücken. Meine geliebte Mühle, kaputt… Ein Kleinod des Altenburger Landes, zerstört durch einen Orkan! Wie sollte es nur weitergehen?
Es dauerte fast zwei Jahre, bis alles wieder so weit hergestellt war, dass die Bockwindmühle wieder in Betrieb genommen werden konnte. Jetzt erstrahlt sie im neuen Glanz und erfreut mein Herz.
Jedes Mal, wenn ich dort bin, nur vorbeifahre oder sie von Weitem sehe, geht mir das Herz auf und ich denke, wie schön, dass das Prachtstück Lumpzigs wieder in alter Schönheit erstrahlt. Dabei bin ich nur durch einen großen Zufall in diese Gegend des Altenburger Landes gekommen. Obwohl meine Heimat, kannte ich mich dort so gut wie nicht aus. Hätte man mich ausgesetzt, hätte ich mich garantiert verirrt. Aber heute kommt es mir vor, als würde ich sie kennen wie meine eigene Westentasche.
Eines Tages, da kam mir eine Idee, an der ich seit über zwei Jahren sitze und schreibe… „Das Findelkind der Müllerin“ – eine Geschichte über die Mühle, in der einige Protagenisten geschichtlich belegbar sind. Nur die Handlung ist meiner Fantasie entsprungen. Übrigens, die Mühle auf dem Coverbild der Geschichte ist wirklich die Bockwindmühle in Lumpzig…
© Milly B. / 14.06.2022