Es ist wohl allgemein bekannt, dass es Strafgelder gibt, wenn man mit dem Auto oder Motorrad beim zu schnell fahren erwischt wird. Nur fahre mal nach den Verkehrsregeln, wenn der Fuß unter starken Zuckungen leidet und das Gaspedal so laut ruft, dass man es weder überhören, noch dem inneren Schweinehund widerstehen kann. Noch schwerer ist es, wenn man im Besitz eines PS-starken Autos ist, in dem es einem förmlich entgegenschreit, das Gaspedal zu betätigen und bis zum Bodenblech durchzutreten, dass es schon auf dem Asphalt kratzt. Genau darum geht es in dieser kleinen Anekdote.
Als ich 1992 meine Autoprüfung mit Bravour bestand, dachte ich noch lange nicht daran, dass mir Auto fahren mal so richtig Spaß machen würde. Ich machte meinen Autoschein eigentlich auch nur aus der Not heraus. Schon die Erlaubnis, ein Moped oder ein Motorrad im öffentlichen Bereich fahren zu dürfen, legte ich unter Zwang meines Vaters ab, der darauf bestand, dass ich einen Führerschein zu besitzen hätte. Wobei das Wort Führerschein inzwischen auch wieder bemängelt wird. Doch das ist wieder eine andere Geschichte, die nicht hierher gehört. Für mich wird es ewig Führerschein heißen, basta!
Mein Bruder, obwohl drei Jahre jünger als ich und noch ohne jeglichen Führerschein, lehrte mir das 1x1 des Mopedfahrens. Mein Vater hatte das bereits vorher versucht, doch außer eine Menge blaue Flecken an den Seiten und zum Zerplatzen angespannte Nerven brachte mir dies nichts weiter ein. Er hatte es einfach nicht drauf, mir das Fahren beizubringen.
Auch als ich später meine Autoprüfung ablegen wollte, half mir mein Bruder, die notwendigen Tricks zu erlernen. Wenn ich ihn nicht gehabt hätte.
Mein ältester Sohn war 1992 vier Jahre alt und besuchte den Kindergarten des Nachbarortes. Ich musste ihn bei Wind und Wetter auf einem Kindersitz mit meinem Moped hinbringen und auch wieder abholen. Es waren zwar nur zwei Kilometer bis dorthin, doch um mit dem Bus oder dem Rad zu fahren, war es zu umständlich und hätte auch zu lang gedauert. Laufen wäre noch eine Alternative gewesen. Aber laufe mit so einem Knirps zweimal am Tag zwei Kilometer.
Bei guten Wetter mochte das Bringen und Holen mit meiner guten, alten und quietscheentengelben Schwalbe noch machbar sein. Doch wenn der Winter nahte oder es regnete, war das bei weitem kein Spaß mehr. Weder für mich, noch für den Kleinen.
Trotzdem vergingen noch einige Jahre, bis mir richtig bewusst wurde, wie bequem man es mit einem fahrbaren vierrädrigen Untersatz hat. Im Winter muss man nicht frieren, es sei denn, die Heizung funktionierte grad nicht, man wurde bei Regen nicht nass und kam schnell von A nach B. Es gab Zeiten, da wäre ich mit dem Auto sogar bis zur Toilette gefahren, wenn dies möglich gewesen wäre.
Jedenfalls hatte ich irgendwann entdeckt, welch einen Spaß es machte, die Pferdestärken unter der Motorhaube so richtig auszufahren, das Vibrieren des Motors in jeder Faser des Körpers zu spüren und die Landschaft an sich vorbei fliegen zu sehen. Lange Zeit machte es mir nichts aus, auch sehr lange Strecken sozusagen auf einen Ritt zu überwinden. Vorwiegend nachts, wenn die Autobahnen meist frei waren und kein Stau mein Vorankommen erschwerte. Fünf Stunden und 15 Minuten für 585 Kilometer mit kurzem Zwischenstopp zum Tanken und Toilettengang waren nicht schlecht.
Ich liebte Autos mit viel PS unter der Haube, auch jetzt noch, wo mich gerade mal 75 PS zum Supermarkt oder zur Arbeit bringen müssen. Je mehr PS der fahrbare Untersatz hatte, desto lieber war es mir. Am besten vorne noch mit dem bösen Blick und bulliges Aussehen.
Die Nacht war auch die Zeit, in der ich mit Bleifuß die Autobahn unsicher machen konnte, ohne andere Verkehrsteilnehmer und mich zu gefährden. Ich liebte es, nachts zu fahren und beinahe allein auf der Straße zu sein. Die neue Autobahn von Leipzig in Richtung Göttingen eignete sich am besten dazu, sich nachts so richtig zu gruseln. Nur selten kam ein anderer Fahrer auf der gegenüberliegenden Fahrbahn entgegen, genau so selten jemand auf meiner Fahrspur. So konnte ich die schnelle Fahrt mit allen Sinnen genießen und hatte die Gelegenheit zum Test meiner PS-starken Maschine.
Blinker gesetzt und rüber auf die linke Fahrspur. Klar, ist verboten, immerhin gilt auch auf Autobahnen das Rechtsfahrgebot, doch wer sollte es schon sehen mitten in der Nacht. Nein, nicht, was Ihr vielleicht denkt! Ich bin keinesfalls ein notorischer Schnellfahrer. Ich fahre nur dann schnell, wenn ich es kann und es die Möglichkeiten der Fahrbahn auch erlauben. Immerhin will ich niemanden gefährden. Ich weiß, das ist keine Ausrede für den Grund des zu schnellen Fahrens. Mitdenken und schnell reagieren können ist die Devise.
Endlich auf der linken Spur, Fuß auf´s Gas und los ging es. Dröhnend beschwerte sich der Motor über die rabiate Behandlung. Doch ich kannte keine Gnade. Die knapp 200 PS des 2,3-Liter-Motors unter der Haube meines geliebten Benz mussten schon was bringen. Dass sie was brachten, zeigte auch die Tankanzeige. Kraft kommt von Kraftstoff, heißt es nicht umsonst. Aber scheißegal, schnell fahren ist geil und macht Spaß. Bei 230 km/h fing mir das Herz mächtig an zu pochen, Adrenalin schoss durch meine Adern wie der Pfeil eines Bogens durch die Luft. Schneller, oder doch lieber nicht schneller? Noch war das Ende der Tachoanzeige nicht erreicht. Rote Rückleuchten nahmen mir die Entscheidung ab. Also Fuß vom Gas und langsamer fahren. Ich war ja nicht ganz allein auf der Straße.
Das Gegenteil von Spaß ist Ärger. Den hat man meist, wenn ein Blitzer aktiv wurde. Auch das gab es bei mir, nicht nur einmal. Zum Glück blieben mir Fußgängersein auf Zeit oder Punkte in Flensburg bisher erspart. Doch ärgerlich ist es schon, wenn plötzlich ein Brief ins Haus flattert, wo mir mitgeteilt wird, ich müsse was bezahlen, weil ich zu schnell unterwegs war. Dazu gab es meist noch ein teures Passfoto. Dann überlege ich schon, ob es das wert ist, unnütz zu rasen.
Die Blitzer sind meist auch an besonders hinterhältigen Stellen platziert, an denen man sie gar nicht erwartet. Wie auf der A44 von Kassel in Richtung Dortmund. Wer erwartet dort mitten in der Nacht, in der normale Menschen eigentlich schlafen, einen Blitzer? Auf dem Rückweg sah ich ihn richtig! Es war sogar ein fest installierter Blitzer, den ich Dummbatz übersehen hatte! Pech gehabt oder Glück? Pech, weil ich durch meine eigene Dummheit zahlen musste und Glück, weil ich nicht so schnell war, um Fußgänger wider Willen zu werden. Also kann man es so und so sehen. Da sind sie wieder, die besagten zwei Seiten der Münze.
Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, ab und an mal auf´s Gas zu steigen, das Röhren und Brummen des Motors und den Wind im Haar zu genießen. Natürlich nur, wo es möglich ist und ich keine anderen Straßenverkehrsteilnehmer gefährde. Denn die Gefahr, dass doch ein Unfall geschieht, ist groß. So bleibt der Bleifuß auch meist zu Hause und somit die Bußgeldbescheide wo sie sind, nämlich auf der Bußgeldstelle. Das schont meine Nerven und auch meinen Geldbeutel.
© by Milly B. / 25.08.2017