Es ist stürmisch, genau wie vor sieben Jahren. Die Wolken scheinen zu sich gegenseitig zu jagen, als hätten sie es eilig, hier wegzukommen.
Ich erinnere mich, wie es damals war. Fast genau wie jetzt, nur, dass ich nicht allein war. Die Familie und ein paar Freunde hatten sich versammelt. Dazu zwei dunkel gekleidete Personen mit ernsten Gesichtern, sowie ein weiterer Herr mit einem ebenso ernsten Gesicht.
Wie schön wäre es gewesen, wenn die Sonne geschienen hätte. Leider wagte die sich nicht hinter den Wolken hervor. Nur einmal kam es mir vor, als würde ein letzter Gruß vom Himmel geschickt werden. Die Wolken rissen auf und da hindurch sandte die Sonne ihre Strahlen zur Erde hinab.
Du liebtest die Sonne. Es konnte dir gar nicht heiß genug sein. Während ich mich bei Hitze lieber verzog, wolltest du Sonne pur. Jeder ist anders, zum Glück. Dies war wohl der einzige Punkt, in dem wir nicht übereinstimmten.
Wie so oft gehe ich diesen Weg entlang. Kies knirscht unter meinen Schuhsohlen. Die Wege sind sorgsam geharkt. Es ist still. Mir kommt es vor, als würde die Stille in meinen Ohren dröhnen und mir zuschreien: „Siehst du, hier bin ich! Ich bin die Stille! Hörst du mich? Wage es nicht, ein lautes Wort zu erheben!“
Die Bäume fangen eben an, grün zu werden. Es ist Frühling, die schönste Zeit des Jahres. Das Leben erwacht aus der Starre des Winters. Schneeglöckchen strecken ihre Köpfchen der Sonne entgegen, die ersten Krokusse folgen, deren bunte Knospen wie Farbtupfer Wiesen zieren. Die Menschen werden fröhlicher. Freudig erwarten sie den Frühling.
Auf den Bänken sitzen die ersten Sonnenanbeter. Auch sie erfreuen sich an den wärmenden Strahlen der Sonne. Leise unterhalten sie sich, als würden sie sich davor fürchten, jemanden zu stören.
Es ist ein Ort der Stille, der Trauer, die das Herz des Besuchers zu erreichen scheint. Ich komme gern hierher, auch wenn es mich schauert und sich mein Innerstes dagegen sträubt.
Dennoch gehe ich diesen Weg beinahe jede Woche. Mein Herz geht auf, wenn ich hierherkomme. Ich fühle mich dir nahe, obwohl es gar nicht mehr sein kann, dir nah zu sein. Und trotzdem ist es so, als würdest du mich sehen, meine Worte verstehen, die durch meinen Kopf wirbeln, Worte, die ich dir gerne noch gesagt hätte. Ich stelle mir vor, wie du mich anlächelst und mir deine Hand entgegenstreckst. Doch es ist nur ein Hirngespinst, dem ich nicht entfliehen kann.
Mein Herz schmerzt, beinahe wie am ersten Tag. Dabei ist es sieben Jahre her. Der Schmerz sollte geringer werden, abflachen und mich endlich frei sein lassen. Aber es ist nicht so. Meine Sehnsucht bringt mich fast um, sie schreit nach dir. Ich muss an mir halten, um nicht loszuschreien, oder noch schlimmer, zu weinen. Jeder würde es mir sofort ansehen, wie groß die Trauer noch in mir ist, wie sie mich beherrscht und mich in ihre Bahnen zwingt. Doch das soll nicht sein, ich muss sie bezwingen, obwohl meine Sehnsucht auch nach vielen Jahren noch so groß ist, dass sie mich zerfrisst.
Trotz allem bin ich glücklich. Glücklich, dass es dich in meinem Leben gab.
© Milly B. / 09.05.2021