Schnaufend laufe ich den schmalen Pfad zwischen den Feldern entlang. Ich schwitze, mein Shirt klebt an meinem Körper, der Schweiß läuft in Strömen. Dummerweise habe ich auch noch lange Hosen an.
Die Sonne prallt herunter, nirgendwo ist ein Plätzchen Schatten. Trotzdem muss ich weiter. Es ist schwül zu dieser Hitze, was mir noch mehr zu schaffen macht. Eine Sauna kann ich mir heute sparen.
Ich frage mich zum wiederholten Male, warum ich gerade bei so einer tropischen Hitze spazieren gehen musste. So schlecht finde ich es eigentlich gar nicht, spazieren zu gehen. Immerhin ist Bewegung gut und es tut auch meiner Figur gut. Nur durch Umstellung der Ernährung abzunehmen, funktioniert nicht. Ein wenig bewegen muss man sich dabei schon. Sofa-Potato adé.
Aber gerade heute muss so eine Affenhitze sein. Ein Sonnenhut wäre jetzt fantastisch. Natürlich habe ich auch den nicht aufgesetzt. Wie dumm kann ich nur sein?
Mir wird ein wenig schwummrig. Ich muss trinken, sonst mache ich hier noch schlapp. Wer weiß, wann hier mal wieder jemand vorbeikommt. Spätestens wenn die Felder abgeerntet werden. Aber bis dahin bin ich Dörrgemüse. Letzteres wäre zwar nicht schlecht, aber zu verdursten, soll kein so schöner Tod sein. Schnell etwas Wasser trinken, dann geht es mir gleich besser. Ich höre es beim Trinken regelrecht zischen, als wäre das Wasser auf eine heiße Herdplatte getropft.
Obwohl ich immer noch schwitze und eigentlich keine Lust mehr habe, hier herumzulaufen, gehe ich weiter. In der Ferne höre ich einen Rotmilan nach seinen Jungen rufen. Die Jagd war wohl erfolgreich gewesen. Der schrille Schrei des Vogels schallt über das Feld bis zu mir. Ganz weit hinten am Feldrand, über den Wipfeln der Bäume, sehe ich das Tier. Majestätisch segelt es durch die Lüfte. Ihm scheint die Hitze nichts auszumachen. Ob die Tiere, wie wir, auch unter dieser Tropenhitze leiden? Ich weiß es nicht.
Angestachelt durch den Anblick des Vogels, halte ich nun meine Augen offen. Ich sehe auf einmal die Natur, und sehr viel mehr, als ich sonst bemerkt habe, wenn ich hier entlang gegangen bin. Winzige Grashüpfer machen ihrem Namen alle Ehre. Flott springen sie von einem Grashalm zum anderen. Dort, gleich neben einer fast ausgetrockneten Pfütze sind Spuren zu sehen. Es war wohl ein Fuchs, der sie hinterlassen hat. Ich bemerke auch Schuhabrücke von Menschen, die wohl wie ich, hier spazieren gingen. Gleich daneben Abdrücke von den Pfoten eines Hundes.
Im Maisfeld neben mir kommt eine breite Spur heraus, ein Wildwechsel. Ich sehe Wildschweinspuren. Aufmerksam blicke ich mich um. Hoffentlich begegne ich den Schweinen nicht. So schnell kann ich gar nicht rennen, wie ich rennen müsste, um mich in Sicherheit zu bringen. Mir bricht gleich wieder der Schweiß aus, dieses Mal ist es aber Angstschweiß. Ich gehe trotzdem weiter. Es müsste schon ein Zufall sein, Wildschweinen am Tag zu begegnen. Nachts wäre dies etwas anderes. Aber wer geht schon nachts hier spazieren? Ich denke erneut an die Schweine, die jetzt wohl irgendwo im Maisfeld den Tag verschlafen, oder auf zufällige Wanderer warten, um denen den Garaus zu machen. Mir zieht eine Gänsehaut über den Rücken, als ich mir dies vorstelle. Zum Glück habe ich mein Handy mit, mit dem ich notfalls um Hilfe rufen kann. Egal, weiter geht es.
Gefühlte 1000 Kilometer weiter finde ich endlich Schatten. Erschöpft lasse ich mich ins Gras fallen. Ich trinke mein letztes Wasser aus.
Auch hier, an meinem Lagerplatz blicke ich mich aufmerksam um. Es gibt so viel zu entdecken in der Natur. Ich wusste schon gar nicht mehr, wieviel wirklich. Staunend betrachte ich eine riesige Distel mit ihren fast lilafarbenen Blüten. Daneben zwei blühende Pflanzen, die ich nicht zuordnen kann. Egal, sie sind schön und lassen mich die Tortur meines Marsches vergessen. Ich mache ein paar Bilder zur Erinnerung.
Auch auf dem Rückweg halte ich meine Augen offen. Wieder entdecke ich am Wegesrand viele Pflanzen. Der letzte Mohn blüht. Es ist ewig her, dass ich Mohn am Feldrand gesehen habe. Kamille und noch mehr mir unbekannte Pflanzen säumen den Weg.
Ich komme wieder an dem Wildwechsel vorbei. Vorsichtig schaue ich in die Schneise, die die Schweine ins Maisfeld geschlagen habe. „Durch diese enge Gasse müssen sie kommen“, denke ich und lache über meinen Einfall.
Mein Dorf kommt in Sicht. Ich bleibe stehen und sehe zum Ortseingang. „Hier bin ich aufgewachsen, es ist mein Dorf, meine Heimat.“ Ein warmes Gefühl strömt in mein Herz.
Zu Hause angekommen, bin ich nun vollends fertig mit der Welt. Ich schwitze immer noch. Eigenartigerweise macht mir das nun nichts mehr aus. Auf meinem Spaziergang habe ich mehr gesehen, als ich gedacht habe, obwohl ich eigentlich nur spazieren gehen wollte, um Bewegung zu haben. Ans Abnehmen denke ich auf einmal gar nicht mehr. Die tropische Hitze macht mir nichts mehr aus, auch wenn ich schweißüberströmt und schwitzend vor meiner Haustür stehe und nach Luft schnappe wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Schnell ist ein Entschluss gefasst: Ich muss mehr davon haben. Gleich morgen werde ich mich wieder auf den Weg machen und meine Umgebung erkunden, die ich als Kind wie meine Westentasche kannte. Auch wenn wieder eine Tropenhitze sein wird, egal…
© Milly B. / 18.07.2021