Es war einmal, so beginnen eigentlich nur Märchen. Es ist aber kein Märchen, im Gegenteil: Es ist wahr, wahrer kann es nicht sein.
Es erwischte mich wie ein D-Zug, der in voller Fahrt gegen eine Betonmauer fährt und sie durchbricht. Genau so ging es mir, als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich sah ihn und hatte sofort Schmetterlinge im Bauch, die wie wild darin herum flatterten und mich auf Wolke sieben schweben ließen. Das passierte mir kurz nachdem ich von meinem Mann verlassen wurde, einer Liebe, von der ich dachte, sie hält ewig. Einfach so nach vielen Jahren Gemeinsamkeit war ich plötzlich alleine und einsam.
Ja, ich fühlte mich einsam. Es war kalt in meinem großen Bett, in dem ich nachts alleine lag und sinnierte. Nicht, dass ich gleich begann, mich neu umzuschauen. Dazu war es zu zeitig, dachte ich. Aber da war ein Mann, den ich schon lange kannte, mich aber nie traute, ihn zu treffen. Immerhin war ich verheiratet und die treue Ehefrau.
Aber nun wagte ich es. Der spontane Einfall einfach so kam. Wir schrieben Mails, telefonierten. Dann kam der Vorschlag von mir: „Wollen wir uns treffen?“
Stille am anderen Ende, aber dann die erlösende Antwort: „Ja.“ Und hinterher ein leiser Seufzer. „Ich freue mich, dass du dies fragst“, kam gleich darauf. „Das habe ich mir schon so lange gewünscht.“
An einem schönen Tag im Februar fuhr ich zu ihm. Aufgeregt saß ich auf meinem Platz im ICE und schaute mir die vorbei fliegende Landschaft an. Jedoch je näher ich meinem Ziel kam, desto aufgeregter wurde ich. Gedanken schwirrten mir im Kopf herum: Wie ist er wirklich? Ist er so, wie ich ihn mir vorstelle? Was ist, wenn wir uns nicht riechen können?
Alles Fragen, die mir Angst machten, sehr viel Angst. Ich dachte an meine Jahre der Ehe zurück, sicher auch da war einst Liebe, doch dann zwang ich mich, an etwas anderes zu denken. Es war nicht gut, gerade jetzt an die Vergangenheit zu denken. Schau in die Zukunft und nicht zurück, zwang ich meine Gedanken in eine andere Richtung.
Endlich hielt der Zug im Zielbahnhof. Aufgeregt sprang ich auf, nahm mein weniges Gepäck, das ich für diesen einen Tag in meinen Rucksack gepackt hatte.
Als ich ausstieg und mich suchend auf dem Bahnsteig umblickte, sah ich ihn sofort. Er stand da mit einem Blumenstrauß in der Hand und schaute mich erwartungsvoll an.
Ich ging ihm entgegen, in meinem Magen grummelte es. Waren es diese sagenhaften Schmetterlinge, die in meinem Bauch wirbelten? Und mein Herz? Das machte Luftsprünge. War es schon um mich geschehen?
Nun standen wir uns gegenüber und beäugten uns. Sein Blick ließ mich erschauern, wohliges Kribbeln durchfuhr mich, Wärme stieg in mir auf, bis in mein Herz. Dann fielen wir uns in die Arme. Einfach so. Eng umschlungen standen wir mitten auf dem Bahnsteig und küssten uns. Die Menschen um uns nahmen wir nicht wahr. Es gab nur noch uns beide.
„Schön, dass du da bist“, flüsterte er mir zu, als ihn meine Lippen endlich los ließen. Seine Augen leuchteten vor Freude.
Wir gingen Hand in Hand durch seine Stadt, die er mir zeigte, wo er wohnte und lebte. Ich sog alles in mir auf und jedes Mal wenn ich ihn ansah, durchfuhr mich derselbe warme Schauer. Mein Herz tat weh, als ich daran dachte, dass ich bald zurück fahren muss.
Als ich ihn verlassen musste, sagte er: „Wir sehen uns wieder, bald. Ich liebe dich.“
Da wusste ich, es geht ihm wie mir. Soll er meine neue Liebe werden? Oder sind das bereits jetzt Frühlingsgefühle, die mich überwältigt haben?
© Milly B. / März 2011