Als es klopfte, hob Merkanto überrascht den Kopf. „Herein?“ Gleichzeitig tastete er nach dem dolchförmigen Brieföffner in einem Fach des Sekretärs.
Er erwartete keinen Besuch am Tage.
Als die Tür aufschwang, entspannte er sich. „Kendreek!“
„Guten Morgen, Berater.“ Der Drachenmensch verneigte sich steif.
Irritiert runzelte Merkanto die Stirn. „Was tust du hier?“
„Lady Jamira sendet ihre Grüße und dieses Präsent.“ Kendreek hielt den Korb wie einen Schild zwischen sie.
„Stell es dorthin.“ Merkanto wies mechanisch auf die lange Tafel, die heute gut gefüllt war mit Anerkennungsgeschenken anderer Vampirfamilien. Es war keine Freundlichkeit, sondern reine Notwendigkeit. Diese Geier hofften insgeheim, dass Nepumuk irgendwie gestürzt würde und seine Macht verlor. Doch Merkantos Clou hatte dafür gesorgt, dass der Graf im Gegenteil noch etwas mehr Einfluss gewonnen hatte.
Kendreek fand einen Patz für dieses letzte Geschenk, dessen Verspätung von Jamiras Seite einer Beleidigung nahekam. Allerdings glaubte Merkanto, dass Kendreek absichtlich getrödelt hatte, um Nepumuk nicht begegnen zu müssen.
Der Grüngeschuppte drehte um und wollte gehen.
Merkanto sprang aus dem Stuhl. „Warte.“
„Was denn?“ Kendreeks Stimme ähnelte einem Knurren.
Merkanto kam um den Schreibtisch herum. „Seit wann arbeitest du für Lady Jamira?“
„Du warst lange weg. Ich musste zusehen, wie ich zurechtkomme.“
„Aber du hasst Vampire!“
„Kannst du es mir verdenken?“ Wütend drehte Kendreek sich um. Seine Augen funkelten feurig, offenbarten den Drachen, der hinter dem fast menschlichen Gesicht ruhte. „Du weißt, was passiert ist.“
Seufzend sah Merkanto zu Boden. Drachen und Vampire … das war ebenfalls ein Krieg, genau wie zwischen Werwölfen und Vampiren.
Nun, womöglich lag es an den Vampiren, die das Eisland im Herzen des Schattenreichs für sich beanspruchten und niemanden sonst duldeten.
Er trat an eine der Vitrinen, öffnete sie und nahm zwei Gläser und eine Karaffe roten Wein heraus. Auf einem der kleineren Tischchen richtete er die Getränke an und ließ einige Tropfen Schwarzbohnensaft in Kendreeks Glas tropfen.
„Du magst es doch noch immer scharf, oder?“, fragte er mit einem schiefen Lächeln, als er zu seinem Freund trat und ihm das Glas in die schlanke Hand drückte.
Kendreek nickte. Natürlich. So lange war Merkanto gar nicht fort gewesen.
„Dann werden wir uns wohl in Zukunft seltener sehen, wie?“, fragte Merkanto, während Kendreek mit unergründlichem Blick in den Wein starrte. „Nur noch bei offiziellen Anlässen, wenn unsere Herren falsche Komplimente austauschen und …“
Weiter kam er nicht. Kendreek hatte das Glas abgestellt und stürzte sich auf den Magier. Merkantos Glas landete auf dem Teppich, wo sich der Wein sofort verteilte, während Kendreeks Krallen sich in Merkantos Haar gruben und seine Lippen den Schreckensschrei des Menschen erstickten.
Merkanto widerstrebte nicht. Mit schnellen Schritten dirigierte Kendreek ihn zum schweren Schreibtisch. Merkanto zerrte an dem Band, das Kendreeks schwarzes Hemd verschloss, und Kendreek packte die blauen Roben des Magiers und streifte sie über dessen Kopf.
Merkanto fühlte den Widerstand des Holzes hinter sich. Kendreek wischte Pergamente, Tintenfässer und Schreibfedern beiseite und wuchtete Merkanto auf die Arbeitsfläche. Sitzend strich der Magier über die Bauchmuskeln unter der hellen, mit vereinzelten, grünen Schuppen gesprenkelten Haut. Kendreek öffnete seine Hose, dann stieß er Merkanto mit einem kräftigen Ruck zurück, sodass der Berater auf dem Rücken landete. Kendreek packte seine Hüfte und zog Merkantos Gesäß zu sich.
Er warf den Kopf zurück und stöhnte, als Kendreek mit einem kräftigen Stoß in ihn eindrang. Lust überspülte ihn, als ihre ausgehungerten Körper sich verbanden. Kendreek stürzte sich auf der Tischplatte ab, seine Krallen bohrten sich in das dunkle Holz. Merkantos Finger rutschten über den Schuppenpanzer auf Kendreeks Rücken. Er wimmerte bei jedem Stoß, während Kendreeks heißer Atem rau neben Merkantos Ohr zischte. Kleine Blitze fuhren aus Merkantos Fingerkuppen, tanzten von den Spitzen der winzigen Schuppen und entlockten Kendreek noch rauere Laute.
Es ging schnell und erbarmungslos. Kendreek stöhnte mit einem befriedigten Knurren auf. Flammen glühten hinter seinen halb geschlossenen Lidern. Dann sackte er über Merkanto zusammen.
Ihre Köpfe lagen direkt nebeneinander. Kendreeks Gewicht presste ihre Körper mit flatternden Atemzügen gegeneinander, und auf der Brust fühlte Merkanto den kräftigen Herzschlag des anderen. Mit Beinen und Armen umarmte er Kendreek, seine Lippen wanderten über den Hals des Drachlings.
Doch mit einem plötzlichen Ruck stand Kendreek auf. Er drehte sich um und zog die Hose wieder an.
„Kendreek …?“
„Ich hätte das nicht tun sollen“, knurrte der Drachenmensch und streifte das Hemd über.
„Warte!“ Merkanto sprang auf, als er sah, dass sein Freund gehen wollte. „Bitte.“
„Es hat doch keinen Zweck.“ Kendreek warf ihm einen finsteren Blick zu, seine Augen huschten nur kurz über Merkantos nackten Körper.
Mit einem Mal fühlte der Zauberer sich verletzlich. Er griff nach der Robe und hielt sie schützend vor sich.
Kendreek schnaubte. „Wieso sollte ich bleiben?“
„Ich liebe dich.“
„Du hast deinen Ehrgeiz. Du wirst niemals mir gehören, sondern immer diesem … Vampir.“
„Das ist doch nur meine Arbeit“, hauchte Merkanto leise.
„Wir könnten etwas anderes finden.“ Schmerz brach durch die zornige Maske, die Kendreeks Gesicht geworden war. „Irgendwo anders.“ Er streckte eine Hand aus, flehend, hilfesuchend.
Merkanto zögerte.
„Ich verstehe“, zischte Kendreek. Er rauschte durch die Tür und schlug das Portal hinter sich ins Schloss.
Zitternd sank Merkanto auf den Boden. Er presste die Roben vor die Brust und wünschte sich Tränen, die nicht in seine trockenen Augen treten wollten. Zu lange war es her, dass er geweint hatte. Er hatte es verlernt.
Der Geruch des verschütteten Weins stieg ihm in die Nase. Er presste die Augen fest zusammen und machte sich noch kleiner.