»Was hast du gerade gesagt?« Naja wühlte sich durch die Umstehenden nach vorne.
Der Soldat, der die Nachricht verlesen hatte, warf ihm einen genervten Blick zu. Er rollte das Papier zusammen. »Frag deine Kameraden.«
Naja sah sich um. Er hatte keine Freunde in der Kompanie, deswegen überraschte es ihn, als ausgerechnet Paski zu ihm stapfte.
»Ein Kopfgeld wurde ausgesetzt«, erklärte der Troll. »Es gibt da irgendeinen Vampirgrafen, der seinem Vater abgehauen ist.«
»Der Sohn von Nepumuk Taidoni«, warf ein Werwolf ein.
Paski nickte. »Genau, Iljan. Wir sollen die Augen offenhalten, ob wir ihn sehen. Und wenn, dann müssen wir ihn lebendig gefangennehmen.«
»Ja, das hatte ich mitbekommen. Aber was war es noch gleich, weswegen er losgerannt ist?« Najaxis sah neugierig zwischen den beiden hin und her.
»Iljan ist ein Wahnsinniger. Er will irgendwie im Sonnenland leben oder so«, brummte Paski. »Totaler Humbug. Die würden ihn abschlachten.«
»Aber es gibt noch mehr, die an ihn glauben, oder? Eine Werwölfin? Und ein Magier?«
»Und?«
»Vielleicht … hat er ja recht?«
Paski schnaubte. »Was? Denkst du, die Sonnenländer würden solche wie uns einfach akzeptieren? Du bist ja ebenso ein Träumer wie der Vampir.« Kopfschüttelnd stapfte er weg. Auch der Rest der Versammelten zerstreute sich.
Nur Naja blieb nachdenklich am Feuer stehen. Er hörte jenen Satz wieder, den seine Mutter so oft gesagt hatte.
Du wurdest als Inkubus geboren und das wirst du auch immer bleiben.
Und wenn nicht?
Er fühlte ein Kribbeln. Ein ganz merkwürdiges Gefühl, als würde ihm mit einem Mal die ganze Welt offenstehen. Als würde sich aus der Finsternis seiner Sinnsuche mit einem Mal ein Weg abzeichnen.
Vielleicht gab es Hoffnung für solche wie ihn, drüben im Sonnenland. Vielleicht könnte er dort lernen, ein guter Mensch zu sein.
Und dann, wenn er es gelernt hatte, zurückkehren und seinen Freunden helfen. Das reparieren, was er zerbrochen hatte.
Er drehte sich um und ging los, jedoch nicht zurück zu den Zelten, die für die Soldaten aufgestellt worden waren. Im Gegenteil, er wandte sich zum Ausgang des Lagers. Ohne auch nur eine Tasche oder Proviant zu holen marschierte er los, denn alles andere würde nur Verdacht erregen.
Seine Gedanken kreisten um diesen kleinen Hoffnungsfunken. Konnte ein Nachtwesen tatsächlich auch … gut … sein? War es nicht sein Schicksal, eine Schneise aus Trauer und Verzweiflung hinter sich zurückzulassen?
Iljan … Iljan könnte ihm die Antwort geben! Er musste den Vampir nur finden. Jenen, den das Schattenland suchte und der sich jedem Zugriff entzog.
Doch es schien Najaxis, als könnte er gar nicht versagen, müsste Iljan sogar finden. Als wäre er endlich auf seine Bestimmung gestoßen.
Er konnte lernen, wieder gut zu sein.