Es war einmal eine Prinzessin, die in das Schloss ihres Vaters zurückkehrte …
Vailandamir freute sich über die Rückkehr seiner geliebten Caryellê. Er ließ ein großes Fest zu ihren Ehren stattfinden, wenngleich dieses nicht ganz so pompös ausfiel wie jenes zu ihrer Geburt. Es gab auch keinen großen Vorlauf, denn Vailandamir wollte nicht, dass die großen Fürsten mit ihren Söhnen sie erneut bedrängten. Doch es gab Speisen und Getränke im Überfluss, es wurde getanzt und die besten Musiker am Hofe spielten. Nach einem langen Fest setzten sich Vailandamir und Amirana zu ihrer Tochter und sie sprachen die ganze Nacht hindurch bis der Morgen dämmerte.
Ihre Eltern wollten alles über Carys Kindheit wissen, denn es schmerzte sie sehr, ihre Tochter nicht aufwachsen gesehen zu haben. Und Cary wollte natürlich ihre Eltern kennenlernen. Es wurden viele Geschichten ausgetauscht und auch viel geweint und sich umarmt, und insgesamt war es ein frohes Wiedersehen.
Dann begann Carys Ausbildung, denn sie musste die Etikette lernen und natürlich die Adelshäuser. All das fiel ihr unbeschreiblich leicht. Sie konnte bereits handarbeiten und höfliche Floskeln gingen ihr wie Butter von der Zunge. Sie sog das Wissen um die Wappen und Mitglieder der anderen Königshäuser auf und war eine perfekte Prinzessin, das Juwel ihres Vaters.
Ihre Mutter dagegen war womöglich ein wenig traurig. Zu ihrer Zeit war Amirana eine Abenteurerin gewesen, die sogar die dunklen Wesen aus dem Schattenland bekämpft hatte. Sie hatte sich gewünscht, dass ihre Tochter diesen Charakterzug von ihr erben würde, doch nichts lag Cary ferner, als mit Holzschwertern herumzufuchteln, zu reiten oder mit dem Bogen zu üben. Der einzige Sport, der sie interessierte, war der Tanz. Ihre Mutter fühlte sich, als hätte sie ihre Tochter in jener Nacht vor vielen Jahren an die Herrin des Lichts verloren.
Währenddessen lernte Cary nach und nach die anderen Fürsten kennen und wieder versuchten diese, ihr ihre Söhne vorzustellen. Doch Cary wusste nun, diese Annäherungen als List zu durchschauen, da es den jungen Elfen nicht um sie ging, nur um ihr Reich. Dann jedoch, als sie ein Alter erreichte, das bei Menschen dem zwölften Lebensjahr entspricht, traf sie einen Jungen aus einem fernen Fürstentum.
Dieser junge Elf hieß Adhairos fay Naigarund. Er war ein gutaussehender, rothaariger Elfenbursche, ein großer Krieger, beritten und geschickt mit dem Bogen. Und nichts hasste er mehr als Bälle und Etikette, Tanz und Geplänkel, weshalb er Cary nie zuvor begegnet war. An diesem schicksalhaften Tag jedoch erblickten die beiden jungen Königskinder einander, und es war um sie geschehen. Denn wie es bei Elfen so geschehen kann, war es Liebe auf den ersten Blick. Cary und Adhairos waren füreinander bestimmt.
Oft muss die Liebe der Elfen reifen, bis zwei einander als Seelenverwandte erkennen und dies ein ganz besonderes Band zwischen ihnen schmiedet, doch mit Cary und Adhair war es anders. Jeder im großen Tanzsaal sah es. In dieser Nacht tanzten sie lange miteinander, während die anderen Fürsten ihre Heiratspläne schweren Herzens begruben.
Adhair war in jeder Hinsicht Carys Gegenteil, doch dies bewirkte eine fast magische Veränderung zwischen ihnen. Carys Bann hatte Adhair dazu gebracht, einen langen Abend zu tanzen. Nun verschmolzen ihre Seelen ganz wie ihre beiden Welten. Cary begleitete Adhair zu seinen Ausritten und Schaukämpfen. Sie ritt bald neben ihm, schließlich nahm auch sie Pfeil und Bogen in die Hand, und in seiner Nähe machte es ihr Spaß, all diese Dinge zu lernen. Sie begann, seine Liebe für den Kampf zu teilen.
Im gleichen Maße saß er bei ihr, wenn sie ihre Handarbeiten machte, reichte ihr zunächst die Nadeln, stickte bald selbst. Ihre Freude daran, filigrane Stoffe zu weben, übernahm auch er.
So wurde das Paar unzertrennlich. Sie verbrachten schließlich jede Stunde miteinander, jeden Tag. Sie teilten all ihre Vorlieben und Abneigungen.
Für die Eltern beider war es herrlich anzusehen. Carys Mutter freute sich ungemein, welches Geschick ihre Tochter mit dem Bogen bewies. Adhairs Vater war entzückt, dass sein Sohn die Etikette erlernte.
Es wurden einige Gespräche geführt und beide Elternpaare stimmten überein, dass Cary und Adhair zusammengehörten. Es war offensichtlich, dass Liebe zwischen den beiden herrschte, wie sie nur unter Elfen vorkam. Ein magisches, vielleicht heiliges Band, das niemand brechen wollte, wo es keinen Grund dafür gab.
So wurde die Verlobung beschlossen. Wenn beide jedes Alter erreichten, das bei einem Menschen dem sechszehnten Lebensjahr entspräche, sollten sie verlobt werden.
Bis dahin jedoch zogen die Jahre ins Land. Cary und Adhair lebten unbeschwert und glücklich und ihre Eltern behielten sie im Auge, falls sich wider Erwarten herausstellen sollte, dass die junge Liebe doch nicht sein sollte.
So kam es denn auch schließlich zu einem Streit, der die Probe für das Paar darstellte. Cary und Adhair schimpften beide gar bitterlich, um nichts eigentlich, und es wurden Worte ausgesprochen, die niemand hören mag. Sie gingen ihrer Wege, zornig, doch fanden sie wieder zusammen. Es dauerte nur einen Tag, bis sie einander verziehen, und so was nun auch für die Eltern, die viele Jahre länger auf der Erde wandelten, klar, dass nichts die zwei auseinanderbringen würde.
Es war eine Kette geschmiedet worden, die ihnen keine andere Wahl ließ.
So wurde die Verlobung angekündigt und ein großes Fest abgehalten, und Cary versprach Adhair ihre Hand, während Adhair schwor, ihr immer treu zu bleiben. Das Glück der beiden schien kein Ende zu nehmen.
Doch wie es so ist, muss jedes Glück eines Tages enden.