»Najaxis! Komm bitte rein.«
Der kleine Inkubus am Schlammloch hob den Kopf. »Tut mir leid, ich muss gehen.«
»Jetzt schon?«, maulte Paski, der kleine Steintroll.
»Ja. Es wird ja schon dunkel«, erklärte Naja traurig.
»Du musst heim, wenn es dunkel wird?« Katie war eine junge Vampirin und sah Naja mit großen Augen an.
Er fand sie ziemlich toll. Sie konnte fliegen und wusste, wie man eine vernünftige Matschburg anlegte, und Paski wusste, wie man dafür sorgte, dass der Schlamm auch steinhart wurde. Naja hätte so gerne weiter mit den beiden gespielt, aber wie jede Nacht ging das nicht. Am nächsten Morgen würde er nur sehen können, was die beiden errichtet hatten.
»Bis morgen«, sagte er leise.
»Bis morgen«, antworteten Paski und Katie.
»Najaxis! Na los.«
Der junge Inkubus rannte los, bis er das Haus am Waldrand erreicht hatte. Er wohnte am Rand des Ysyr, des Nymphenwalds, im Schatten der Metallberge. Ihre Hütte war eine von mehreren einfachen Holzhütten. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf und während Naja über die Wiesen rannte, merkte er plötzlich, dass er Hunger hatte.
»Kann ich gleich noch ein bisschen raus?«, bat er, als er reinkam.
»Nein.«
»Aber Mama …«
»Es ist schon spät. Und Nein heißt Nein.« Die Frau am Herd hatte blondes Haar und eine leicht füllige Figur. Ihr Blick war müde und streng.
Naja seufzte. »Was gibt’s denn zu essen?«
»Erst Hände waschen«, sagte seine Mutter, als er sich schon an den Tisch setzen wollte. Wütend stapfte Naja zur Waschschüssel.
»Die anderen Kinder dürfen auch nachts spielen«, beschwerte er sich.
»Die anderen Kinder dürfen dafür tagsüber nicht spielen.«
»Kann ich dann nicht tauschen?«
Seine Mutter lachte. »Nein, Naja. Du bist ein Inkubus.«
»Wenn ich groß bin, werde ich auch Vampir. Oder Troll!«
»Schlag dir das sofort wieder aus dem Kopf. Du bist als Inkubus geboren und das wirst du auch immer bleiben. Du bist ein Tagläufer.«
Mit nun sauberen Händen kehrte Najaxis zum Tisch zurück. »Aber Vampire können andere verwandeln, oder nicht?«
»Das heißt noch lange nicht, dass du das auch nutzen musst.« Seine Mutter sah ihn streng an. »Außerdem beißen die Vampire nicht einfach jeden.«
»Ich werde einfach Katie fragen.«
»Najaxis Kardak! Das wirst du nicht. Oder du kriegst Hausarrest und wirst deine Freunde nie wieder sehen.«
Eingeschüchtert verstummte Naja. Auf dem hohen Stuhl baumelte er mit den Füßen und spielte mit dem Löffel. Er konnte kaum die Hände auf die hölzerne Tischplatte legen.
Seine Mutter stellte den Topf vor ihm ab und begann, den Brei auf die Teller zu häufen.
»Was ist das?« Najaxis verzog das Gesicht.
»Iss deinen Haferbrei.«
Missmutig schon Naja den Löffel in den Brei. »Inkubus sein ist doof. Ich wäre viel lieber was anderes.«
»Und ich wäre gerne was anderes als nur ein Mensch«, sagte seine Mutter. »Man kann sich aber nicht aussuchen, als was man geboren wird. Und dann muss man damit leben.«
»Und wenn ich das nicht will?«
Seine Mutter sah ihn über den dampfenden Brei hinweg an und seufzte. »Man kann das nicht ändern, mein Schatz. Wir sind, wer wir sind. Es ist viel leichter, wenn man sich damit abfindet.«
In dieser Nacht lag Najaxis lange wach und dachte über die Worte seiner Mutter nach. Wieso nur fühlte es sich an, als würde sich eine Schlinge um seinen Hals legen, als würden Ketten ihn an sein Bett und an dieses Haus fesseln?
Er setzte sich auf, schob den Vorhang zur Seite und versuchte, jenseits der Scheibe etwas von der Nacht zu erkennen. Paski und Katie hatten gerade sicher eine Menge Spaß zusammen.
Und er? Er saß hier fest …
Es war zu dunkel, sodass er schließlich aufgab und sich wieder unter seine Decke verkroch.
Zornige Tränen liefen über seine Wangen. Katie und Paski hatten sicherlich den Spaß ihres Lebens.
Sollte er? Lautlos schwang der Junge die Füße aus dem Bett. Der Holzboden knarrte. Naja hielt den Atem an und lauschte, doch vom großen Bett her drang nur sanftes Schnarchen.
Seine Mutter schlief tief und fest. Auf Zehenspitzen tapste der Junge zur Tür. Er zog seine Jacke über und nahm die Schuhe in die Hand. Die Türklinke ergriffen sah er noch einmal zurück. Dann öffnete er die Tür langsam, schlüpfte hinaus und schloss sie hinter sich.
Nasses Gras netzte seine Füße, als er loslief, zu aufgepeitscht vom Adrenalin, um die Schuhe direkt anzuziehen. Erst, als die Kälte seine Beine hinaufzusteigen begann, schlüpfte er widerstrebend hinein.
»Katie! Paski!«
»Naja? Was machst du denn hier?«
»Durftest du noch raus?«, fragte Katie misstrauisch.
»Ja, meine Mutter hat mir noch eine Stunde erlaubt.« Najaxis ließ sich neben die beiden auf den Boden sinken. Er konnte die Burg kaum erkennen, die sie errichteten. »Was soll ich machen?«
»Kannst du einen Wassergraben?«, fragte Katie. »Meiner hält nicht.«
»Klaro!« Naja beugte sich vor und begann, zu graben, indem er sich zuerst tastend orientierte, bis er das Layout ihrer kleinen Schlammburg kannte. Ein breites Grinsen kroch über sein Gesicht.