Tatsächlich war das Wetter am Montag wirklich schön. Überhaupt hatten wir dieses Jahr mit dem Wetter wirklich Glück. Es hatte selten geregnet, war aber auch nie so heiß gewesen, dass man eine Dürre hätte befürchten müssen.
Wir saßen etwas abseits der ganzen Familien, die den Labor Day ebenso wie wir für ein letztes Picknick nutzten. Wir unterhielten uns gut und Janine und Alison hatten für ausreichend Essen gesorgt, sodass wir wohl noch die nächsten drei Tage dort hätten sitzen können. Wie zu erwarten hatten auch Lance und Alison ihre Instrumente mitgebracht. Immer wieder spielten und sangen wir zusammen. Es war wirklich schön und ausgelassen. Ich vergaß sogar, dass das Wochenende eigentlich versaut gewesen war.
»Hey!« Ich hatte mir gerade einen Schokoriegel nehmen wollen, da schnappte mir Alison den letzten unter meiner Hand weg.
»Lass teilen.« Sie grinste mich hämisch an und packte den Riegel aus. Dann steckte sie ihn sich zu Hälfte in den Mund.
Übermütig kam ich über die Decke auf sie zugekrochen und zog sie zu mir heran, um die zweite Hälfte abzubeißen. Lance und Janine lachten, während ich an meiner Hälfte kaute und die süße Braunhaarige in meine Arme zog. »Naschkatze«, flüsterte ich ihr ins Ohr.
Sie schnurrte spielerisch und drängte sich gegen mich. Noch bevor ich ganz aufgekaut hatte, reckte sie sich zu mir hoch und presste kurz ihre Lippen auf meine. Dann leckte sie sich über die Lippen und sah mich herausfordernd grinsend an. »Das ist auch süß.«
Wie verdattert ich sie ansah, wurde mir eher durch das Lachen des Pärchens auf unserer Decke bewusst. Da mir einfach keine passende Erwiderung einfiel, drückte ich sie nochmal an mich und lachte mit den anderen, denn auch Alison hatte eingestimmt.
»Oh, schön, ihr seid heute auch hier. Ich hatte darauf gehofft.« Peter stand plötzlich neben unserer Decke, als wir uns wieder beruhigten. Er lächelte mich an. »Und du scheinst auch wieder bessere Laune zu haben.«
Ich grinste zu ihm hoch. Noch immer war ich nicht ganz wieder runtergekommen. »Japp, noch die letzten schönen Tage nutzen. Wolltest du uns wieder zuhören?«
Während er nickte, rutschte ich ein Stück zur Seite und zog dabei Alison mit, die noch immer in meinen Armen saß, damit er Platz auf der Decke hatte.
Er setzte sich dazu. Dass Alison ihn mit riesigen Augen anstarrte, schien er gar nicht zu bemerken oder zu ignorieren. Er warf einen Blick auf die Instrumente am Rand. »Ihr seid heute ein paar mehr?«
Lance nickte. »Ja. Wir wollten hauptsächlich den Tag genießen. Wir hatten nicht wirklich vor, heute zu üben.«
»Oh, dann will ich euch nicht stören.« Peter machte Anstalten aufzustehen. In den letzten Wochen hatte er sich manchmal dazugesellt und mit uns musiziert, wenn er Zeit hatte.
»Du störst nicht. Das sind übrigens Janine und Alison«, stellte ich die beiden Frauen vor.
Jetzt schien auch Alison aus ihrer Starre zu erwachen, die sie befallen hatte, seitdem Peter uns angesprochen hatte. Ungewohnt schüchtern bot sie an: »Hi. Bleib ruhig und bedien dich.«
»Danke.« Er schenkte ihr ein Lächeln. Unwillkürlich musste ich dabei auch lächeln. »Ich bleib aber nicht lange. Ich hab noch ein wenig was zu erledigen. Wer von euch spielt denn Violine?«
»Ich«, meldete sich Alison schüchtern zu Wort.
»Cool. Ist das nicht unglaublich schwer? Ich hab es ein paar Mal versucht, aber so wirklich klappt es nicht.« Peter schien ehrlich begeistert von der Violine. »Kannst du mal was spielen?«
Alison nickte begeistert und stand auf. Sie nahm ihre Violine aus dem Koffer und spielte ein schnelles Stück.
Peter hörte andächtig zu. Er schloss die Augen und legte den Kopf leicht in den Nacken. Sein Gesicht wirkte völlig entspannt.
Ich lächelte, denn ich kannte diesen Ausdruck. Immer wenn Lance und ich im Park spielten oder wenn er einem aus der Band zuhörte, schlich er sich auf sein Gesicht. So entspannt er auch wirkte, ich wusste, dass er ganz genau lauschte und jeden noch so kleinen Fehler, jeden schiefen Ton und jede Disharmonie wahrnahm.
Ich ließ meinen Blick zu Lance und Janine wandern. Lance hatte seine Freundin in den Arm genommen und knutschte, in der Annahme, dass sich gerade keiner für sie beide interessierte, mit ihr rum.
Ich verzog das Gesicht. Hatten sie das Wochenende nicht genug Zeit zum Knutschen gehabt?
Kaum hatte Alison ihr Spiel beendet, hörten sie aber auch wieder auf.
»Spielst du auch ein Instrument?«, fragte Peter nun Janine. Dabei ignorierte er völlig die bewundernden Blicke, die Alison in seine Richtung warf.
»Nein, ich hab kein Talent dafür. Ich bleib lieber beim Singen und überlass die Instrumente Lance.« Sie warf ihrem Freund einen verliebten Blick zu. »Er ist der beste Pianist am College und hilft mir immer, wenn ich neue Stücke proben muss.«
Lance grinste. »Übertreib nicht!«
»Du studierst Klavier?« Jetzt wandte Peter sich an Lance. Scheinbar hatten wir das noch nie erwähnt. »An der BU?«
»Ja. Eigentlich studieren wir alle dort, außer Isaac.« So tough Lance sonst auch tat, ich wusste, dass er sich schwertat von anderen für sein Talent bewundert zu werden. Vor allem wenn man es wie bei Peter wirklich ernst nehmen konnte.
»Na, der wird ja auch bald dabei sein«, bestimmte Alison und fiel mir um den Hals.
Ich befreite mich, indem ich sie wieder in meine Arme zog. »Mal sehen.«
»Pfft. Nichts mal sehen.« Peter sah mich fast schon böse an. »Wenn du dir keine Mühe gibst, angenommen zu werden, tret ich dir in den Arsch!« Auch wenn er zwinkerte, ich war sicher, er meinte es ernst.
Wir redeten noch eine Weile, dann klingelte Peters Handy und er verabschiedete sich von uns, weil er noch arbeiten musste.
»Woher kennst du Maniac?«, schrie mir Alison ins Ohr, kaum dass Peter außer Hörweite war.
Ich sah sie einen Moment verwirrt an und auch Janine wirkte verwundert. Lance dagegen lachte nur. Dann zuckte ich mit den Schultern. »Er hat mich hier im Park angesprochen, ob ich für seine Band singen möchte.«
»Was?!« Ich hatte nicht gedacht, dass Alison noch schriller und lauter werden konnte. Sie sah mich völlig geschockt an. »Und du Idiot hast abgelehnt? Weißt du denn nicht, wer das ist?«
Lances Lachen wurde lauter. Ihn schien Alisons Fangirlanfall wirklich zu amüsieren. »Nein, wusste er wirklich nicht. Ich musste ihm das erstmal sagen.«
»Immerhin hab ich nicht abgelehnt«, grummelte ich. Warum musste er das unbedingt verraten? Mir war es immer noch peinlich.
»Du?!« Immer noch steigerte sich ihre Stimme. »Du bist der neue Sänger der Death Demons? Ihr nehmt mich doch auf den Arm!«
Lance und ich schüttelten den Kopf. Lance immer noch lachend, ich ziemlich neutral. Warum machte sie darum so ein Drama?
Plötzlich griff sie mit beiden Händen mein Gesicht und küsste mich. Völlig perplex hielt ich still. Als sie mich wieder losließ, grinste sie. »Ich hab den Sänger der Death Demons geküsst! Das glaubt mir doch keiner!«
Ich sah hilfesuchend zu Lance, der aber nur ahnungslos mit den Schultern zuckte. Wie sollte ich darauf denn reagieren? Ich hatte keine Ahnung vom Umgang mit Fangirls, aber er ja genauso wenig.
Zum Glück rettete mich Janine davor, reagieren zu müssen. »Was sind denn Death Demons?«
»Du kennst die Death Demons nicht? Lance, wie kannst du ihr die nicht zeigen? Vor allem, wenn doch Isaac jetzt für sie singt«, empörte sich Alison. »Die Death Demons sind die geilste Goth Rock Band der Ostküste. Ach quatsch, ganz Amerikas! Wie geil ist das denn? Ich hab mit Maniac beim Picknick gesessen und mit dem neuen Sänger geknutscht und gekuschelt.«
Ich runzelte die Stirn. Hätten wir geknutscht, hätte ich das ja wohl gewusst. Sie hatte mich lediglich zweimal einseitig geküsst.
Lance grinste noch immer hämisch. Schön, dass er sich auf meine Kosten amüsierte.
»Das klingt doch cool. Aber wolltet ihr beide nicht zusammen was auf die Beine stellen?« Janine sah ihren Freund fragend an.
»Schon, aber wenn Isaac so ein Angebot bekommt, kann er ja schlecht Nein sagen«, verteidigte er mich. »Wir machen schon noch was, aber erstmal muss er die Gelegenheit nutzen.«
»Klar, du wirst dann mein Nebenprojekt.« Ich grinste ihn frech an.
»Darf ich auch mitmachen?« Alison hatte ihren Anfall scheinbar überwunden.
»Wenn wir eine Violinistin brauchen, klar«, antwortete Lance ihr sofort.
Bis zum Abend schwelgten wir noch in Ideen, wie unsere zukünftige Band aussehen könnte, dann machten wir uns auf den Weg. Ich musste Alison noch versprechen, dass ich ihr vor dem ersten Konzert Bescheid sagte und bekam dafür noch einen Kuss aufgedrückt.
»War die kleine Braunhaarige von gestern deine Freundin?«, fragte mich Peter am nächsten Tag vor der Probe.
Bevor ich etwas antworten konnte, mischte sich Zombie ein: »Pfft, ich hoffe nicht, dass er eine Freundin hat.«
»Kommt ihr immer noch nicht klar? Warum sollte er denn keine Freundin haben? Gönn es ihm doch.« Peter schaute den Drummer fast schon böse an.
Dieser zog eine Augenbraue hoch. »Würde ich ja, aber dann tut sie mir leid. Ist dir noch nie aufgefallen, dass er fast jeden Freitag mit wem anders aus dem Exile verschwindet?«
Peter schüttelte den Kopf und sah mich fragend an.
Ich zuckte mit dem Schultern. »Warum auch nicht? Und nein, sie ist nur eine Bekannte. Und scheinbar ein ziemliches Fangirl von dir. Ich kann dir gern ihre Nummer geben, wenn sie dich interessiert.«
Sofort flog ein breites Grinsen auf Peters Gesicht und er hob abwehrend die Hände. »Nee, lass mal. Ja, hab ich gemerkt, wie sie gestarrt hat. Die hätte sich ja fast das Höschen nass gemacht, nur weil ich sie gefragt hab, ob sie mal was auf der Geige spielt.«
»Immerhin hat sie dich nicht einfach geküsst.«
Die ganze Band lachte. Schön, dass sich wieder mal jemand auf meine Kosten amüsierte. Ich sollte Clown werden.
»Du siehst eben gut aus und bist charismatisch. Da kann man doch keiner Frau einen Vorwurf machen, wenn sie auch was davon abhaben will.« Angel grinste, blickte dann aber direkt zu Zulu und lächelte ihn an.
Es war kein Geheimnis, dass die beiden zusammen waren. Sie küssten sich zwar nie vor uns oder hielten Händchen, aber sie kamen und gingen immer zusammen und waren auch sonst nicht zu trennen. Ich wusste, dass auch Peter und Zombie davon ausgingen, dass sie ein Paar waren, und sie auch schon danach gefragt hatten. Sie hatten es zumindest nicht abgestritten.
»Du lernst schon noch, mit aufdringlichen Fans umzugehen. Und jetzt lasst uns anfangen.« Peter erntete zustimmendes Gemurmel von allen.