Erschöpft ließ ich mich neben Claire auf die Couch fallen. Peter platzierte sich zwischen uns, Zombie, Zulu und Angel besetzten die zweite große Couch, während die kleine schon von den weiteren Mitgliedern Wreckages eingenommen war.
Claire reichte Peter grinsend zwei Handtücher und sprach mich dabei an. »Wow, so viel Power hätte ich dir gar nicht zugetraut. Respekt.«
Peter reichte mir eines der Tücher und nickte bestätigend.
Ich lächelte beiden zu. »Danke. Wie viele Leute waren das jetzt eigentlich?«
»So knappe zweitausend werden’s wohl gewesen sein. Du warst echt verdammt gut da draußen.« Er wuschelte mir durch die Haare, während die anderen Demons zustimmend nickten. Fröhlich grinste ich in die Runde. Ja, das schmeichelte dem Ego. »Aber das gilt für alle. Und euch auch danke, ihr habt sie wirklich gut angeheizt. Gerne jederzeit wieder.«
Er lächelte Claire freundlich an, die mit einem liebreizenden Lächeln erwiderte: »Klar, hast ja meine Nummer, wenn du noch was brauchst.«
»Ich melde mich dann. Wollen wir beim Abbau helfen? Ich glaub, da wollen sicher einige nochmal Samsa sehen.« Peter ignorierte das Lächeln und die Anspielung völlig.
Merkte er das nicht? Oder stand er nicht auf Frauen? Ich hatte nie gefragt und eigentlich ging es mich ja auch nichts an.
Er stand auf, ging zu seinen Sachen und holte einen Kapuzenpulli raus, den er mir zuwarf. »Hier, bevor du dich erkältest.«
»Danke. Aber was ist mir dir?«
Er hatte recht, so langsam kühlte ich ab und es wurde kalt. Dagegen würde auch das dünne Shirt nichts helfen.
Hastig zog ich den Hoodie über, während auch die anderen aufstanden und sich etwas Bequemes anzogen. Peter ging als Erster nach draußen, nachdem er meine Frage abgewunken hatte.
Als ich mit den anderen auf die Bühne trat, waren nur noch wenige Zuschauer da, die gerade von der Security verscheucht wurden. Außerdem trat Peter wieder in die Halle. Er hatte sich wohl irgendwoher einen anderen Pullover organisiert und hielt ein paar Bändchen in der Hand, die er einigen der noch verblieben Zuschauer in die Hand drückte, die daraufhin von der Security in Ruhe gelassen wurden. Zu diesen gehörten auch Alison, Janine und Lance. Dann kam er auf die Bühne und gab die restlichen an Claire. »Sorry, ich kam vorher nicht dazu. Habt ihr irgendwelche Freunde hier, die noch etwas bleiben wollen?«
Claire lehnte ab. Ihre Jungs müssten direkt weg, nur sie könnte noch einen Moment bleiben. Dabei sah sie Peter wieder aufreizend an.
Ich musste schmunzeln. Sie schien bei ihm aber auch wirklich auf Granit zu beißen.
Wir räumten gemeinsam alle Instrumente, Kabel und Zubehör in die Transportkisten, dann verabschiedeten sich Claires Bandmitglieder. Auch Zulu und Angel wollten direkt los. Als sie sich von uns verabschiedeten, fragte Zulu noch: »Musst du nicht auch los oder hast du keine Schule?«
»Ich bin für morgen freigestellt«, log ich schnell.
So ganz schien mir das keiner abzukaufen, denn ich wurde skeptisch beäugt, aber niemand sagte etwas. Wir verließen die Bühne und redeten ein wenig mit den verbliebenen Gästen.
Nach etwa einer Stunde bot Peter den wenigen Verbliebenen an, sich noch im Exile zu treffen.
Timothy nahm mich und Peter wieder im Transporter mit, sodass wir früher als die anderen im Club ankamen und schonmal alles ausräumen konnten. Danach verabschiedete er sich von uns.
Peter suchte noch ein paar Getränke zusammen, die er anbieten wollte, und stellte die Anlage leise an. Kurze Zeit später tauchten Zombie, Claire, Janine, Lance und Alison auf. Alle anderen hatten Peters Angebot schon vorher abgelehnt, immerhin war es mitten in der Woche und mittlerweile weit nach Mitternacht.
»Samsaaaaa!«, kam Alison quietschend auf mich zu gerannt und fiel mir um den Hals, als sie den Club betrat. Ich hätte sie mit Gewalt davon abhalten müssen, mich zu küssen, also ließ ich es zu. So langsam nervte das, aber noch blieb ich freundlich. »Du warst auf der Bühne soooo geil!«
Vorsichtig schob ich sie an den Schultern von mir. Mit einem gehauchten »Danke« gab ich ihr einen Kuss auf die Wange. Sie strahlte mich freudig an.
Ich musste mich wirklich zurückhalten, nicht mit den Augen zu rollen. Sie hatte ja schon zu Lance’ Geburtstag ziemlich deutlich gezeigt, dass sie auf mich stand, aber das hier wurde mir langsam echt zu viel. Ich spielte gerne mal beim Flirten die Ich-Bin-Sänger-Karte, aber dieses Fangirly-Getue war mir dann doch zu viel des Guten.
Lance rettete mich, indem er sie zur Seite schob, mir die Hand reichte und mich kurz an seine Schulter zog. »Wie machst du das? Du scheinst da oben jemand völlig anderes zu sein.«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, dass ich anders wirkte.
»War das wirklich dein erster Auftritt vor so vielen Leuten?«, wollte Claire wissen. Ich nickte.
»Naturtalent eben«, begründete Peter.
Lance grinste mich an. »So, das Erste hast du geschafft. Also dann in drei Jahren der erste Welthit und in spätestens fünf Jahren Wembley Stadium und Europatour?«
»Klar!« Ich grinste breit zurück.
Die anderen sahen verwundert zwischen uns hin und her, bis Zombie sich zu Wort meldete: »Na das klingt ja ehrgeizig. Wo kommt das so plötzlich her? Gerade bist du doch noch fast zusammengebrochen.«
Lance lachte und gab dann für mich die Antwort: »Samsa eifert schon ewig Sebastian Bach nach. Damit das klappt, muss er spätestens mit 23 im Wembley Stadion bei ’ner Europatour gespielt haben. Neben ein paar kleineren Meilensteinen vorher.«
»Hmm ... Dann hoffen wir, dass das Neue bis dahin fertig ist. Und wir sollten aufpassen, dann nicht auch lebenslanges Stadionverbot zu bekommen«, erwiderte Peter mit einem Augenzwinkern. Lance und ich lachten, die anderen verstanden die Anspielung wohl nicht. »Aber ich glaub, für das Wembley Stadion spielen wir leider die falsche Musik.«
»Wer weiß, vielleicht wird es ja trotzdem was. Dennoch Danke für die Möglichkeit, weiterzukommen.« Ich meinte es wirklich ehrlich. An diesem Abend war ein großer Traum von mir in Erfüllung gegangen. Und das hatte ich zu einem großen Teil Peter zu verdanken.
»Du solltest dir selbst danken. Immerhin bringst du das Talent und den Ehrgeiz dafür mit. Hättest du kein Talent, hätte ich dich nicht angesprochen.« Er lächelte mich mit seinem aufreizenden Lächeln an, das ich von ihm bisher wirklich nur für mich gesehen hatte.
»Und dass du auf mich stehst, hat natürlich rein gar nichts damit zu tun«, stichelte ich frech. Was auch immer mich dazu trieb, das hier am Tisch zu sagen. Es musste wohl das Adrenalin oder der Alkohol sein.
Während Claire und Alison fast schon schockiert wirkten, sahen Janine, Lance und Zombie eher unbeteiligt drein. Wusste Zombie von uns? Woher?
Peter wurde etwas bleicher im Gesicht. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass das hier zur Sprache kam.
Ich musste nachlegen, damit es nicht peinlich wurde. Gerade fiel mir auch wieder ein, woher Zombie es wusste. Frech grinste ich Peter an. »Du hast es doch selbst gesagt. Erinnerst du dich nicht? Nach Angels Geburtstag? Zombie kann es bezeugen, er war dabei.«
Lachend nickte der Drummer.
Peter atmete hörbar aus und schüttelte dann ebenfalls lachend den Kopf. »Du kleiner Mistkäfer! Ich frage mich gerade, was du hier für wilde Gerüchte verbreiten willst.« Er packte mich und kitzelte mich.
Ich grinste zu ihm auf und steckte ihm die Zunge raus. »Wenn du mich ärgern kannst, dann darf ich das auch.«
Auch die anderen lachten jetzt. Zombie hatte ihnen in kurzen Worten den Insider erklärt. Gut, damit war die Situation wohl gerettet.
Noch immer hielt Peter den Arm um meinen Bauch geschlungen und raunte mir so laut, dass auch die anderen es hören konnten, ins Ohr: »Ich sollte mir überlegen, ob auf meiner Couch wirklich Platz für so einen Mistkäfer ist. Sonst hol ich mir noch irgend’ne Plage ins Haus.«
»Kein Problem, ich kann auch unten schlafen, einen Schlüssel hab ich ja.« Ich sah ihn mit herausforderndem Blick an. Mir war klar, dass er mich nie auf die Couch oder in den Probenraum verbannen würde. Zumindest nicht für so eine Kleinigkeit. Dafür genoss er die gemeinsamen Stunden zu sehr. Und ich auch, wie ich mir eingestehen musste.
»Du wirst langsam ganz schön frech für so einen Gnom«, kommentierte Zombie grinsend.
Mein Blick wechselte zum Drummer, während mich Peter losließ. Ein wenig enttäuschte es mich. Ich hätte gerne weiter seinen Körper an meinen gespürt und mich an ihn gelehnt, doch das hätte falsch ausgesehen. So war es einfach nur eine kumpelhafte Revanche gewesen. Zumindest hoffte ich, dass niemand gesehen hatte, dass Peters Fingerspitzen an meiner Flanke kurz den Hoodie angehoben hatten und darunter gewandert waren. Noch immer spürte ich seine Fingernägel auf meiner Haut. Doch noch musste ich mich konzentrieren. Auch Mat sah ich frech an. »Du brauchst gar nicht zu grinsen. Irgendwann zahl ich dir die ganzen Gemeinheiten auch noch heim.«
»Na, da bin ich ja mal gespannt, was du Gartenzwerg dir einfallen lässt.«
Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass er mich ernst nahm. Dennoch würde ich es ihm irgendwann heimzahlen, das schwor ich mir. Schon, weil er mich offensichtlich auslachte.
Lance kam mir zu Hilfe: »Pass auf, er kann ein ziemlich giftiger Gartenzwerg werden, wenn man ihn zu sehr ärgert.«
Hey, das war jetzt aber keine wirkliche Hilfe! Ich boxte meinem besten Freund böse gegen die Schulter, doch der grinste nur zurück.
Nun mischten sich auch wieder die Mädels ins Gespräch ein. Allen voran Alison. »Aber ein wirklich süßer, giftiger Gartenzwerg. Und das mit dem Knackarsch stimmt wirklich. Selbst als Mann sollte man das anerkennen!« Sie zwickte mir in den Hintern.
Genervt sah ich zu Peter, der aber darauf nur amüsiert das Gesicht verzog. Fand er es auch noch witzig, dass sie mich so nervte? Das bedeutete Rache! »Hey, ich hab nicht den einzigen Knackarsch hier am Tisch.«
Mein Plan ging auf, denn Claire betrachtete wirklich Peters Hinterteil und betatschte ihn.
Hämisch grinste ich, während er mich böse anfunkelte. Sein Blick versprach eine süße Revanche. Und ich freute mich darauf. Mit einem kurzen Blick und den Zähnen auf meiner Unterlippe ließ ich ihn das Wissen. Das Leuchten in seinen grünen Augen verriet, dass er es verstanden hatte.
»Dein Arsch ist der einzig wichtige für mich«, hörte ich neben mir Lance zu Janine säuseln, während er sie küsste.
Ich war wohl nicht der Einzige, der es gehört hatte, denn die beiden anderen Mädels kicherten, während ich und die anderen beiden Männer die Augen verdrehten. Irgendeiner der beiden stöhnte noch ein genervtes »Pärchen«.
Wir scherzten noch einige Stunden weiter, dann verabschiedeten sich irgendwann Lance und Janine. Wie so häufig hatte sie den Abend über nicht viel gesagt. Schade, denn eigentlich fand ich sie nett, aber es war wirklich schwierig, sie in ein Gespräch einzubinden. Lance würde mir hoffentlich sagen, wenn sie sich unwohl fühlte.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass Alison mit ihnen gehen würde, doch sie schien noch bleiben zu wollen.
Nachdem die beiden weg waren, zog sich das Gespräch in die Länge und wurde irgendwann zäh. Zombie hatte gefragt, ob er im Probenraum schlafen könne und dafür angeboten, gleich beim Aufräumen zu helfen, er musste also noch wach bleiben, und ich wollte nicht wieder vor Peter ins Bett gehen. Ich wollte seine Rache nicht erst morgen früh kalt serviert bekommen, sondern heiß und mit Leidenschaft.
»Könnt ihr die beiden nicht loswerden? Oder wollt ihr eine von ihnen abschleppen? Dann macht bitte schnell, ich will schlafen!«, beschwerte sich Mat, als die beiden Damen zusammen aufs Klo verschwunden waren.
Sofort schüttelten Peter und ich empört den Kopf. Schön, dass er es genauso sah wie ich.
Peter beantwortete außerdem noch die erste Frage: »Nicht höflich. Aber ich hab auch keine Lust mehr.«
Ich konnte ihm nur zustimmen.
»Dann macht doch ein bisschen rum, dann verschwinden die schon«, schlug Zombie vor. Peter und ich sahen ihn verwirrt an. »Was? Sonst habt ihr doch auch kein Problem damit, öffentlich rumzumachen. Oder soll ich ihnen lieber stecken, dass das kein Witz war, dass du auf das Ungeziefer stehst? Ist mir egal, Hauptsache die verschwinden endlich.«
»Hey!« Ich ließ mir ja vieles gefallen, aber sicher nicht, Ungeziefer genannt zu werden!
Auch Peter sah ihn böse an und strich mir leicht über den Rücken.
»Sorry, bin einfach müde. War nicht so gemeint.« Er schien die Entschuldigung wirklich ernst zu meinen.
Peter bot an: »Geh doch ruhig schon schlafen. Mir ist es mittlerweile auch zu spät, um noch aufzuräumen. Ich will endlich ins Bett. Wir räumen morgen auf, oder was meinst du?«
Ich nickte und hoffte, dass Peter nicht direkt schlafen wollte.
Zombie nahm das Angebot dankend an. Er verabschiedete sich von uns und verließ den Club. Dabei hob er noch einmal die Hand und verabschiedete sich so auch von den Frauen, die gerade von der Toilette wiederkamen.
Sie schienen sich darauf geeinigt zu haben, dass sie uns schnell rumkriegen wollten, denn jede stellte sich hinter einen von uns und schlang die Arme um den Bauch. Claire flüsterte Peter etwas ins Ohr, der nur knapp nickte und sich dann mit ihr in Richtung der Tanzfläche bewegte.
Alison lehnte sich gegen meinen Rücken und strich mir über den Bauch. »Willst du wirklich auf der Couch schlafen? Du könntest auch bei mir schlafen. Im Bett.«
Ich drehte mich zu ihr um und hob eine Augenbraue. Wirklich? Sie war noch nie so direkt geworden. Wie sollte ich das denn höflich ablehnen?
Ich versuchte es mit Unwissenheit. »Danke, aber die Couch ist wirklich bequem. Ich bin sehr müde und mag nicht mehr weit fahren.«
»Schade. Ich wohne doch gleich um die Ecke. Ich würde gern heute Nacht wieder mit dir kuscheln. So wie zu Lance’ Geburtstag.« Sie zog einen Schmollmund. »Oder kann ich mit auf die Couch?«
»Die ist zu eng für zwei.« Okay, das war gelogen, aber das musste sie ja nicht wissen. Und es bestand nicht wirklich eine Chance, dass sie es herausfand. Ich gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. »Ein anderes Mal, okay? Ich will einfach nur noch schlafen.«
»Meldest du dich diesmal wenigstens?« Sie schien wirklich enttäuscht, aber das war mir recht egal.
Ich nickte nur auf ihre Frage. Ja, ich hatte mich tatsächlich seit Lance’ Geburtstag nicht gemeldet, aber bei ihrer Anhänglichkeit stand mir auch nicht der Sinn danach. Nur das musste ich ihr nicht unter die Nase reiben.
Nachdem sie es akzeptiert hatte, stand sie bedröppelt vor mir, während ich mich nach Peter und Claire umsah. Die beiden schienen bis gerade getanzt zu haben, doch jetzt standen sie sich gegenüber und diskutierten. Peter war dabei recht gelassen, während Claire ähnlich beleidigt wirkte wie Alison. Peter hatte ihr wohl auch gerade klargemacht, dass sie keine Chance hatte. Wütend stapfte sie in Richtung Ausgang, Alison folgte. Als Claire an mir vorbeikam, warf sie mir einen bösen Blick zu. Was Peter ihr wohl gesagt hatte?
Kaum war die Haustür ins Schloss gefallen, seufzte ich erleichtert. Endlich waren sie weg.
Peter schien das genauso zu sehen und kam auf mich zu. Sanft nahm er mich in den Arm und kraulte mir den Nacken.
Entspannt legte ich meinen Kopf gegen seine Schulter. »Was hast du Claire gesagt? Sie sah aus, als wollte sie mich erdolchen.«
»Nur, dass meine Wohnung recht hellhörig ist und du bei mir auf der Couch schläfst, weil du nicht heim kannst und ich dich nicht mit Zombie im Probenraum lassen kann, weil ihr euch gegenseitig zerfleischt.« Peters Hand, die nicht in meinem Nacken lag, wanderte unter den Pullover, streichelte meinen Rücken.
»Dann bin ich also der Böse?«, fragte ich mit einem leichten Grinsen.
»Geschieht dir recht!« Ohne Vorwarnung kratzte er mir mit den Fingernägeln über den Rücken. Leise keuchte ich auf. Er raunte mir ins Ohr: »Claire einfach so auf mich zu hetzen. Ich zeig dir gleich mal, was du davon hast. Los, hoch mit dir!«