Nachdem wir zu dritt gefrühstückt und das Exile aufgeräumt hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer und sahen fern.
Schon beim Frühstück hatte ich schauen müssen, wie ich mich hinsetzte, damit die blauen Flecken nicht zu sehr wehtaten, doch als ich mich auf die Couch setzte, verzog ich das Gesicht. Ich hatte gehofft, dass das weiche Sofa angenehmer wäre als der Stuhl, doch dafür sank ich darauf etwas ein, sodass ich jede Stelle meines Hinterns spürte. Ich rutschte etwas hin und her, fand jedoch keine wirklich schmerzfreie Position.
Peter sah mitleidig herüber, dann streckte er den Arm aus und zog mich an der Schulter zu sich. »Komm her.«
Ich kam mit dem Kopf auf seinem Schoß zu liegen und machte mich auf der ganzen Couch lang, da Zombie sich eh auf den Sessel gesetzt hatte. Dieser sah nur kurz zu uns und schüttelte leicht den Kopf, bevor er sich wieder dem Film widmete. Auf der Seite konnte ich ohne Schmerzen liegen.
Ich bekam nicht wirklich mit, worum es in dem Film – oder war es irgendeine Serie? – ging, denn Peters Hand, die mich an der Schulter und am Rücken streichelte, lullte mich ein und ich döste weg.
Am Rande bekam ich mit, dass sich die beiden anderen Männer unterhielten. Wohl unter anderem über die Band, aber auch über mich. Ich konnte mich jedoch nicht genug auf ihre Stimmen konzentrieren, um mehr mitzubekommen.
Als ich mal etwas wacher wurde, musste ich aufs Klo. Ich kämpfte mich aus der Tagesdecke, die irgendwer über mich gelegt hatte, und ging aufs Besucher-WC. Irgendwie hatte ich da am Morgen gar nicht dran gedacht, dass es das auch gab. Vermutlich, weil ich es sonst nie benutzte. Am Rande bemerkte ich, dass der Fernseher aus war und dafür Musik lief.
Ich überlegte, ob ich gehen sollte, doch entschied mich dafür, darauf zu warten, dass auch Zombie ging. Da ich mir bisher keinen Schlafplatz organisiert hatte, würde es damit wohl auch nichts mehr werden und ich wollte nicht mehr Zeit als nötig auf der Straße verbringen.
Als ich zurückkam, saß Peter nicht mehr an seinem Platz, dafür hörte ich jemanden oben im Bad. Schweigend warteten wir, bis er wiederkam. Zombie schien mich zwar zu beobachten, sagte aber nichts.
Auf dem Rückweg zu uns nahm Peter den Umweg über die Küche und brachte eine Karte und das Festnetztelefon mit. »Hier, schaut mal, was ihr essen wollt.«
Er setzte sich wieder und hob den Arm, lud mich damit ein, mich wieder an ihn zu kuscheln.
Ich hatte zwar erstmal nicht vor, wieder einzuschlafen, aber das Angebot war zu verlockend. Statt mich hinzulegen, lehnte ich mich an ihn, versuchte aber dennoch, etwas Gewicht von meinem Hintern zu nehmen.
Irgendwie schaffte ich es bei dem ganzen Rumgerutsche, beziehungsweise bei dem Versuch noch die Decke über mich zu ziehen, dass die Hose und meine Shorts etwas herunterrutschten.
»Ach, deswegen bist du heute so handzahm«, feixte Zombie. Er hatte sich gerade von Peter die Karte geben lassen wollen und deshalb in unsere Richtung gesehen. Dabei musste sein Blick wohl kurz auf meinen halb entblößten Hintern gefallen sein. »Du musst doch nur sagen, dass man dir ab und zu mal den Hintern versohlen muss, damit du nicht so biestig bist. Ich hatte schon befürchtet, das Hasch von gestern wirkt immer noch nach. Oder ihr habt schon früh am Morgen wieder geraucht.«
Statt ihm zu antworten, zog ich schnell die Decke über mich und zeigte ihm grummelnd den Stinkefinger. Es war mir zu peinlich, um etwas dazu zu sagen. Also griff ich lieber nonverbal an. Auch wenn es definitiv kindisch war.
Zombie lachte auf. »Scheinbar musst du ihm nochmal den Arsch versohlen, das scheint nicht lange vorzuhalten.«
»Halt die Fresse!«, fuhr ich ihn an. Konnte er nicht einfach mal damit aufhören? Ständig ärgerte er mich, dabei hatte ich ihm nichts getan. Und das gerade war wirklich peinlich.
Dass er von Peter und mir wusste, war die eine Sache. Auch dass er sich vermutlich denken konnte, was wir im Bad getrieben hatten, konnte ich noch verkraften. Aber das musste er eindeutig nicht wissen und schon gar keine Witze darüber machen. Immerhin musste es für ihn eindeutig sein, dass ich darauf stand. Sonst würde ich ja wohl kaum am nächsten Tag so vertraut mit Peter kuscheln. Und das ärgerte mich, zumal ich nicht sicher wusste, ob es wirklich der Fall war.
»Könnt ihr beiden euch nicht ein Mal vertragen?«, stöhnte Peter genervt. Er sah erst Zombie, dann mich ernst an.
»Samsa lässt sich einfach zu schnell ärgern und gibt auch unbewusst immer wieder Grund dazu. Schau mich nicht so böse an. Erstens kannst du das nicht, das sieht eher nach bocken aus, zweitens sagen das Peter und Lance auch.«
Mein böser Blick glitt zu Peter, der nur entschuldigend mit den Schultern zuckte. Na toll, wie er mir in den Rücken fiel.
Zombie reichte die Karte an mich weiter. »Ich nehm dasselbe wie immer.«
Ich blätterte sie kurz durch – es handelte sich wohl um einen Asiaten –, dann gab ich sie an Peter.
Fragend sah er mich an: »Was willst du denn haben?«
»Hab keinen Hunger«, log ich. Tatsächlich hatte ich mittlerweile wieder Hunger, es musste auch schon wieder Abend sein – Wie lange ich wohl geschlafen hatte? –, aber ich wollte nicht zugeben, dass ich kein Geld hatte.
Zombie warf ihm einen kurzen Blick zu, der tatsächlich besorgt wirkte, während Peter mich musterte. »Na komm schon. Ich lad dich auch ein. Du musst auch mal was Vernünftiges essen.«
Und genau das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte nicht ständig von ihm eingeladen werden. Es wurde mir langsam wirklich unangenehm. Ständig lud er mich ein und ich konnte hier schlafen, ohne dass er eine Gegenleistung erwartete. »Ich mag wirklich nicht.«
»Du hast heute auch nur gefrühstückt. Entweder du suchst dir was aus oder ich bestell dir einfach irgendwas«, schallt er mich.
Er hielt mir die Karte wieder unter die Nase und widerwillig warf ich nochmal einen genaueren Blick hinein.
»Ich nehm die Nudeln.« Ich deutete auf die Karte, was ich haben wollte, und Peter nahm sie mir ab. Auch wenn er mich zwang, etwas zu nehmen, musste es ja nicht das Teuerste sein.
Er schien auch so zufrieden. Während er die Nummer ins Telefon tippte, küsste er mich auf die Stirn. »So ist’s brav.«
Wieder sah ich böse zu ihm auf. Dabei wusste ich gerade gar nicht genau, was mich so aufregte. Dass er mich ›brav‹ nannte oder dass er mich einfach so vor Zombie küsste? Vielleicht auch beides zusammen. Manchmal gab er mir das Gefühl, noch ein Kind zu sein.
Zombie grinste wieder über mein Verhalten.
Ich streckte ihm die Zunge raus. Wenn mich hier eh schon alle für kindisch hielten, machte das auch nichts mehr aus.
Peter bestellte das Essen und während wir warteten, sprachen wir kaum miteinander. Ich lehnte mich an ihn und lauschte der Musik. Einige Lieder kannte ich, andere wiederum nicht. Es war ein ziemlich bunter Mix. Manchmal konnte ich auch noch die Band erraten. Wenn mir eines wirklich gut gefiel, fragte ich die beiden, was es für eines war. Peter konnte mir auf Anhieb jede der Fragen beantworten, was aber irgendwie auch nicht verwunderlich war, immerhin war es wohl seine Sammlung.
Dann hörte ich ein Lied, bei dessen ersten Gitarrenriffs ich schon Peters Handschrift erkannte. Es war ganz klar seine Gitarre, die ich da hörte. Und als ich dann Phantoms Stimme erkannte, war ich mir ganz sicher, dass es sich um ein Lied der Demons handelte. Es gefiel mir verdammt gut. Warum hatte ich das bisher noch nie gehört?
»Das würde ich gern mal live singen«, sagte ich, noch bevor ich es wirklich gedacht hatte.
Peters und Zombies Blicke flogen gleichzeitig zu mir. Beide sahen mich verwundert an.
»Sicher?«, fragte Zombie.
»Du würdest dir das zutrauen?«, war Peters Reaktion.
Ich sah beide verwirrt an. Warum verwunderte sie dieser Gedanke so sehr. »Ja. Es gefällt mir. Warum sollte ich es mir nicht zutrauen?«
Die beiden sahen sich kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann antwortete Peter: »Weil der Text ... Na ja, etwas speziell ist. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich das traust. Und weil es nicht ganz einfach ist.«
»Wir haben bei den Aufnahmen ziemlich lange gebraucht, bis alles im Kasten war, wie wir es wollten. Peter und ich waren uns immer sicher, dass es live gut ankommen würde, aber Phantom hat sich geweigert, weil er meinte, dass es zu schwer sei und es daher live nicht so gut klingen würde.«
»Kannst du das nochmal anmachen?«
Peter nickte und schaltete mit der Fernbedienung zurück.
Ich hörte es mir nochmal ganz in Ruhe an, achtete auf die einzelnen Instrumente und versuchte, die Melodie im Kopf mitzusummen.
Ja, es war wirklich nicht leicht, sollte aber machbar sein. Auch was die Instrumente anging, traute ich das allen zu. Und der Text: Ja, er war etwas speziell. Während durchaus das ein oder andere Lied der Demons zweideutig zu verstehen war, konnte man das über dieses nicht mehr behaupten. Es war sehr eindeutig.
Als es wieder endete und Peter den Player stoppte, nickte ich leicht.
»Und?«, fragten beide gleichzeitig.
Ich verkniff mir ein Grinsen. Die beiden benahmen sich gerade wie zwei kleine Kinder, die gespannt auf den Weihnachtsmann warteten. Ich tat noch so, als würde ich überlegen, dabei war meine Entscheidung längst gefallen. Aber es war einfach zu süß, wie sie mich beide mit erwartungsvollen Blicken beobachteten.
»Hmm, ich weiß nicht recht. Es ist schon ziemlich schwer«, sagte ich langsam und nachdenklich. Ich hatte wirklich Mühe, nicht zu lachen, als sie die Köpfe hängenließen. Es schien ihnen wirklich wichtig und ich sah keinen Grund, ihnen diese Freude nicht zu machen. »Phantom muss echt ein Idiot sein, so was Geniales nicht spielen zu wollen. Also ich mag es wirklich gern mal versuchen.«
»Du kleines Biest! Ich muss dich wohl wirklich nochmal verhauen.« Peter zog mich an sich und kitzelte mich.
Lachend versuchte ich, mich zu wehren und aus seinem Griff zu winden.
Als es in dem Moment an der Tür klingelte, hoffte ich, dass er mich loslassen würde, um sie zu öffnen.
Stattdessen bot Zombie an, sie zu öffnen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verließ er das Wohnzimmer, während Peter die Ablenkung ausnutzte und mich gegen das Sofa drückte und sich dann rittlings auf meinen Schoß setzte.
Erschrocken schrie ich auf, doch er verschloss mir die Lippen mit einem Kuss. Langsam ließ er seine Zunge in meinen Mund gleiten.
Automatisch schloss ich die Augen und legte meine Hände auf seine Hüften. Meine Umgebung verschwand langsam aus meinem Kopf. Der Kuss war weder wirklich aufreizend, noch gierig, eher sanft und leidenschaftlich. Dennoch wurde mir warm und ein leises Keuchen entrang sich meiner Kehle.
Plötzlich riss mich Zombies Stimme wieder in die Gegenwart: »Ich bring euch euer Essen nicht rüber!«
Sofort riss ich die Augen auf. Fuck, hatte Zombie uns gerade so gesehen?
Ich blickte direkt in Peters Augen, die mich gierig anfunkelten, mich wieder fast gefangen nahmen.
Warum konnte ich nicht einfach den Blick abwenden und mich dagegen wehren?
Seine Lippen berührten nochmal flüchtig meine, dann stand er auf und hielt mir seine Hand hin, um mir hoch zu helfen.
»Hättet ihr das nicht gestern tun können? Dann wären die Mädels uns nicht so lange auf den Sack gegangen«, kommentierte Zombie, als wir zu ihm in die Küche kamen.
»Nein, weil wir alle keine Lust auf die Gerüchte haben, die dabei rauskommen«, antwortete Peter ihm.
Wir packten unser Essen aus und gingen damit zurück ins Wohnzimmer.
»Es gibt sicher schlimmere Gerüchte. Und ihr könntet noch immer behaupten, dass es Show war.«
Ich musste Peter recht geben: Ich hatte auch keine Lust darauf, dass unsere Affäre an die große Glocke gehängt wurde. Es würde zwar vielleicht Aufmerksamkeit schaffen, aber wer wusste schon, was die Leute daraus machten. Nachher wurde noch absurderweise behauptet, wir wären ein Paar.
Da die anderen beiden das Thema nicht weiter erörterten, ließ ich es auch lieber ruhen.
»Kann ich mir noch ein wenig das Lied ansehen?«, fragte ich Peter nach dem Essen. Es schien nicht so, als würde Zombie gleich fahren wollen, also konnte ich wohl auch noch bleiben.
»Klar. Ich such dir eben die Sachen raus, dann kannst du dich nach unten oder ins Arbeitszimmer setzen, wenn du magst.« Ich folgte dem Hausherren ins Arbeitszimmer, wo er in einem großen Ordner wühlte. Dann gab er mir daraus eine Klarsichtfolie mit mehreren Blättern und einer Kassette. »Wir haben das zum Glück komplett dokumentiert. Ich kann dir das morgen kopieren gehen, aber erstmal kannst du das Original haben. Wir können auch gern nochmal über Änderungen sprechen. Es ist schon so alt, da gibt es sicher was, was wir noch verfeinern können und außerdem müssen wir schauen, was wir mit Angel machen. Wir waren damals nur zu viert.«
»Danke.« Ich nahm ihm die Folie ab und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Es war erstaunlich, dass ich nur äußern musste, dass mir das Lied gefiel und sofort gaben sie mir die Möglichkeit, meinen Wunsch wahr zu machen. Vielleicht war es aber auch nur Zufall, weil sie beide das Lied auch unbedingt auf die Bühne bringen wollten. Dennoch trauten sie es mir zu, auch wenn Phantom es für zu schwer gehalten hatte.
Peter verließ das Zimmer wieder und zog die Tür hinter sich ran.
Ich setzte mich auf einen der Stühle, legte die Kassette in den Walkman ein und setzte die Kopfhörer auf. Dann zog ich die Blätter aus der Folie und überflog sie.
Tatsächlich hatten sie alles in Noten festgehalten. Das war wirklich selten, die meisten Aufzeichnungen, die ich bisher gesehen hatte, bestanden nur aus ein paar Notenfetzen und Texten. Aber das Stück musste auch wirklich schon ziemlich alt sein, wenn sie es auf Kassette gespielt hatten. Ein Glück, dass Peter noch einen Walkman besaß.
Irgendwann hörte ich Peter und Zombie im Flur. Ich setzte die Kopfhörer ab und packte alles ein, denn ich ging davon aus, dass Zombie fahren wollte.
Leise hörte ich ihn fragen: »Bist du dir da sicher?«
»Ja«, antwortete Peter in derselben Lautstärke. »Ich bin mir sehr sicher.«
»Warum redest du dann nicht mit ihm darüber?« Scheinbar wollten sie nicht, dass ich sie hörte. Das machte das Gespräch natürlich noch interessanter für mich. »Wir wissen beide, was das bedeutet, und du hast den besten Draht zu ihm. Auf dich würde er vermutlich hören.«
»Ich will mich da nicht einmischen.« Peter klang unsicher. Worum genau es wohl ging? Ich vermutete ja um mich, aber worin wollte er sich nicht einmischen? »Wenn ich ihn jetzt darauf anspreche, dann zieht er sich sicher zurück.«
»Du mischst dich doch schon ein, indem du ihm eigentlich keine andere Wahl lässt, als wieder hier zu schlafen«, stellte Zombie trocken fest. Wie, Peter ließ mir keine andere Wahl als hier zu schlafen? Resignierend seufzte er. »Aber wie du meinst. Beschwer dich dann später nur nicht bei mir, wenn du es bereust. Wir sehen uns dann morgen.«
»Bis morgen«, verabschiedete sich Peter.
Die Wohnungstür öffnete sich und wurde einen Moment später wieder geschlossen.
Perplex stand ich für einen Moment wie angewurzelt im Arbeitszimmer. Zombie war einfach gegangen, ohne sich von mir zu verabschieden oder zu fragen, ob ich mitfuhr. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits kurz nach halb zwölf war. Also so spät, dass ich es allein nie geschafft hätte, noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Wenn ich denn nach Hause gewollt hätte. Hatte Zombie das gemeint? Hatte Peter ihn nach Hause geschickt, ohne mir Bescheid zusagen, damit ich bleiben musste? Warum?
Ich ging in den Flur, wo Peter fast in mich hinein lief, da er wieder auf den Weg ins Wohnzimmer war. »Wo ist Zombie?«
Ertappt sah er mich an. »Auf dem Weg nach Hause.«
»Konnte er mich nicht mitnehmen? Ich schaff es nicht mehr rechtzeitig nach Hause, hab etwas die Zeit vergessen.« Warum schickte er ihn einfach heim? Was wäre denn, wenn ich gar nicht bleiben wollte? »Und warum hat er nicht Tschüss gesagt?«
»Ich hab ihn darum gebeten.« Peter kam auf mich zu und legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich wollte dich heute Abend hier haben. Aber nachdem du schon so abweisend reagiert hast, als ich dich einladen wollte, dachte ich, du würdest sicher Nein sagen, wenn ich dich frage. Tut mir leid, ich sollte das nicht über deinen Kopf hinweg entscheiden. Noch kann ich ihn anrufen, damit er auf dich wartet.«
Wollte er wirklich so dringend, dass ich bei ihm blieb? Aber was hatte das mit dem Gespräch zu tun, das ich belauscht hatte? Es erklärte nicht, worüber er mit mir reden sollte. Aber ich wollte ihn auch nicht fragen. Irgendwie hatte ich Angst vor der Antwort. Was immer es war, es wäre nichts Angenehmes. Hatte es vielleicht mit den Blicken zwischen uns zu tun? Denen, die mich anzogen wie das Licht die Motten, die mir jedoch gleichzeitig Angst machten, ich könnte mich daran verbrennen, wenn ich ihnen zu nah kam.
Vielleicht wäre es genau deswegen eine gute Idee gewesen, Zombie zurückzurufen, doch ich verlor mich wieder in Peters Augen, die mich fragend musterten. Außerdem hatte mein Kopf wie von selbst begonnen, sich zu schütteln. Wieder verriet mich mein Körper, entwickelte ein Eigenleben.
»Dann lass uns eben aufräumen und dann ins Bett gehen.«
Wir räumten die Unterlagen im Arbeitszimmer weg und begaben uns dann gemeinsam ins Schlafzimmer.
Peter schreckte panisch hoch, als am nächsten Morgen mein Handy, das ich als Wecker gestellt hatte, klingelte. Scheinbar hatte ihn das ungewohnte Geräusch aus dem Schlaf gerissen.
Ich machte es aus und kuschelte mich dann an ihn, der noch immer verwirrt wirkte. »War nur mein Wecker. Ich muss gleich aufstehen und zur Schule.«
Er legte sich wieder hin, kuschelte sich unter unsere Decke und ließ sich ein wenig den Rücken kraulen. Die Striemen von meinen Fingernägeln waren kaum noch zu sehen. Grinsend dachte ich daran, dass ich ihm Neue verpassen sollte.
So wirklich aufstehen wollte ich nicht. Was jedoch nicht daran lag, dass es spät geworden war – wir waren tatsächlich nur ins Bett gegangen und hatten geschlafen –, sondern daran, dass es zu gemütlich war.
Mir blieb jedoch nichts anderes übrig. Ich küsste Peter in den Nacken und stand auf. Kaum war ich aus dem Bett, setzte auch er sich auf. Ich ging noch einmal zu ihm rüber und küsste ihn kurz. »Bleib ruhig liegen. Ich weiß doch, wo alles ist.«
»Sicher? Sagst du mir gleich noch Tschüss?«
Ich nickte, da ich es sowieso vorgehabt hatte. Nach einem weiteren leichten Kuss schnappte ich mir meinen Rucksack und verschwand im Bad.
Nachdem ich mich geduscht, angezogen und fertig gemacht hatte – für die Schule dauerte das zum Glück nicht allzu lange –, aß ich ein paar Scheiben Toast und ging dann wieder ins Schlafzimmer zurück.
Peter hatte sich vollständig in die Decke eingerollt und lag auf meiner Bettseite; auf der Seite, auf der ich schlief, wenn ich dort war!
Er musste bemerkt haben, dass ich das Zimmer betreten hatte, denn er drehte sich zu mir um.
Ich ging hinüber und küsste ihn zärtlich.
Nur widerwillig ließ er mich danach los, murmelte dann aber: »Bis heute Abend.«
»Ich bin nach der Schule vermutlich im Probenraum. Das Wetter sieht scheiße aus.«
Er nickte und drehte sich dann wieder auf die Seite.
Ich zog die Decke bis zu seiner Schulter hoch und ließ ihn dann weiterschlafen. »Bis nachher.«
»So brauch ich dich. Berühre mich – Die Einsamkeit verbannt
Eine Illusion der Zweisamkeit – In mir schon längst verbrannt
Deine Gier nach der Befriedigung – Bezahlen sollst du sie
Wenn du dann zerfließt in Lust nach mir – Komm ich aus meinem Tief«
Philosopher’s Point – Sadismus