»Hey, wo warst du so lange? Grace kommt in einer halben Stunde«, wurde ich von Peter begrüßt, als ich zur Tür hereinkam.
»Sorry, ich hab die Zeit beim Training vergessen.« Nachdem ich meinen Mantel ausgezogen hatte, ging ich ins Wohnzimmer und gab Peter einen flüchtigen Kuss. »Ich brauch nicht lange im Bad, geduscht bin ich schon. Essen wir dann gleich hier oder gehen wir essen?«
»Grace wollte mit uns kochen. Also hier. Keine Angst, sie ist eine gute Köchin, sie schafft es, unser Unvermögen auszugleichen.«
»Ich hoffe es. Wenn wir alle drei mit Magenverstimmung zu kämpfen haben, dann haben wir gar nichts gewonnen. Ich mach mich eben fertig.« Mir gefiel die Idee, mit ihr zu kochen. Dann wurde es hoffentlich nicht so verkrampft. Das war nämlich meine schlimmste Befürchtung: Wir saßen zusammen und keiner wusste etwas zu sagen. Dann würde bei mir nämlich keine Stimmung aufkommen.
Kurz überlegte ich, mich noch einmal zu rasieren, entschied mich bei meinem mickrigen Bartwuchs aber dagegen. Stattdessen nutzte ich die Zeit, mir die Haare zu waschen und zu stylen. Auch wenn sie sicher weniger aufwendig waren als Peters – er konnte stundenlang im Bad stehen, bis seine Haare saßen –, waren sie doch widerspenstig. Außerdem konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich sie offen oder zu einem Zopf tragen wollte. Letztendlich entschied ich mich, Peter eine Freude zu machen und sie offenzulassen.
Ich war fast fertig, da klingelte es. Von unten rief Peter: »Isaac, bist du fertig?«
»Ja, gleich. Muss mich noch anziehen. Kannst aber schon aufmachen.« Ich huschte ins Schlafzimmer.
Peter erwiderte noch etwas, aber ich verstand es nicht. Jetzt war es wichtiger, schnell etwas zum Anziehen zu finden. Da es schnell gehen und trotzdem noch gut aussehen sollte, entschied ich mich für eine enge, dunkle Jeans und ein enges, langärmeliges schwarzes Shirt. Ich konnte ruhig zeigen, was ich hatte.
Während ich mich anzog, hörte ich unten schon Stimmen. Kurzerhand entschied ich mich, noch eine Kette und Armband anzulegen, dann sprintete ich die Treppe runter.
Fast stieß ich mit Peter und der Frau zusammen, die gerade das Wohnzimmer betraten und jeder zwei volle Tüten in der Hand hielten. Schnell lächelte ich die Frau an. »Ehm, hi. Ich nehm dir mal was ab.« Ich nahm ihr eine der Tüten ab und ging damit in die Küche.
Peter und sie folgten mir. Kaum hatten wir die Hände frei, legte Peter den Arm um mich. »Grace, das ist Isaac. Isaac, das ist Grace.«
»So, noch mal richtig: Hallo.« Ich hielt ihr meine Hand hin.
Einen Moment sah sie mich perplex an. Ich kannte diesen Blick schon und musste mich beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen.
Ja, hallo, ich bin Samsa. Ja, ich habe auch einen richtigen Namen. Und nein: Ich laufe nicht immer halb nackt rum. Auch wenn das sicher ein Outfit gewesen wäre, dass heute passend gewesen wäre. Aber mir war es zu kalt.
Immerhin verschaffte mir ihr Starren Zeit, sie ebenfalls zu betrachten. Sicher, sie war hübsch, aber definitiv nicht mein Typ. Schade. Sie hatte etwas von Porzellanpüppchen. Heller, reiner Teint, eine Stupsnase, Schmollmund und ein fein geschnittenes Gesicht. Sie wirkte bei Weitem nicht, als wäre sie in Peters Alter. Mit ihrer hellen Jeans, der Bluse und den High Heels hätte ich sie überall, aber sicher nicht auf einem Demons-Konzert erwartet. Aber ich nahm mir trotzdem vor, sie erst einmal kennenzulernen, bevor ich ablehnte.
»Ah, hallo, Isaac. Schön, dich kennenzulernen.« Sie ergriff meine Hand und zog mich zu sich heran, um mir mehrere Küsschen auf die Wangen zu hauchen. Schon bei den wenigen Worten hörte ich ihren französischen Akzent deutlich. Dennoch schien sie gut Englisch zu sprechen. »Peter, meintest du nicht, dass dein Freund heute dabei sein sollte?«
»Isaac ist mein Freund.« Peter zog mich an seine Brust und legte mir den zweiten Arm demonstrativ von hinten um die Hüfte. Einen leichten Kuss hauchte er mir auf die Halsbeuge.
Ich küsste ihn auf die Wange und machte mich dann frei. Das war mir gerade zu eng.
»Oh. Ehm. Ich dachte, ich hätte ihn schon mal gesehen, aber dann hab ich ihn wohl mit jemandem verwechselt. Helft ihr mir beim Auspacken?« Noch einmal betrachtete sie mich kurz, dann räumte sie die Tüten aus.
»Ich sehe, wir verstehen uns. Danke dir, Liebes.« Peter ging zu ihr, legte ihr kurz von hinten die Hände auf die Hüften und hauchte ihr einen Kuss hinters Ohr. »Aber du hast ihn tatsächlich schon mal gesehen. Im Frühjahr, als wir zusammen im Common waren. Er ist einer der beiden Straßenmusiker.«
Irgendwie fühlte ich mich gerade verarscht. Hatte sie mich jetzt erkannt, oder nicht?
Peter schien meinen Gesichtsausdruck nicht richtig deuten zu können. »Grace war dabei, als ich dich das erste Mal mit Lance – das ist übrigens sein bester Freund, der Rothaarige – im Park gesehen habe.«
»Oh Gott, am liebsten hätte ich ihn an die Hand genommen und zu euch gezerrt. Er war hin und weg von dir. Schön, dass es mit euch beiden doch noch geklappt hat.« Sie öffnete den Kühlschrank, um ein paar Sachen einzulagern. »Ich wusste schon, warum ich so viel einkaufe, dein Kühlschrank ist ja wie immer völlig leer. Was isst du eigentlich den ganzen Tag?«
»Liebes, es gibt Lieferdienste. Aber vielleicht ist das bei euch in Kanada noch nicht angekommen.«
»Tse. Ich beneide dich noch immer. Kannst dir das ganze fettige Zeug reinstopfen und siehst trotzdem aus wie eine Bohnenstange, obwohl du ständig nur faul auf der Haut liegst.« Sie schob kurz sein Shirt nach oben und betrachtete seinen Bauch.
Er zog es schnell wieder runter und antwortete genervt: »Mach dir deinen Körper einfach genügend kaputt, dann bekommst du das vielleicht auch hin.«
Ich beobachtete die beiden und kam mir fehl am Platz vor. Sie gingen so vertraut miteinander um, dass auch sie das Paar hätten sein können. Ich konnte nicht mal helfen. Während Peter genau wusste, was in den Kühlschrank gehörte und was sie noch brauchte, hatte ich keine Ahnung.
Plötzlich bekam ich von ihm zwei Flaschen Wein in die Hand gedrückt. »Kannst du die, Besteck und Geschirr schonmal auf den Tisch stellen?«
»Wohnzimmer- oder Esstisch?«, fragte ich zurück. Ich hatte doch noch keine Ahnung, was sie kochen wollte.
»Esstisch«, antwortete sie für Peter.
Ich tat wie mir geheißen. Als ich alles rübergebracht hatte, kam ich wieder in die Küche. Grace hielt mir ein Schneidebrett und Messer hin und erklärte mir, wie ich das Gemüse schneiden sollte. Peter sollte ebenso beim Schneiden helfen.
Auch während des Schneidens wurde mein Gefühl, nicht dorthin zu gehören, nicht besser. Ich fand einfach keinen Gesprächseinstieg und als es um die Band ging, hatte ich keine Ahnung, was ich sagen durfte. So viel zu meiner Hoffnung, dass das Kochen es lockerer machte. Frustriert konzentrierte ich mich auf das Gemüse.
Irgendwann sah Peter zu mir rüber. »Isaac, ist alles okay?«
»Ja, alles okay«, log ich halbherzig.
»Grace, entschuldigst du uns kurz?« Ohne auf eine Bestätigung zu warten, nahm mir Peter sanft das Messer aus der Hand und zog mich an der Hand ins Arbeitszimmer. »Was ist los?«
»Nichts.«
»Isaac, lüg mich nicht an! Du bist viel zu ruhig. Was ist los?« Peter nahm mein Gesicht in die Hände und zwang mich, ihn anzusehen.
Frustriert seufzte ich. »Ich fühl mich fehl am Platz. Ihr seid so vertraut. Und ich hab einfach keine Ahnung, was ich sagen soll und kann.«
Peter nahm mich in den Arm und streichelte über meinen Rücken. »Seit wann bist du denn auf den Mund gefallen? Und sagen kannst du alles. Grace ist offen für alles und kann auch mit derbem Humor umgehen. Außerdem hab ich vor ihr keine Geheimnisse.«
»Was ist dann mit der Sache mit dem Straßenmusiker?«
»Was soll damit sein? Sie war damals dabei und hat dich singen gehört. Sie weiß, dass ich mich direkt in dich verknallt hab. Du hättest sie hören sollen, als ich ihr gesagt hab, dass ich dich angesprochen hab. Erst hat sie Luftsprünge gemacht, dann hätte sie mich fast durchs Telefon gezogen, als sie erfahren hat, dass ich dich für die Band angesprochen hab.«
»Sie weiß es also doch?«
»Klar. Sie war beim Konzert in Boston dabei, hatte aber keine Zeit, mit ins Exile zu kommen, weil sie am nächsten Morgen arbeiten und vorher noch nach Hause fahren musste. Hat dich das so verunsichert?« Langsam nickte ich. Er küsste mich sanft. »Es ist alles gut. Sie meinte nur, dass sie niemandem verrät, dass ich mit dir zusammen bin. Ist jetzt alles wieder gut?«
Ich nickte und drückte mich noch einmal an ihn. So ganz gut, war es zwar nicht, aber was sollte ich auch sagen?
Gemeinsam gingen wir zu Grace zurück, die uns anlächelte, nachdem sie kurz auf unsere verschränkten Hände gesehen hatte. »Ich hab schon alles geschnitten. Setzt euch hin, den Rest bekomm ich allein fertig.«
»Danke, du bist ein Schatz.« Peter zog mich ins Wohnzimmer, wo er Musik anstellte und sich dann mit mir aufs Sofa fallen ließ. Zärtlich nahm er mich in den Arm.
Bis Grace uns zum Essen rief, beschäftigte er sich nur mit mir. Er kraulte mich, flüsterte mir zärtlich ins Ohr, wollte wissen, wie mein Tag war, und küsste mich. Scheinbar hatte er bemerkt, dass ich mich etwas vernachlässigt fühlte. Diese Behandlung besänftigte mich.
»Kommt ihr beiden Turteltäubchen?«
Peter ließ mich aufstehen und ging dann mit mir gemeinsam nach drüben. Wir halfen noch, alle Teller und Schüsseln auf den Esstisch zu verfrachten.
Während wir uns setzten, fragte Peter: »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
»Irgendwie schon. Ihr seid süß zusammen. Ich hätte so was auch gern mal wieder.«
Im ersten Moment hatte ich bei ihrer Antwort gestockt, doch ihre weiterführende Erklärung beruhigte mich. Verdammt, wurde ich gerade wirklich eifersüchtig? Scheinbar. Und es machte mich wütend auf mich selbst.
»Schätzchen, dann such dir jemanden. Das sollte doch kein Problem sein«, forderte Peter sie auf. »Oder sind dir schon wieder alle Männer nicht gut genug.«
»Und das muss ich mir von dem Mann sagen lassen, der jetzt wie lange Single war? Vier Jahre?«, konterte sie grinsend. »Und das trotz zahlreicher Angebote.«
»Drei. Ich hab eben meine Ansprüche.« Ihm schien das Thema etwas unangenehm, denn er wurde ziemlich kleinlaut.
»Siehst du, ich auch. Ich will nicht einfach nur irgendeinen Typen, der gut fürs Bett ist. Ich will mehr.«
»Ja, aber wie lange ist jetzt deine letzte richtige Beziehung her? Doch sicher schon sieben Jahre. Meinst du nicht, dass du etwas zu anspruchsvoll geworden bist? Welcher Kerl soll denn diese Ansprüche erfüllen können?«
»Stimmt doch gar nicht! Ich hatte zwischendurch noch Daniel und Sean«, gab sie trotzig zurück.
»Das ging wie lange? Jeweils zwei Monate, wenn es hochkommt? Schätzchen, das zählt in unserem Alter nicht mehr als richtige Beziehung. Ich meine, wie oft habt ihr euch gesehen? Alle zwei Wochen? Das zählt vielleicht noch in Isaacs Alter, aber so wirklich ernsthaft war das doch auch nicht, oder?«
Böse sah ich Peter an. War es das, was er wirklich von unserer Beziehung dachte?
Doch die beiden schienen so in ihrer Diskussion gefangen, dass sie es gar nicht mitbekamen. »Ach? Und du bist jetzt wie lange mit Isaac zusammen, dass du große Töne spucken kannst?«
»Einen Monat«, mischte ich mich eisig in die Diskussion ein. Ich nahm meinen Teller und ging damit in die Küche, um ihn in die Spülmaschine zu räumen.
Peter sah mir mit offenem Mund hinterher. Auch ihm schien gerade klar geworden zu sein, was er gesagt hatte. Hastig setzte er zu einer Erwiderung an: »Das ist was völlig anderes! Isaac wohnt hier und wir kennen uns schon deutlich länger, als du die beiden insgesamt gekannt hast! Außerdem sehen wir uns nicht nur alle paar Wochen mal für maximal ein Wochenende. Das kannst du nicht vergleichen!« Peter redete sich in Rage. Wütend ließ er sein Besteck auf den Teller fallen und rutschte vom Tisch weg. »Ich geh nachsehen, ob unten alles in Ordnung ist!« Keine zehn Sekunden später fiel die Haustür ins Schloss.
Verwirrt sah ich ihm hinterher. Warum war er jetzt gegangen? Wenn, dann sollte ich derjenige sein, der wütend die Wohnung verließ.
Grace zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem sie genervt stöhnte. »Keine Sorge, er kommt wieder.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich das will«, gab ich trotzig zurück.
Sie kam mit den anderen beiden Tellern in die Küche und stellte sie auf die Ablage. Dann legte sie beide Hände auf meine Schultern und drehte mich zu sich herum. »Peter hat es nicht so gemeint. Er wollte mich nur aufziehen und ist dabei etwas zu weit gegangen. Er hätte dich mir niemals als seinen Freund vorgestellt, wenn er es nicht hundertprozentig ernst mit dir meinen würde. Er macht in der Hinsicht keine halben Sachen. Wenn er dich gefragt hat, ob ihr zusammen sein ...«
»Ich hab ihn gefragt«, unterbrach ich sie gereizt.
»Es ist dasselbe. Wenn er dich als seinen Partner sieht, dann nur, weil er sich auch wirklich eine Zukunft mit dir vorstellen kann. Ich meine, wenn du wirklich hier wohnst, wie er gerade gesagt hat, dann lässt er dich näher an sich heran, als jemals jemanden zuvor.« Sie holte das restliche Geschirr, während ich alles einräumte.
»Wenn er mich nicht gefragt hätte, würde ich auf der Straße sitzen«, klärte ich sie auf. Ihre Argumente machten zwar Sinn, aber ganz so einfach war es eben auch nicht.
Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch und musterte mich. »Das erklärt zumindest, warum er dich so schnell an sich ranlässt.«
»Und er hat gesagt, er hätte es potenziell auch den anderen Jungs angeboten, wenn sie clean gewesen wären.«
»Aber ich bezweifel, dass du im Kinderzimmer schläfst.« Ich schüttelte den Kopf. »Siehst du. Weißt du: Er tut sich schwer, wenn ihm jemand zu nahe kommt. Und wenn es Ärger gibt, macht er dem entweder lautstark Luft, wenn er sich im Recht fühlt, oder nimmt sich Zeit für sich, wenn er entweder nicht laut werden kann oder weiß, dass er unrecht hat. Und Peter weiß, dass er gerade, zumindest dir gegenüber, unrecht hatte und dich verletzt hat. War es das erste Mal, dass ihr euch gestritten habt? Oder ist er sonst laut geworden?«
Ich schüttelte den Kopf. Da wir mit Aufräumen fertig waren, gingen wir ins Wohnzimmer. Den Wein nahmen wir mit. Dort erzählte ich ihr dann, ohne Details zu nennen, von unserem Streit zu Zombies Geburtstag. Als ich erzählte, dass sich Zombie und Peter dann deswegen gestritten hätten, grinste sie. Verwundert sah ich sie an.
»Ich fürchte, du hast nicht gehört, was sie gesagt haben? Das kann nämlich sehr witzig sein als Unbeteiligter, wenn sie sich streiten und sich beide im Recht fühlen – und das tun sie in der Sache – dann werden richtig alte Geschichten ausgepackt und sich an den Kopf geworfen. Außerdem fliegen die übelsten, kreativsten Schimpfwörter. In der Hinsicht könnten sie wirklich Brüder sein. Irgendwann gehen sie dann auseinander und vertragen sich nach ein paar Stunden wieder. Nimm es Peter nicht übel, wenn er manchmal etwas komisch ist. Er hat es nicht leicht gehabt und sich dadurch so einige Eigenarten angewöhnt.«
»Du meinst so was, wie seine nicht vorhandene Privatsphäre im Bad?«, gab ich grinsend zurück. Sie war mir im Einzelgespräch schnell sympathisch geworden.
»Ah, klar, du wohnst hier, du hast damit sicher schon deutlich mehr Erfahrung gemacht als ich. Das ist schrecklich, oder?« Sie grinste zurück, dann wurde sie etwas ernster. »Aber wenn dich das stört, dann musst du ihm das sagen, und zwar, was genau er lassen soll. Er merkt selbst nicht, dass es nicht normal ist. Auch wenn es sich schon deutlich gebessert hat, nur nach einer Weile, in der er allein ist, vergisst er es wieder.«
Auch wenn ich es schön fand, dass sie dasselbe Leid kannte, musste ich ihr doch innerlich widersprechen. Ich hatte durchaus das Gefühl gewonnen, dass Peter wusste, was andere störte. Er war immer direkt ohne Aufforderung wieder hinausgegangen, wenn er zufällig hereingeplatzt war, während ich auf Toilette gewesen war oder mich gerade im Intimbereich rasiert hatte. Nur ihm selbst schien es für sich nicht wichtig zu sein. »Hat Chris ihm das nicht abgewöhnen können?«
Skeptisch sah sie mich an. »Du weißt von Chris?«
»Nicht viel. Peter hat nur erzählt, dass er ihn und Zombie hier aufgenommen hat.«
»Ah. Na, ich denke mal, es gab einfach erst mal Wichtigeres, was die beiden wieder lernen mussten, als Privatsphäre.« Ich hatte das Gefühl, sie hätte noch mehr sagen wollen, aber sie tat es nicht.
Jetzt war jedoch meine Neugierde geweckt. »Wie lange kennst du Peter eigentlich schon?«
»Hmm ... Ich weiß es gar nicht so genau.« Sie überlegte eine Weile. »Ich hab ihn jedenfalls nach meiner letzten längeren Beziehung kennengelernt. Wenn also seine Schätzung von vorhin stimmt – und er hat dafür ein deutlich besseres Gedächtnis als ich –, dann sieben Jahre.«
»Du kennst Chris also?«, versuchte ich mein Glück. Ich wollte mehr über diesen Mann erfahren, der einfach so zwei Jugendliche bei sich aufnahm.
Sie biss sich auf die Unterlippe, bevor sie langsam antwortete: »Ja. Aber wenn du etwas über ihn wissen willst, dann solltest du lieber Peter oder Mat fragen. Ich hab ihn nur ein paar Mal kurz gesehen.«
Ich seufzte. Irgendwie war mir klar gewesen, dass sie mir nichts sagen würde. Wobei sie deutlich mehr über Peter zu wissen schien. Ich dagegen hatte das Gefühl, dass er mir nicht wirklich etwas über sich erzählte. »Wenn ich ihn frage, dann weicht er mir immer aus.«
»Es ist nicht leicht mit ihm, hmm?« Sie legte den Arm um meine Schulter und zog mich zu sich. »Er wird dir mit der Zeit immer mehr erzählen, mach dir keine Gedanken. Er braucht dafür nur Zeit und manchmal einen kleinen Anstoß. Du solltest ihn nur nicht damit nerven, dann blockt er ab.«
»Ist gar nicht so einfach. Immerhin will ich ja auch mehr über ihn erfahren.« Ich ließ es zu, dass sie mich an ihre Schulter drückte und mir durch die Haare fuhr. Es tat gerade gut, in den Arm genommen zu werden. Da war es egal von wem.
»Du kannst ihn sicher so ziemlich alles fragen, was du willst. Nur wenn er sagt, er möchte etwas nicht erzählen, dann solltest du das akzeptieren. Irgendwann wird er von allein auf dich zukommen. Lass ihm seine Geheimnisse. Ich bin mir sicher, du hast auch welche. Er wird sie ebenfalls akzeptieren müssen, bis du bereit bist, sie ihm zu erzählen.« Langsam nickte ich. »Hast du Lust einen Film zu sehen, bis er wiederkommt?«
Ich schnappte mir die Fernbedienung vom Couchtisch und lehnte mich dann wieder an sie. Mir schlug die ganze Sache immer noch etwas aufs Gemüt, da taten die sanften Streicheleinheiten wirklich gut.
Wir zappten einmal durch alle Kanäle und entschieden uns dann, da Grace auf etwas Lustiges bestand und ich auch nicht wirklich etwas Ernstes sehen wollte, für Big Daddy. Zumindest war es halbwegs witzig und seichte Unterhaltung.