Erschrocken realisierte ich, dass er es ernst meinte und gerade dabei war, die Nacht mit der Frau im Hotel zu verbringen, auf die ich eifersüchtig war. Wie bescheuert war ich eigentlich?
Augenblicklich warf ich die Bettdecke zurück und setzte mich im gleichen Atemzug auf. »Peter!«
»Was ist?« Er stand noch in der Tür und hatte sich zu mir umgedreht. In der Hand hielt er eine kleine Tasche. Er wäre wirklich zu ihr gegangen!
Ich blinzelte gegen das viel zu grelle Licht an, um ihn halbwegs sehen zu können. Dann schluchzte ich: »Kannst du ... Kannst du nicht lieber zu Zombie?«
Seufzend kam er auf das Bett zu, stellte die Tasche ans Fußende und setzte sich dann neben mich. »Ich will eigentlich gar nicht woanders hin, sondern hier bei dir bleiben. Aber nur, wenn du mir sagst, was los ist.«
»Es ... Ich ...« Keine Ahnung, wie ich ihm das sagen sollte. Wenn ich ihm jetzt sagte, dass ich eifersüchtig war, dann konnte ich das Gespräch im neuen Jahr komplett vergessen, weil er annehmen musste, dass ich immer so reagierte. Aber das war es doch nicht!
»Ist es wegen gestern Abend?« Langsam nickte ich. »Und was genau? Isaac, so funktioniert das mit dem Reden nicht! Du musst schon was sagen.«
»Grace ... du hast sie so angesehen ... und mich ... du wolltest sie für dich. Liebst du sie?«
»Was? Nein! Isaac, wie kommst du darauf?« Schockiert sah er mich an.
»Gestern ... als du mit ihr ... als sie kurz zu mir gesehen hat ... Du hast mich angeschaut, als würde sie dir gehören. Und dann hast du sie angeschaut, wie mich sonst. Und Zulu hat gesagt ...« Noch immer wischte ich mir Tränen aus den Augen.
Er seufzte und zog mich in seine Arme. »Hey, ich liebe nur dich, hörst du? Egal was andere sagen. Anthony behauptet das schon seit Jahren. Er versteht einfach nicht, dass man sich nicht lieben muss, um längerfristig miteinander ins Bett zu steigen.«
Auch wenn ich in seinen Arm lag, versteifte ich mich. Ich wollte mich nicht einlullen lassen. Noch immer hatte ich den Blick im Kopf, den er ihr zugeworfen hatte. »Und der Blick?«
»Es tut mir leid. Ich war nur verwirrt, weil du schon den ganzen Abend so widersprüchlich warst. Erst schienst du dich nicht wirklich mit ihr zu verstehen, dann war plötzlich alles gut, als ich wiederkam, und es war dann okay, dass sie mit hochgekommen ist. Und dann meintest du, dass ich lieber mit ihr allein schlafen soll und dann hast du sie plötzlich angefasst. Mich hat das Hin und Her überfordert. Es war nicht, dass du sie nicht anfassen, sondern dass du dich entscheiden solltest.« Er strich mir versöhnlich über den Rücken.
Eine Weile wartete ich, ob noch etwas kam, dann bohrte ich nach: »Und der Blick zu ihr?«
»Ich weiß es nicht. Obwohl ich grad genervt von dir war, hab ich mir gewünscht, du würdest, statt sie zu streicheln, mich streicheln oder besser mich einfach nehmen, während ich in ihr war. Ich hab es mir in dem Moment vorgestellt. Aber ich wollte dich nicht weiter ansehen. Es ist einfach alles durcheinander gekommen. Die Wut auf dich, die Vorstellung mit euch beiden, die Möglichkeit, dass du das wirklich tun könntest.« Peter wischte mir ein paar Tränen von der Wange und zwang mich dann vorsichtig, ihn anzusehen. »Bitte, vertrau mir. Ich liebe nur dich. Sie ist nicht mehr als eine gute Freundin.«
Langsam entspannte ich mich. Ich wollte ihm glauben und es klang wirklich danach, als wäre es die Wahrheit. Aber noch konnte ich nicht ganz damit abschließen. »Kommt sie morgen?«
»Ja, aber nur zur Feier. Ich hab ihr gesagt, dass ich den Tag mit dir haben möchte. Sie wollte morgen hier schlafen, weil sie Montag ganz früh wieder losmuss. Wenn es dir lieber ist, sag ich ihr, dass sie im Probenraum schlafen soll.«
Vorsichtig nickte ich. So ganz vertraute ich dem allen noch nicht.
»Ist gut. Kommst du nochmal mit runter? Grace ist auch schon weg.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hab schon geduscht. Und so will ich auch nicht runter.«
»Ist gut.« Peter ließ mich los und stand auf.
Etwas enttäuscht angelte ich nach meinem Kissen und vergrub mich wieder unter der Decke.
Nach einer Weile wurde an der Decke gezuppelt, die ich fest in meinem Griff hatte. »Darf ich mit runter?«
Sofort ließ ich die Decke los und drehte mich um, um nach ihm zu sehen. Doch es war dunkel geworden im Raum. Mein Herz überschlug sich fast, als er sich neben mich legte und ich seine Haut an meiner spürte. Er war nicht wieder in den Club gegangen, sondern bei mir geblieben!
Zärtlich zog er mich in seine Arme. »Sag mir das nächste Mal bitte gleich, was los ist. Ich will mich nicht nochmal einen Tag lang mit dir streiten, das halt ich nicht aus.«
»Tut mir leid. Ich wusste nicht, wie ich es sagen soll.«
Statt weiter mit mir zu diskutieren, drückte er mir einen Kuss auf und kuschelte sich tiefer in die Decke.
Er überraschte mich gerade. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass wir wieder Versöhnungssex haben würden, aber er schien wirklich schlafen zu wollen. Schön, denn ich hatte keine Lust auf Sex. Das aneinandergekuschelte Einschlafen war viel schöner.
»Hey, Isaac, können wir kurz reden?«, sprach Grace mich am nächsten Abend auf der Party an. Den Rest des Abends war ich hier aus dem Weg gegangen, doch offenbar war sie der Meinung, wir hätten noch etwas zu besprechen.
Ich nickte und folgte ihr an den Rand des Raumes, wo uns nicht mehr allzu viele hören konnten.
»Kannst du mir mal sagen, was das Theater soll? Freitag war doch noch alles in Ordnung und dann kommt gestern Abend plötzlich Mat zu Peter und mir, weil du irgendwas zu zicken hast, sodass Peter mich rausschmeißt, und heute sagt er mir, dass ich wegen dir unten schlafen muss! Was hast du für ein Problem?«
Das klang so gar nicht mehr nach der fürsorglichen Grace von Freitagabend, die mich getröstet hatte. Dennoch fand ich nicht, dass ich ihr eine genauere Erklärung schuldig war. »Tut mir leid, aber es lief einfach nicht wie erhofft und mir ist das Ganze über den Kopf gewachsen. Ich brauch einfach etwas Zeit mit Peter allein.«
»Pfft, klar! Dir passt es doch nur nicht, dass du nicht im Mittelpunkt stehst, wenn ich da bin! Keine Ahnung, was Peter an so einem dummen, kleinen Kind wie dir findet. Das ist doch albern! Du wusstest, worauf du dich einlässt. Jetzt hör auf rumzuheulen!«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ganz Unrecht hatte sie nicht, es war irgendwie blöd, sich auf einen Dreier einzulassen und dann eifersüchtig zu werden. Dennoch war es mein gutes Recht, Angst um unsere Beziehung zu haben. »Ich heul nicht rum! Und wenn wir sagen, dass du dich erstmal aus unserer Beziehung rauszuhalten hast, dann hast du das zu akzeptieren. Es ist schließlich unsere Beziehung, nicht deine. Du bist nur Gast und im Moment wollen wir allein sein.«
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du Peter glücklich machen könntest?! Wie solltest du? Peter steht mehr auf Frauen als auf Männer. Spätestens in einem halben Jahr hat er die Schnauze voll von deinem Arsch und kommt wieder zu mir zurück! Bild dir nur nichts drauf ein, dass er im Moment glaubt, dich aufpäppeln zu müssen, du kleine Straßenhure!« Ihr Gesicht lief vor Wut rot an.
Daher wehte also der Wind. Sie wollte Peter für sich. Was für eine falsche Schlange! Vermutlich war sie nur freundlich zu mir gewesen, damit sie mit ihm schlafen konnte.
»Bist du dann fertig? Ich würde mich gerne noch mit anderen unterhalten.« Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass mich ihre Beleidigung traf, drängte die Tränen zurück, die sich in meinen Augen bildeten. Außerdem traf auch der Rest der Aussage einen wunden Punkt und zielte genau auf meine Angst. Ich drehte ihr den Rücken zu und ließ sie stehen. »Einen schönen Abend noch und viel Spaß.«
Um mich abzulenken, ging ich an die Bar und holte mir ein Bier.
Zombie kam dazu und ließ sich von mir ebenfalls eines geben. »Was wollte Grace denn?«
»Ihr passt nicht, dass Peter sie gestern nach Hause geschickt hat und sie heute, wie alle anderen auch, unten schlafen soll.« Ich öffnete für uns die Flaschen.
»So wie du dreingeschaut hast, war das aber nicht alles, was sie gesagt hat.« Zombie musterte mich, während er sich eine Zigarette anzündete.
»Sie hat mich eine Straßenhure genannt und gemeint, Peter hält es nicht mal ein halbes Jahr mit mir aus, danach würde er wieder ihr gehören.« Es hätte ja doch keinen Zweck, es ihm nicht zu erzählen, er würde sowieso weiterbohren. Außerdem musste ich es jemandem sagen und er war der einzige, bei dem ich es gerade konnte.
Wir stellten uns nebeneinander an die Wand neben der Bar. So hatten wir im Blick, wenn jemand in Hörweite kam. Ohne zu fragen, nahm ich die Zigarette aus seinem Mund und zog daran, bevor ich sie ihm zurückgab.
Er störte sich nicht daran. Verächtlich schnaubte er. »Sie ist eine durchtriebene Schmeißfliege! Ich frage mich, wann Peter das endlich kapiert. Ständig mischt sie sich unter dem Vorwand, sie sei seine beste Freundin, in seine Beziehungen ein.«
Ich schnaubte amüsiert. »Ich kenn da noch so jemanden.«
»Aber ich will dir nichts Böses.« Er hielt mir den Glimmstängel vor den Mund, damit ich ziehen konnte, dann tat er wieder selbst einen Zug, bevor er weitersprach. »Peter ist mein Bruder, es ist meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen. Und seinem Freund ab und zu mal den Kopf geradezurücken. Würde ich eure Beziehung kaputt machen wollen, würde ich dich jetzt hier allein stehenlassen, obwohl ich genau weiß, dass Peter dich beobachtet.« Zombie deutete mit der Zigarette in der Hand ein Stück vor uns, wo Toby auf uns zukam.
Als er vor uns stand, wurde mir die Zigarette in die Hand gedrückt, damit Zombie die Hände zur Begrüßung frei hatte. Ich tat noch einen Zug, bevor ich sie ihm zurückgab und dann Toby ebenfalls mit einer Umarmung grüßte.
Nachdem ich ihn losgelassen hatte und wieder an der Wand lehnte, sah er mich skeptisch an. »Du rauchst?«
»Nur, wenn Zombie sie vorher angesabbert hat. Sonst schmeckt sie nicht.«
Tobys Augenbrauen wanderten nach oben, als er nun Zombie musterte. »Seit wann teilst du?«
»Seitdem ich den Tabakkäfer hier kenne. Dem gehen die Nerven so schnell durch.«
Die Augenbrauen wanderten noch ein Stück weiter. Tobys Blick ging aufmerksam zwischen uns hin und her. Nach einer Weile, Zombie hatte mir gerade die Zigarette wieder in die Hand gedrückt, schüttelte er den Kopf. »Wenn ich nicht wüsste, dass es völlig absurd ist, würde ich ja behaupten, du bist mit dem Kleinen zusammen.«
»Hey, nur weil andere auf kleine Hänflinge stehen, muss das noch nicht auf mich zutreffen!«
»Ich sag immer noch: Du hast keine Ahnung, was dir entgeht.«
»Ich weiß, dass du im Schlaf klammerst, das reicht mir schon.«
»Du hättest nicht zu mir unter die Decke kommen müssen. Das war deine eigene Entscheidung!«
Toby brach in Gelächter aus und erstickte damit Zombies Erwiderung. »Ihr klingt wie ein altes Ehepaar.«
Beleidigt sahen wir ihn beide an.
Nach einem Moment der Stille musterte Toby mich wieder. »Ich wollte eigentlich nur fragen, wie es Freitag gelaufen ist.«
Ich wiegelte etwas den Kopf hin und her und war unsicher, wie ich antworten sollte. Zombie ließ sich nicht anmerken, dass er wusste, wovon Toby sprach. »Durchwachsen. Es wird mit ihr definitiv eine einmalige Sache bleiben.«
»Oh, das tut mir leid. Ich hoffe, ihr habt euch deswegen nicht gestritten?« Die Besorgnis stand ihm mal wieder ins Gesicht geschrieben.
»Etwas, aber es sollte geklärt sein. Ich hab draus gelernt und damit ist gut.«
Toby nickte bestätigend und damit war das Thema für mich auch erledigt. Mehr wollte ich darüber nicht erzählen und er schien es zu akzeptieren.
»Ich weiß übrigens nicht, ob ich die nächsten Wochen zum Training komme. Wir sind ab morgen im Studio und da wird die Zeit etwas knapp.«
»Oh, schade. Aber dann weiß ich, dass ich mir keine Sorgen machen muss, wenn du nicht kommst. Ich wünsch dir schon mal schöne Feiertage und einen guten Rutsch und hoffe, dass alles reibungslos funktioniert.« Er zog mich in seine Arme und drückte mich.
»Danke. Wünsche ich dir ebenfalls.«
Nachdem er mich losgelassen hatte, verabschiedete er sich auch von Zombie, da er gehen wollte. Immerhin musste er ja am nächsten Tag arbeiten.
»Du bist ganz schön gutgläubig, oder?«, fragte Zombie, sobald Toby außer Hörweite war. Fragend sah ich ihn an. »Was macht dich so sicher, dass ich Peter nicht erzähle, dass du mit Toby über euren Dreier gesprochen hast?«
»Dass du mir nichts Böses willst.« Ich grinste ihn breit an, während er nur mit den Augen rollte. »Es tut Peter ja nicht weh, dass ich mit Toby darüber rede. Er weiß ja nicht mal, wer mein Freund ist. Ich halte es auch für keine gute Idee, ihm das zu sagen.«
Zombie nickte. »Ist deine Sache. Ich bin mir sicher, er würde es für sich behalten, aber dir von Peter abraten.«
Ich imitierte die Geste und zog dann noch einmal am fast vollständig heruntergebrannten Stängel. »Kann ich mir vorstellen. Danke für die Zigarette. Ich sollte auch langsam hoch und schlafen.«
»Kein Ding. Schlaf gut, Bettwanze.«
Ich ging mich noch von der restlichen Band verabschieden und verschwand dann im Bett.
»Hey hey, you leave a mess
You’re a devil in a gucci dress
I’m sending out an SOS
You’re a devil in a gucci dress«
Stoneman – Devil in a Gucci Dress