»Also, was ist los?«, fragte Toby und sah mich neugierig an.
Er hatte zufällig Schicht gehabt, als ich beim Training war, und weil ich abwesend auf der Kraftmaschine gesessen und Löcher in die Luft gestarrt hatte, hatte er mich angesprochen, ob alles in Ordnung war. Ich hatte gehofft, ihn abzuwimmeln, wenn ich sagte, dass ich es nicht im Studio besprechen wollte, doch er hatte sofort angeboten, mit mir in der Nähe Kaffeetrinken zu gehen. Er hielt es für eine schlechte Idee, dass ich in dem Zustand trainierte und befürchtete, dass ich mich verletzte.
Ich hatte beide Hände um meine Tasse geschlossen und wärmte sie. Selbst auf dem kurzen Stück waren sie kalt geworden. Dabei hatte ich sogar noch kurz geduscht. Langsam rieselten die Schneeflocken vom Himmel. »Ich hab heute Abend ... eine Verabredung. Ich bin deshalb etwas nervös, weil ich keine Ahnung habe, wie es ausgehen wird.«
Verwundert legte Toby den Kopf schief. »Hattest du nicht letzten Dienstag noch einen Freund?«
»Was? Ach so, nein, den hab ich immer noch.« Ich lachte ihn an. Stimmt, ich hatte nicht daran gedacht, dass man meine Aussage falsch interpretieren konnte. »Vermutlich wäre auch richtiger, zu sagen, dass wir eine Verabredung haben. Für ihn ist das alles kein Problem, er hat die Sache ja auch eingefädelt, aber ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll.«
»Hm. Damit wir uns nicht nochmal falsch verstehen: Er hätte also gerne mit dir zusammen einen Dreier?«
Ach ja, er sprach ja gerne lieber offen die Sachen an. Ich nickte.
»Und das macht dich nervös? Warum?«
»Ich hatte noch nie einen Dreier mit einer Frau. Ich hab einfach keine Ahnung, wie das laufen soll.« Nervös strich ich mir durch die Haare und sah ihn an. Ich hatte ja auch keinen Grund, mir den Tisch anzusehen.
Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte. »Da kann ich dir wohl am wenigsten weiterhelfen.«
Ich lachte. »Du wolltest doch wissen, warum ich nervös bin. Jetzt beschwer dich nicht, wenn der Grund nicht in dein Metier fällt. Also los, gib mir Tipps!«
Toby grinste und schüttelte den Kopf. »Ich kann dir dennoch nicht weiterhelfen, wenn es um die Frau geht. Ich frag mich nur, warum du dir so den Kopf zerbrichst. Hast du doch bei uns auch nicht. Oder willst du es nicht? Dann musst du das deinem Schatz sagen. Wenn er das nicht akzeptiert, ist er ein Idiot und hat dich nicht verdient.«
Wieder lachte ich. »Er ist ein Idiot, aber ein liebenswerter. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich das will. Er hat mich am Dienstag ziemlich damit überrumpelt, dass er was arrangiert hat. Wir hatten vorher nie drüber geredet. Eigentlich hatten wir ausgemacht erst im neuen Jahr mal drüber zu sprechen, ob wir die Beziehung öffnen. Ich hab an sich überhaupt kein Problem damit, aber es war so plötzlich. War es bei euch zwar auch, aber da hatte ich gar keine Zeit, mir vorher Gedanken zu machen, und ich kannte euch ja auch beide. Ich fand Roger auch sympathisch, daher hat es mich nicht gestört. Aber ich kenn sie überhaupt nicht. Was ist, wenn ich sie nicht leiden kann?«
»Okay, okay. Eins nach dem anderen.« Beruhigend legte er mir eine Hand auf den Arm. »Er hat das also arrangiert, ohne das vorher mit dir abzusprechen? Und das, obwohl ihr euch auf eine geschlossene Beziehung geeinigt habt? Ich sag das ja nur ungern, aber das ist ziemlich scheiße von ihm.«
»Er hat wohl nicht drüber nachgedacht. Es ist eine alte Bekannte von ihm, die recht kurzfristig in der Stadt ist. Er dachte halt, es könnte mir auch ...«, verteidigte ich Peter.
Doch Toby unterbrach mich: »Es ist egal, was er dachte. Das geht einfach nicht. Wenn er darauf besteht, dass du ihm treu bist – ich bezweifel, dass die monogame Beziehung von dir ausging –, dann muss auch dasselbe für ihn gelten und er kann nicht einfach sowas planen. Egal ob nur für sich oder mit dir. Er hätte das absprechen müssen. Und zwar vorher!«
Mich überraschte, wie sehr Toby das aufregte. Aber vermutlich machte er sich Sorgen um mich und wollte nicht, dass man mir wehtat. »Er ist eben manchmal etwas impulsiv. Und er hat sich auch direkt bei mir entschuldigt, noch bevor er gefragt hat, ob ich mitmache.«
Toby seufzte und strich mir über den Oberarm. »Dann hoffe ich, dass es die einzige Sache ist, bei der er impulsiv ist. Ich weiß, dass du schnell überrumpelt bist. Ich hoffe, dass er das nicht ausnutzt, um dich zu Dingen zu drängen, die du eigentlich nicht willst.«
»Nein, macht er nicht. Wenn er das gewollt hätte, hätte er mir das nicht vorher gesagt, meinst du nicht? Wie auch immer, ich hab keine Ahnung, wie es laufen soll.« Wieder fuhr ich mir verzweifelt durch die Haare. »Bei euch war meine Position immer klar. Da musste ich mir keine Gedanken machen, wie ich mich verhalten soll. Ihr habt die Regeln gesetzt. Diesmal hänge ich ziemlich in der Luft.«
»Du sagst es doch schon: Ihr solltet euch Regeln setzen. Welche Rolle wollt ihr dabei einnehmen, wollt ihr das überhaupt festsetzen? Gibt es irgendwas, was du auf keinen Fall tun willst oder er auf keinen Fall tun soll? Ihr müsst darüber sprechen. Und keine Sorge, wenn dir gerade nichts einfällt, das kommt manchmal erst mit der Zeit. Roger und ich haben auch lange gebraucht, um unsere Regeln so festzusetzen, dass sie für uns beide passen. Und selbst jetzt müssen wir sie immer mal wieder anpassen, wenn ein kleiner Wirbelwind alles durcheinanderbringt.« Bei dem Satz zwinkerte er mir zu und brachte mich zum Grinsen. Mir war ja durchaus bewusst, was er meinte und ich fand es schön, dass er es so ausdrückte. Ganz unbewusst nahm er mir damit die immer wieder hochkommende Sorge, ich hätte ihre Beziehung gestört. »Wir haben uns zum Beispiel ständig gestritten, nachdem wir uns jemanden vorgestellt haben oder einen Dreier hatten, obwohl wir es definitiv beide wollten. Erst nach einer ganzen Weile haben wir bemerkt, dass es daran lag, dass es uns beide störte, wenn der andere jemanden küsst. Es war uns nie aufgefallen, da es für uns zum Sex einfach dazugehörte, aber irgendwie fanden wir es doch so intim, dass wir nicht sehen wollten, wie der jeweils andere es mit anderen tut. Zuerst haben wir ausgemacht, andere gar nicht mehr zu küssen, aber das führte nur dazu, dass wir uns ständig beichten mussten, dass es doch einen Ausrutscher gab. Da es ja nicht unbedingt das Problem war, dass wir überhaupt geküsst haben, sondern nur, dass wir das nicht sehen wollen, haben wir uns dann geeinigt, es zu lassen, wenn der andere dabei ist. Und das funktioniert für uns sehr gut.«
Er hatte recht. Mir war es nie direkt aufgefallen, aber tatsächlich hatten weder er noch Roger mich je geküsst, wenn der andere dabei war. Dabei war es sonst beim Sex häufig der Fall gewesen. Wobei ... An ein Mal konnte ich mich erinnern. Als Toby im Krankenhaus gelegen hatte. Aber auch da hatte er, wenn ich mich richtig erinnerte, sich direkt entschuldigt.
Wobei mir da noch etwas anderes einfiel, wenn ich schon mit ihm über so etwas sprach. »Wann habt ihr euch eigentlich geeinigt, was Safer Sex angeht? Ich meine, welche Regeln da für euch bei anderen und unter euch gelten?«
Kurz grinste Toby, doch dann wurde er schlagartig ernst. »Warum, ist das ein Streitthema bei euch?«
»Hm. Nicht wirklich. Er würde gerne alles ohne machen, aber ich trau mich da nicht so wirklich. Aber er akzeptiert das ... Na ja, großteilig. Nur beim Blowjob ist das so eine Sache. Er meint, ich könnte gerne machen, was ich wollte, aber er würde sich ›nicht den Spaß verderben lassen‹, indem er ... na ja ... ›zurückzieht‹.« Jetzt schaute ich mir die Maserung des Tisches doch genauer an. Nach einem Moment sah ich wieder hoch. »Und ich dachte, weil ihr das ja auch untereinander macht ... Keine Ahnung, ich frag mich nur, wie ihr euch darauf einigen konntet.«
»Hm. Ich versteh, was du meinst. Ich bewundere, dass dir das überhaupt aufgefallen ist. Wir hatten uns eigentlich direkt zum Anfang schon geeinigt, dass uns Safer Sex sehr wichtig ist, aber fanden beide Blowjobs mit Kondom recht unschön. Also haben wir uns informiert und für uns entschieden, dass alles, was durch einen Blowjob ohne Schlucken übertragen werden kann, zwar nicht angenehm ist, aber dennoch Sachen, mit denen wir leben könnten und die recht gut zu behandeln sind. Also haben wir uns darauf geeinigt. Trotzdem waren wir beide neugierig und wollten unbedingt mal sehen, wie es mit Schlucken ist. Da wir uns vertraut haben, dass wir beide mit anderen immer vorsichtig waren und auch beide frisch getestet, haben wir es gegenseitig mal probiert. Daraus ist dann etwas geworden, dass wir nur für uns hatten und den jeweils anderen zu etwas Besonderem gemacht hat. Daraus ist dann auch entstanden, dass wir auch andere nicht schlucken lassen, obwohl wir eigentlich recht sicher sein können, für sie nicht ansteckend zu sein.«
Irgendwie fand ich das süß, dass sie tatsächlich etwas hatten, das nur der andere durfte. Ich hatte mich immer gefragt, wie sie es schafften, dass sich der andere nicht wie einer von vielen fühlte. Vermutlich war das nur einer von vielen kleinen Punkten.
Doch Toby war noch nicht fertig. »Wenn ihr das also machen wollt, spricht da nichts gegen, euch muss nur klar sein, dass ihr immer beide das Risiko tragt. Und nicht nur für euch, sondern auch für andere, wenn ihr noch mit anderen schlaft.«
»Schon gut, du hast mir den Vortrag schonmal gehalten, falls du dich erinnerst.« Freundlich lachte ich ihn an, er sollte merken, dass ich es ihm nicht übelnahm, sich zu wiederholen. »Aber danke dir, dass du dir meine Sorgen anhörst.«
»Dafür sind Freunde doch da.« Er wuschelte mir durch die Haare. »Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen?«
»Ja, sehr.« Ich stand auf und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich war mir nur nicht sicher, ob wir das noch sind, nachdem ich mich so scheiße benommen habe.«
»Hey, jeder macht mal Fehler.« Auch Toby trank den letzten Schluck aus seiner Tasse und erhob sich. Gemeinsam gingen wir zur Tür, wo er mich kurz in seine Arme zog. »Ich denke, wir sehen uns Sonntag?«
»Klar. Ich freu mich drauf.«
»Schön. Konntest du das mit Maniac eigentlich noch klären? Roger meinte, er hätte dich ziemlich angegangen?« Wieder zeichnete sich Besorgnis auf seinem Gesicht ab.
»Ja, ich hab ihm klar gemacht, dass du ein guter Freund bist und er sich nicht einmischen soll. Ich denke, er hat es verstanden.« Es war wirklich schwierig, den Sachverhalt darzustellen, ohne zu sagen, dass Peter mein Freund war. Das wollte ich Toby nicht sagen. Auch weil ich mir sicher war, dass es Peter nicht gepasst hätte.
»Roger hat erzählt, dass du ihm ziemlich die Stirn geboten hast. Mir tut es dennoch leid, dass ich dir Ärger gemacht hab. Ich war nicht mehr so ganz nüchtern.«
»Dachte ich mir.« Ich grinste ihn an. »Sonst hättest du mich kaum so offensiv angegraben. Nein, ist alles gut. Ich wusste ja, dass er Stress machen würde, wenn er sieht, dass ich mit dir rede.«
Toby nickte langsam. »Wie viel weißt du eigentlich darüber?«
»Hmm ... Nicht viel. Ich weiß nur, dass Maniac und du mal befreundet wart und euch dann gestritten habt. Von den Andeutungen vermute ich mal, dass es wegen Roger war. Aber mehr weiß ich nicht. Und ich glaub auch nicht, dass es mich etwas angeht.«
Toby hatte bereits den Mund geöffnet, um es genauer zu erklären, doch nun schloss er ihn wieder.
Ich hätte zwar gern mehr gewusst und glaubte auch, dass es mich durchaus etwas anging, aber ich wusste, dass Peter es nicht gern hätte, wenn ich es von Toby erfuhr. Wenn dann musste er es mir erzählen.
»Gut, wenn du meinst. Ich hoffe nur, dass er Sonntag Ruhe gibt. Dann bis in zwei Tagen.« Er drückte mich noch einmal an sich und hauchte mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Dann gingen wir auseinander.
»Nur ein Blick – und ich bin außer Gefecht
Ein Kuss – wäre das Ende für mich
Ein Wort – und ich bin paralysiert
Machtlos – jede Hilfe kommt zu spät«
Metallspürhunde – In deinem Bann