Bald hatten sie das Ende der Treppe erreicht. Diese mündete nun in einem hohen, terrassenartigen Gang, der rund um den gewaltigen, bunt funkelnden Turm führte. Er war lichtdurchflutet und sein Dach wurde von vielen, kunstvoll verzierten, Säulen getragen. Ein atemberaubendes Panorama bot sich ihnen hier dar! Unter sich sahen die Geschwister die vielen Türme und Erker der Schlossanlage, welche von hohen Mauern, umgeben war. Sie konnten sich kaum an den, wie Seifenblasen schimmernden Gemäuern satt sehen.
In der Ferne, erblickte man die glänzende Kette der Kristallberge und überall die grünen Auen mit ihren Bäumen und Blumen. „Schön ist es hier, nicht wahr?" meinte der Erdgnom und die Geschwistern sahen seine Augen leuchten. „ja wundervoll! Du hast hier sicher eine sehr schöne Zeit verbracht.“ Das stimmt wahrlich. Ululala hat mich sehr Vieles gelehrt und war wie ein Vater für mich. Er ist sehr weise und äusserst gütig. Er weiss sehr vieles über die geistigen Gesetze, die uns alle am Leben erhalten. Bestimmt wird er auch euch eine Menge erzählen."
Schliesslich kamen sie zu einer weiteren Tür, die in das Turminnere führte. Als sie diese durchschritten umhüllte sie angenehm, kühles Dämmerlicht. Sie befanden sich nun in einer hohen, runden Halle, mit einer wunderschönen, geschnitzten Decke. Durch einige grosses Fenster, fielen Lichtstrahlen herein und malten ein goldenes Muster auf den aus bunten, aus Mosaiksteinchen bestehenden, Boden. Als die Geschwister nach oben blickten, sahen sie mehrere Galerien über sich. Die Innenmauern, so stellten sie fest, waren aus hellem, sandfarbenem Gestein, welches keinen Glanz besass. Offensichtlich waren nur die Aussenwände des Schlosses aus dem regenbogenfarbenen Material. Die Kinder konnten sich nicht vorstellen, wie man so etwas bauen konnte.
Ululala erklomm mit erstaunlicher Behändigkeit eine marmorne Treppe und öffnete eine Türe. Erstaunt traten die Geschwister in einen mächtigen Saal, in dessen Mitte ein grosser, rechteckiger Holztisch mit unzähligen, leckeren Speisen bestückt, stand. Ein riesiges Fenster, in Form einer Sonne, erhellte den Raum. Pia und Benjamin liefen neugierig dorthin und schauten hinaus. Zu ihren Füssen lag die gewaltige Schlossanlage, umgeben von dieser wundervollen Landschaft. Ein silbern glitzernder Fluss, den sie bisher nicht gesehen hatten, durchzog sie in sanften Windungen. „Setzt euch doch und lasst es euch schmecken!" forderte Ululala sie auf. Da die Kinder sehr hungrig waren, liessen sie sich das nicht zweimal sagen und machten sich sogleich über die Speisen her. Es war einfach köstlich! Fasziniert sahen sie sich immer wieder in diesem einzigartigen Raum um. Einige der Wände waren, wie der Boden der Eingangshalle mit bunten Mosaiken und Fresken verziert. Die ganze Einrichtung schien eine Mischung orientalischer, griechischer und römischer Einflüssen zu sein. Doch jeder Raum in Ululalas Schloss war wieder anders, das stellten die Geschwister später fest.
Pia beobachtete verstohlen die andern Leute am Tisch. Vor allem dieser Lehrling Hungoloz weckte wie gesagt, ihr Interesse. Er schien etwas älter als sie zu sein, und war wirklich ausserordentlich gutaussehend, denn in seinen seltsamen, goldenen Augen schienen stets Sterne zu tanzen. Pia musste sich bemühen, ihn nicht zu sehr anzustarren, denn auch sie schien offensichtlich sein Interesse geweckt zu haben. Bestimmt war es bei ihr auch die Faszination für das Unbekannte. Es war überhaupt spannend, so viele verschiedene Wesen anzutreffen.
Schliesslich war das Essen fertig und alle Bäuche bis zum Platzen voll. „So meine Lieben,“ sprach Ululala. „Wie war eure Reise?“ „Oh ganz gut. Abgesehen von jenem Vorfall in der Tropfsteinhöhle,“ erwiderte Lumniuz. „Was für ein Vorfall?“ fragte der Magier, hellhörig geworden. Lumniuz erzählte es ihm. Die Stirn von Ululala legte sich in Falten. „Da muss Malek seine Hände im Spiel gehabt haben.“ „Malek?“ fragte Benjamin erstaunt. „Aber er weiss doch gar nicht genau wo wir uns aufhalten. „Gewisse Flüche können jegliche Distanzen überwinden...“ Diese Aussicht erschien den Kindern ziemlich unangenehm. „Aber dann erreicht er uns ja überall und irgendwann tötet er uns vielleicht!“ „So lange ihr hier seid sicher nicht. Ein besonderer Schutzzauber liegt über dem Kristallreich.“ „Dann sind wir ja beruhigt,“ erwiderte der Junge. „Ach ja übrigens,“ mischte sich wieder Lumniuz ins Gespräch, unter anderem um etwas von dem unangenehmen Gespräch abzulenken. „Ihr solltet Ululala mal einen Blick in euren Korb werfen lassen!“ Die Jugendlichen liessen sich das nicht zweimal sagen. Vielleicht würde ihnen der Zauberer ja etwas ihre Verantwortung für Nofrete abnehmen.
Ulualala schaute nachdenklich auf das Kaninchen herab. Dieses schien auf einmal aufgeregt zu werden. Der Magier musterte das Tierchen eingehend und seine Augen weiteten sich. „Bei allen guten Geistern!“ rief er aus „Nofrete! Du bist es wirklich!“
„Wir haben sie von einer seltsamen Frau im Wald bekommen,“ sprachen die Geschwister. „Sie sagte, wir sollen sie hüten wie ein Augapfel. Wir haben unser Bestes getan. Vielleicht kannst du mehr für sie tun. „Oh ja ich kann wahrlich etwas für sie tun! Es ist grossartig, dass ihr sie bis hierher mitgebracht habt. Ich muss mich jetzt sofort um sie kümmern! Lasst ihr euch nur von Hungoloz eure Gemächer zeigen. Wie sehen uns Morgen. Schlaft gut!“ Dann hastete er davon. Die Zurückgebliebenen sahen ihm etwas ratlos nach, dann fragte Pia: „Meint ihr er kann Nofrete evtl. zurückverwandeln?“ „Vermutlich schon,“ gab Lumniuz zurück. „Er hat grosse Macht. Gehen wir erst mal schlafen und schauen was sich bis Morgen tut.“
Ich zeig euch also eure Gemächer,“ meinte Hungoloz und lächelte Pia etwas verlegen an. Dann erhob er sich und die drei Gäste folgten ihm.