Schwer atmend hältst du dich aufrecht. Jeder Atemzug scheint Feuer durch deinen Körper zu jagen, doch du ignorierst die Wunde und hebst die Hände noch ein Stück, um den Schutzschild aufrecht zu erhalten.
Da dehnt sich das goldene Licht mit einem Mal aus und hüllt auch dich ein. Ein warmes Prickeln überrollt dich und die Schmerzen schwinden.
Entschlossen richtest du den Blick auf die Sonnenfresser, als ihre Flut sich plötzlich lichtet. Restlos haben sie sich in deinen Schild gestürzt, kein einziger ist geblieben.
Du atmest auf und sinkst in den Schnee. Sofort sucht deine Hand nach der Wunde, doch diese ist fort!
Ungläubig siehst du dich um. Keine Spur der Verletzung ist geblieben. Selbst das Blut ist fort! Hast du etwa geträumt?
Die Nebelziege tritt an deine Seite. „Ein weiteres Jahr sind die Sonnenfresser fort.“
„Ein Jahr? Aber … sie sind tot! Vernichtet!“ Fragend siehst du die Göttin an.
„Woraus, denkst du, bestand der Schild?“
„Aus … deiner Macht?“
Die Nebelziege nickt. „Und die Dämonen sind hineingeglitten.“
Du runzelst die Stirn. „Also … sind sie nicht tot, sondern ein Teil des Schildes?“
„Sie sind ein Teil von mir“, bestätigt die Nebelziege sanft. „Und nun sind sie hier und können deine Welt nicht betreten und dort weder Unheil noch Krankheit bringen. Bis sie zur Zeit der Dunkelheit erneut entkommen. Und dann jagen sie mich, und ich jage sie, bis der Kampf für ein weiteres Jahr entschieden ist.“
Sprachlos siehst du die Ziege an.
„Du hast ein wahrhaft gutes Herz“, sagt sie dann. „Das war es, was deine Wunde heilte. Danach wolltest du doch fragen, nicht wahr?“
Du nickst. „Dann war es kein Traum?“
„Träume? Was sind Träume schon anderes als Reisen zu fernen Welten, an andere Orte, die dicht neben der Wirklichkeit liegen – so wie dieser?“
Was sollst du auf diese Antwort nur erwidern?
Die Nebelziege kniet sich neben dich. „Steig auf, mein Kind.“
Zögerlich befolgst du den Befehl und kletterst auf den weißen Pelz der Nebelziege. Arto springt hinter dich. Im nächsten Moment macht der große Moschusochse bereits einen Satz vom Gipfel des Berges herab.
Du willst schreien, aber vor Entsetzen bleibt dir jeder Laut in der Kehle stecken. Dann allerdings merkst du, dass die Nebelziege durch die Luft rennt wie über ein Schneefeld, direkt über den Wolken, als wären diese fester Boden. Wind fährt dir ins Haar und du klammerst dich an den Pelz.
Schließlich färbt sich der Himmel rot. Mit einem Satz taucht die Nebelziege in die Wolken ein und rennt dann durch den Himmel herunter zu einem breiten Tal, das dir vertraut vorkommt, als du ein Dorf erblickst. Das ist Pakkülä! Die Nebelziege hat dich nach Hause gebracht.
„Danke.“ Du gleitest vom Rücken der großen Ziege.
Die Göttin neigt den Kopf. „Lebewohl, mein Kind.“
Damit verschwimmt ihre Gestalt in dichten Nebel, der sich über das Schneefeld vor dir und Arto ausbreitet.
Du wendest dich dem Dorf zu. Goldenes Licht strahlt aus den Fenstern der Hütten, als du dem Weg hinein folgst. Nur dein Haus ist dunkel.
Du öffnest die Tür und trittst ein. Im Eingang stolperst du über etwas. Als du dich darüberbeugst, erkennst du, dass es ein kleines Paket ist. Daneben befindet sich ein Teller mit Nüssen, süßem Brot mit Rosinen und etwas Zuckerwerk.
Die Gaben zum Winterfest! Offenbar ist es heute so weit. Deine Freunde haben an dich gedacht, obwohl sie nicht wissen konnten, ob du überhaupt zurückkehren würdest. Immerhin warst du tagelang unterwegs.
Du nimmst das Geschenk und das Essen auf und stellst eine Kerze in das Fenster deiner Hütte. Arto rollt sich auf der Veranda vor dem Haus zusammen, doch lange muss er nicht warten. Du hast nur schnell die Sachen zusammengesucht, die du bereits vor deinem Aufbruch vorbereitet hattest. Du wirst deinen Freunden einen Besuch abstatten müssen! Du kannst ihnen zwar nicht erklären, wo du gewesen bist, denn niemand würde dir glauben. Aber du kannst ihnen immerhin sagen, dass du zurück bist und sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchen.
Und dann ein wunderbares Winterfest verbringen.
⁂ ENDE ⁂
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Das ist natürlich kein Zwang und du solltest das nur tun, wenn du gerade etwas entbehren kannst.
So oder so bedanke ich mich vielmals für's Lesen!