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Schottland ist berühmt für seine weitläufigen Landschaften, herrlichen Seen und abgelegenen Schlösser. Wenn man alles drei zusammen finden will, ist es lediglich notwendig, Urquhart Castle aufzusuchen. Die inspirierende Ruine am Loch Ness sieht aus, als würde sie unmerklich in die tintenblauen Tiefen des weltberühmten Sees hinabgleiten.
Das etwa 800 Jahre alte Urquhart Castle liegt an den Ufern des Loch Ness, etwas mehr als 20 Kilometer von Inverness entfernt, auf einer Landzunge in der Nähe von Drumnadrochit und gewährt atemberaubende Ausblicke auf den See. Der Standort wurde wegen der vorteilhaften Lage, der einen kompletten Blick über den Loch Ness gewährt, gewählt. Dieser ermöglichte es nämlich, Alarm zu schlagen, wenn die Burg angegriffen wurde.
Die geschichtsträchtige Anlage stand immer im Mittelpunkt der 500 Jahre andauernden Kämpfe um die schottische Unabhängigkeit. Unter der Kontrolle von Robert the Bruce, dem König der Schotten, war Urquhart in den 1300er Jahren ständig von einer Invasion durch England bedroht.
Die beste Verteidigung von Urquhart Castle bestand in einer Zugbrücke und einem Graben. Dennoch wurde Glen Urquhart immer wieder von den Lords of Islay, die dem Clan MacDonald angehörten, überfallen. Wechselnde Loyalitäten führten dazu, dass die Besitzverhältnisse Urquharts im Mittelalter mehrmals zwischen den Engländern und den Schotten hin und her gingen.
Die stürmische Geschichte der Burg endete erst, als ihr Torhaus während des ersten Jakobitenaufstands am Ende des 17. Jahrhundert gesprengt wurde. Der Grant Tower ist heute das Wahrzeichen und weithin zu sehen.
Das heutige Urquhart Castle wurde im 13. Jahrhundert erbaut, ist aber auf den Überresten wesentlich älterer Gebäude hochgezogen worden, die bis in die 500er Jahre zurückreichen. Radiokohlenstoffdatierungen haben ans Licht gebracht, dass an der Südwestseite des Geländes zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert ein riesiges Fort stand.
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mögliches Aussehen der Burg vor ihrer Zerstörung
Die Geschichte von Urquhart Castle begann, als Alexander II. die Festung im 13. Jahrhundert Thomas de Lundin überließ. Das derzeitige Gemäuer wurde von seinem Sohn Alan Durwin erbaut und war auf einer traditionellen Motte (1) errichtet worden. Nachdem die Burg den Besitzer gewechselt hatte, fiel Edward I. von England ein und belagerte sie im Jahr 1296. Dieses monumentale Ereignis markierte den Beginn der schottischen Unabhängigkeitskriege.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts ging Urquhart Castle an die Familie Comyn über, die auf der Seite der Engländer stand und gegen Robert the Bruce intervenierte.
Im Jahr 1306 zog Bruce durch das Great Glen. Dabei eroberte Inverlochy Castle, Urquhart Castle sowie die Stadt Inverness.
Nachdem es ihm gelungen war, die Comyns vollständig zu erniedrigen, wurde Urquhart zur königlichen Anlage und von einer Reihe von Wächtern für die Krone gehalten.
Im Jahr 1333 wurden die Schotten in der Schlacht von Halidon Hill von englischen Truppen besiegt. Zu dieser Zeit war Urquhart Castle eine von nur fünf Festungen, die von schottischen Streitkräften gehalten wurden, König David II. entschied sich im Sommer 1342, zu bleiben.
Die schottischen Unabhängigkeitskriege endeten im Jahr 1357, doch die dramatische Geschichte von Urquhart Castle war damit noch lange nicht zu Ende.
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alte Postkarte von Urquhart Castle
In den folgenden zweihundert Jahren wurde Urquhart Castle immer wieder von den MacDonalds, Lord of the Isles, überfallen. Diese mächtige Familie hatte in der Vergangenheit die Grafschaft Ross innegehabt und regierte ein halb unabhängiges Königreich in Westschottland.
Um 1395 wurde die Burg von Donald, Lord of the Isles, der Krone entrissen. Nach der Schlacht von Harlaw im Jahr 1411 wurde sie zwar zurückerobert, doch die Kämpfe endeten damit nicht. Donalds Sohn startete mehrere Angriffe, die jedoch wenig erfolgversprechend endeten. Dennoch übernahmen die MacDonalds unter John of Islay, dem Burg und Ländereien auf Lebenszeit zugesprochen wurden, 1452 erneut die Kontrolle. Als John jedoch ein Bündnis mit Edward IV. von England einging, entzog ihm James III. sämtliche Titel und Urquhart Castle ebenfalls.
Ab 1500 übernahm Sir Duncan Grant of Freuchie die Verwaltung der Burg. In dessen Händen befand sie sich bis 1512, als sich das Blatt nach der Niederlage gegen England in der Schlacht von Flodden Field wendete.
In einem Versuch, die Lordschaft der Inseln zurückzuerobern, besetzte Sir Donald MacDonald Urquhart Castle. Obwohl die Burg von den Grants zurückerobert werden konnte, war sie bereits durch die MacDonalds geplündert worden. Infolgedessen verbündeten sich die Grants im Jahr 1544 mit der Familie Huntly und dem Clan Fraser gegen die MacDonalds von Clanranald. Nach der Schlacht der Hemden eroberten die MacDonalds und ihre Verbündeten Urquhart zurück und plünderten sie ein weiteres Mal.
Um sich vor künftigen Überfällen der MacDonalds zu schützen, verbesserten die Grants die Verteidigungsanlagen, lebten aber ab 1600 nur noch selten dort. Im Jahr 1644 drang ein Mob in Urquhart ein und raubte Lady Mary Grant aus, woraufhin die Grants mit dem Großteil ihres Besitzes auszogen.
Der letzte Übergriff auf Urquhart Castle fand 1688 während der Glorreichen Revolution statt, als der katholische König James VII./II. zugunsten von Wilhelm von Oranien abgesetzt wurde. Ludovic Grant besetzte die Festung mit 200 Soldaten. Demgegenüber stand eine Truppe von 500 Männern unter James VII./II. Als die jakobitische Hauptstreitmacht bei Cromdale besiegt wurde, verließen Grants Männer Urquhart. Vor ihrem Weggang sprengten sie das Torhaus in die Luft. Damit wollten sie verhindern, dass die Jakobiten das Gebäude besetzen konnten. In der Folgezeit wurden nach und nach unzählige Steine für den Bau nahegelegener Gebäude verwendet, 1715 zerstörte ein Sturm einen Teil des Grant Tower.
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Grant Tower
Heute ist Urquhart Castle eine romantische Ruine, zu der neben dem Grant Tower auch die Überreste eines trockenen Grabens, der an seiner breitesten Stelle dreißig Meter misst, gehören.
Im Besucherzentrum kann man einige der Artefakte besichtigen, die auf dem Gelände gefunden wurden, darunter eine Bronzekanne aus dem 15. Jahrhundert, Münzen, Schmuck, Kreuze und andere Gegenstände aus der Zeit von 1300 bis 1700. Darüber hinaus sollte es der Besucher nicht versäumen, die Trebuchet (2) in Originalgröße in der Nähe der Ruinen von Urquhart Castle sowie die düstere Gefängniszelle, in der der gälische Barde Dòmhnall Donn gefangen gehalten worden sein soll, aufzusuchen.
Ihr könnt alles, was es auf Urquhart Castle zu sehen gibt, in ein paar Stunden besichtigen. Wenn ihr besonders geduldig sind, gelingt es euch eventuell sogar, einen Blick auf das Ungeheuer von Loch Ness erhaschen.
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Trebuchet am Urquhart Castle
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(1) Motten, auch Turmhügelburgen, wurden im 11. und 12. Jahrhundert errichtet. Bei ihnen handelte es sich um meist runde oder ovale Niederungsburgen, die mit einem oder mehreren Palisadenzäunen und sehr oft mit zusätzlichen Wassergräben gesichert waren.
(2) Trebuchets waren Belagerungsmaschinen mit Gegengewicht, die im Mittelalter gegen Burgen eingesetzt wurden. Im Prinzip handelte es sich bei ihnen um einen unkomplizierten Hebel. Ein Balken drehte sich um eine waagrechte Achse, die ihn in einen kurzen Kraft- und einen langen Lastarm unterteilte. Der längere Arm trug an seinem Ende einen Korb oder eine Schlinge für das Geschoß, am kürzeren hingen Zugseile oder ein Gegengewicht.