Es gab nur wenige, die bereits jetzt in Gruppen standen und sich leise unterhielten.
Eine junge Frau, die etwas abseits stand, erregte sofort Sezunas Aufmerksamkeit.
Sie hatte große, hellblaue und verträumt wirkende Augen und ihre Haare waren auf der Seite kürzer. Allerdings fielen sie in einem Zopf über ihre Schulter. Sie hatten ein ähnlich auffälliges Rot, wie die Haare von Sezuna.
Kaden, der ihrem Blick gefolgt war, verzog seine Mundwinkel zu einem Grinsen.
„Seit wann nehmen sie denn Grundschüler an Universitäten an?“, fragte er und legte den Kopf schief, als er das Mädchen ebenfalls genauer musterte.
Auch wenn sie noch kleiner als Sezuna war, was an sich schon ein Kunststück für sich war, so hatte ihr kindlich wirkender Körper doch viele weibliche Attribute die sie als Frau auszeichneten.
Auch ihre Kleidung wirkte als würde sie diese in einem Brautmodengeschäft kaufen, viel bunte Farbe in Form eines Blümchenmusters mit Spitzen an den Enden. „Vielleicht sollte ich sie begrüßen gehen“, fügte Kaden hinzu, während sich sein Grinsen in ein arrogantes Lächeln verwandelte und er zum Gehen ansezte.
Doch bevor er einen zweiten Schritt machen konnte wurde er auch schon wieder von Orion an seinem Kragen zurückgezogen, wie schon so oft.
„Denk nicht mal dran“, sagte er mit tiefer Stimme ohne Kaden auch nur anzusehen.
„Lass ihn doch“, meinte schließlich Sezuna gelassen. „Kontakte knüpfen müssen wir sowieso und jeder Kontakt könnte uns später nützlich sein“, fügte sie hinzu und schien das Ganze doch recht gelassen zu nehmen.
Immerhin war es Kadens Art. Sollte er ruhig ein wenig flirten.
Orion sah Sezuna ein wenig verwirrt an, bis er doch endlich Kadens Kragen losließ. Dieser rappelte sich ein wenig zusammen und machte seine ersten Schritte.
„Als würde ich eure Erlaubnis brauchen“, murmelte er ein wenig beleidigt und ging geradewegs auf das Mädchen zu.
Orion, der immer noch zu Sezuna schielte, war überrascht. Er war sich ziemlich sicher gewesen, dass zwischen den beiden Vampiren mehr war, als nur Freundschaft, auch wenn beide das Gegenteil behaupteten.
Doch scheinbar schien es wirklich nicht mehr zu sein, als eine zerbrochene Freundschaft, die sie sich weigerten wiederaufzubauen.
Er schluckte kaum merklich und presste die Kiefer aufeinander.
Eigentlich ging es ihn ja auch gar nichts an. Solange nichts davon den Auftrag gefährden würde, war es nicht sein Problem, was genau sich zwischen den beiden gespielt hatte.
„Mach dir Freunde, statt Feinde. Du weißt nie wann du sie mal brauchen kannst“, widerholte Sezuna noch einmal und zwinkerte Orion zu, ehe auch sie auf eine junge Frau zu lief, die ihre braunen Haare zu einem kurzen Pixiecut trug.
Ihre schokoladenbraunen Augen suchten ebenfalls die Umgebung ein wenig unsicher ab.
„Hallo“, grüßte Sezuna und lächelte freundlich.
Die junge Frau musterte sie kurz skeptisch. „Hallo“, erwiderte sie und konnte sich ein: „Schickes Kleid“, einfach nicht verkneifen. Dabei zeigte ihre Stimme jedoch, dass sie es ernst meinte und nicht ansatzweise provozierend, oder herablassend war.
Wiederholt richtete die brünette Frau ihre Tasche auf ihrer Schulter und drehte sich mehrmals um. Doch konnte irgendwann nicht anders als Sezuna in die Augen zu starren.
Das intensive, schon unnatürliche Gold, in den Augen der Vampirin schien sie förmlich zu hypnotisieren.
„Trägst du Kontaktlinsen? Die Farbe ist der Wahnsinn“, gab sie nicht gerade schüchtern von sich und kniff ihre schokobraunen Augen ein wenig zusammen, um Sezunas besser betrachten zu können.
Diese lächelte fröhlich. „Ja ne? Ich hab sie, genau wie das Kleid aus einem Laden bei mir zuhause. Die waren allerdings nicht gerade billig“, erklärte die Rothaarige begeistert, als würde sie es ernst meinen. Und ganz falsch war es auch nicht.
Das Kleid war immerhin aus einem Laden bei ihr zuhause und nicht billig. Nur, dass ihr zuhause wo anderes lag, als sie später wahrscheinlich sagen würde.
Natürlich hätte sie auch einfach die Wahrheit sagen können. Sie glaubte nicht, dass ihr jemand das glauben würde.
„Sieht auch sehr hochwertig aus. Die scheinen ja förmlich zu glänzen“, langsam wich sie wieder ein Stück zurück, bis sie gerade und normal vor ihr stand und ihr eine Hand entgegen reichte.
„Ich bin Alexa. Bist du in deinem ersten Semester?“, fragte Alexa und richtete abermals ihre Umhängetasche.
Sezuna strich sich mit der linken Hand eine ihrer roten Strähnen zurück, ehe sie Alexa anlächelte.
„Ja. Ich heiße Sezuna“, erklärte sie fröhlich und schüttelte die Hand der Braunhaarigen.
Das war bei ihr zuhause zwar nicht üblich, aber sie hatte über diese Geste einiges gelesen.
„Welches Studium?“, fragte Alexa fröhlich. Sie schien mehr als erleichtert zu sein jemanden getroffen zu haben mit dem sie sich unterhalten konnte. Gerade als Sezuna antworten wollte, erblickte sie Kaden hinter Alexa der Sezuna mehrere undeutbare Handzeichen zuwarf.
Sezuna verdrehte die Augen und machte so Alexa darauf aufmerksam, dass etwas hinter ihr abging, von dem sie nichts wusste.
Als sie sich herum drehte, blickte sie zu Kaden, der ihr ein charmantes Lächeln zu warf.
„Das ist Kaden“, brummte Sezuna und machte eine scheuchende Handbewegung. „Geh wieder zu deiner anderen Freundin und lass mich in Ruhe reden“, gab Sezuna ein wenig verärgert von sich. Warum musste sich Kaden auch immer dazwischen drängeln?
„Was? Welche andere Freundin? Keine Ahnung wovon du da sprichst“, entgegnete er und drängte Sezuna ein Stück zur Seite um Alexa gegenüber zu treten. „Sezuna schämt sich für mich“, flüsterte er der Brünetten zu, obwohl ihm sehr wohl bewusst war, dass die Rothaarige jedes einzelne Wort hören konnte.
Sezuna verdrehte erneut die Augen. „Hör auf Alexa anzubaggern. Du hast doch da drüben gerade noch mit einer anderen geflirtet“, sagte sie und deutete auf die junge Frau, die noch vor ein paar Minuten Kadens Aufmerksamkeit genießen durfte.
Verbissen formte er seine Zähne zu einem zwingenden Lächeln.
„Ich will nicht drüber reden!“, presste er so leise wie möglich hervor. Und drückte schnell Sezunas Arm runter der auf ein Mädchen zeigte, dass sich ihm als Selene vorgestellt hatte. „Ich weiß ja nicht was sich gerade in deinen versauten Gedanken abspielt aber ich und Alexa haben gerade eine vollkommen oberflächliche Unterhaltung“, entgegnete er als wäre er der seriöseste Versicherungsverkäufer den es gab.
Sobald er den Satz beendet hatte wurde er im Vorbeilaufen wieder von Orion am Kragen mitgezogen, weg von Sezuna und Alexa.
Alexa blickte Kaden und Orion ein wenig verwirrt hinterher. „Seltsame Freunde hast du da“, stellte sie fest, was Sezuna ein Lachen entlockte. „Versuch sie nicht ganz so ernst zu nehmen. Kaden kennt sich hier noch nicht so aus“, erklärte sie und hoffte Alexa würde nicht nachfragen. Irgendwie war ihr Kadens Verhalten peinlich und gleichzeitig sehnte sich ein Teil von ihr nach mehr Aufmerksamkeit von dem blonden Vampir. Doch dieses Gefühl versuchte sie schnell zu verdrängen.
Alexa entfuhr ein Lachen und sie machte eine abwertende Handbewegung.
„Mach dir keinen Kopf. Ich weiß selbst wie unangenehm Freunde manchmal werden können. Oft sind sie wie Eltern die einen blamieren wollen.“
Alexa zuckte unbekümmert mit den Schultern, als kannte sie die Situation mit Sezuna und Kaden von irgendwo her.
Flüchtig schielte sie auf die Uhr an ihrem linken Handgelenk.
„Ja, das stimmt wohl“, meinte Sezuna, die ihren Blick bemerkt hatte. Nur war sie sich nicht sicher, ob sie danach fragen sollte.
Vielleicht schaute Alexa auch nur auf die Uhr, weil der Dozent, oder wer auch immer sie herumführen wollte, schon sehr spät war.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein großgewachsener Mann mit grauem Haar auf, der so aussah, als würde er Streit suchen und stellte sich mit einem angedeuteten Lächeln neben Alexa.
„Tut mir Leid wegen der Verspätung Alex, hier ist heute echt die Hölle los“, begrüßte der Mann die Brünette, ohne Sezuna auch nur zu beachten.
Doch als dieser plötzlich stirnrunzelnd den Blick zu der Vampirin hob, verabschiedete sich sein kaum erkennbares Lächeln binnen Sekunden.
Kaum merkbar zog er Alex näher an sich und wich mit ihr einen Schritt zurück.
„Komm ich zeig dir das Unigelände, dann musst du nicht den anderen hinterher. Professor Summer kommt immer mindestens eine viertel Stunde zu spät“, erklärte er und zog Alexa ein Stück mit sich.
„Warte kurz Edvin, ich muss mich noch verabschieden“, murmelte Alexa, doch der Mann schien das nicht zu hören. Oder wie Sezuna stirnrunzelnd feststellte, eher zu überhören.
Vollkommen verwirrt folgte sie dem Mann mit ihrem Blick. Er wirkte, als würde er einer Bikergang angehören mit der Sonnenbrille und seinem auffälligen Klamottenstil und dennoch schien er Sezuna als fragwürdigen Umgang einzuschätzen.
„Alles ok?“, fragte Orions Stimme die Sezuna hinter ihrem Rücken wahrnahm. Er musste sie beobachtet haben.
„Ich weiß noch nicht“, gab Sezuna von sich und klang nachdenklich. Etwas an diesem Mann störte sie.
Sie zuckte die Schultern und ließ es auf sich beruhen.
„Da kommt der Prof“, erklärte sie an Orion gewandt und deutete auf einen älteren Mann mit Geheimratsecken und grauem Haar. Er würde sie in der Uni offiziell willkommen heißen und herumführen.