Besorgt musterte sie die Rothaarige und überlegte, ob sie ihr vielleicht doch von Kadens Anwesenheit erzählen sollte, entschied sich aber letztlich doch dagegen. Sezuna schien bereits gestresst genug und sie wollte es auch nicht drauf anlegen den Zorn des Vampirs auf sich zu ziehen.
„Soll ich dir ein Bad einlassen oder einen Tee kochen? Ich weiß nicht wann Orion mit Hilfe zurück sein wird“, fragte Lika mit ihrer zarten Stimme und hatte Angst etwas Falsches zu sagen.
„Oh Bad. Schön warm. Das klingt gut“, murmelte die Rothaarige, die noch immer das Gefühl hatte, die Kälte der letzten Tage saß ihr in den Knochen.
Lika hingegen war sich nicht sicher, ob Wärme eine gute Idee war. Aber vielleicht würde ihr etwas Erkältungsbad helfen. Vorsorglich hatte sie sich eine Flasche des Kräuterbades mitgenommen, das sie so liebte.
Möglicherweise würde es ihr auch helfen die Krankheit auszuschwitzen. Mit einem Lächeln nickte sie und machte sich auf den Weg ins Bad, um Wasser einzulassen. Sie hoffte einfach, dass sich der Werwolf nicht zu viel Zeit lassen würde.
Sezuna lag währenddessen auf dem Bett und starrte die Decke an.
Ihr Kopf tat weh, ihr Hals tat weh und ihr Blick verschwamm die ganze Zeit, während sie das Gefühl hatte durch die Nase keine Luft mehr zu bekommen.
Trotzdem konnte sie die Augen nicht schließen. Stattdessen versuchte sie an dem Gefühl festzuhalten, das sie hatte.
Kadens Hände auf ihrem Körper waren so angenehm gewesen und ihr war, als würde sie seinen Geruch noch immer wahrnehmen. Was Quatsch war, da sie sich eindeutig in Orions Zimmer befand.
Das hatte ihr Gehirn ihr gesagt, ohne dass sie wusste, wie sie auf diese Idee kam. Sie konnte immerhin nichts riechen und viel sehen auch nicht. Trotzdem war sie sich sicher.
Sie atmete tief durch bei der Erinnerung an ihren Traum und bereute es schon wieder, da es ihren Hals nur noch mehr zum Schmerzen brachte. Sie nahm gedämpfte Stimmen wahr, doch sie konnte diese nicht zuordnen. Ihr Gehirn und auch ihre Sinne waren wie lahmgelegt.
Sie war gerade am eindösen, als Lika das Zimmer betrat und Sezuna berichtete, dass die Badewanne voll war.
Außerdem sagte sie ihr auch, dass Orion ihr eine SMS geschickt hatte. Er war in der magischen Welt angekommen und würde sich jetzt mit dem WeVa in Verbindung setzen.
Ein kranker Vampir schien nicht gerade auf Freude gestoßen zu sein.
Sezuna, die Lika und ihre Worte zwar zu Kenntnis nahm, reagierte nur damit, dass sie sich langsam aufsetze was sich als fataler Fehler herausstellte. Der Raum begann sich zu drehen und zu Wanken.
Übelkeit stieg in ihr auf und somit krallte sie sich in die Bettdecke aus Angst gleich vom Bett zu fallen.
Lika konnte zusehen, wie Sezuna immer blasser wurde, wenn das überhaupt möglich war.
„Vorsichtig und langsam“, sagte sie und bot an die Rothaarige zu stützen.
Diese nickte und bereute es gleich wieder.
Zum Glück hatte sie nicht viel gegessen, sonst wäre das schon längst wieder hoch gekommen.
Behutsam stütze die Blauhaarige Sezuna, um ihr ins Bad zu helfen. Erleichtert setzte sich die Vampirin auf den geschlossenen Klodeckel, um eine Verschnaufpause einzulegen. Lika sah von ihr zur Wanne und wieder zurück.
„Schaffst du das?“, fragte die Werwölfin vorsichtig, weil sie wissen wollte, ob sie denn Hilfe beim Ausziehen brauchte.
Sezuna nickte und bereute es erneut. Heute schien sie besonderes lernresistent zu sein.
„Ich... Ich denke schon“, murmelte sie und begann mit langsamen, bedachten Bewegungen damit sich zu entkleiden und schließlich erhob sie sich langsam.
Wand und Waschbecken dienten ihr als Stützen und so schaffte sie es irgendwie zur Badewanne. Jetzt musste sie nur noch ins Wasser und das am besten nicht mit dem Kopf zuerst.
Schwer atmend setzte sie sich an den Rand, um ein Bein nach dem anderen ins warme Wasser zu setzen und schließlich langsam, wenn auch etwas holprig, ins Wasser zu gleiten. Mit Bewegungen, die sich anfühlten wie ein Marathonlauf richtete sie sich so hin, dass sie nicht drohte im Wasser zusammenzusacken und zu ertrinken.
Dann schloss sie die Augen und genoss die Wärme.
Sie konnte an der leicht grünlichen Farbe erkennen, dass es wohl ein Kräuterbad war, doch riechen konnte sie noch immer nichts.
Das war schlimm für sie. Bisher hatte sie sich immer auf ihre Nase verlassen können.
Doch nun war sie wie eine Blinde auf der Suche nach ihrer Brille. Ein unausweichlicher Teufelskreis für den es keine Lösung gab. Ein Niesen entwich ihrer Nase was durch ihre ruckartige Bewegung das Wasser in Schwung brachte.
So war es also krank zu sein... wenn sie denn krank war. Sie weigerte sich dem Glauben zu schenken, doch die Beweise schienen erdrückend real.
Vielleicht, gestand sie sich ein, konnten Vampire auf der Erde ja doch krank werden.
Wie hielten andere Rassen das nur aus?
Dieses Pochen in ihrem Kopf brachte sie noch um. Und ihr Körper fühlte sich an wie Wackelpudding!
Hoffentlich brachte Orion bald jemanden vorbei, der ihr helfen konnte. Sie hoffte, jemand konnte ihr helfen. Was wenn nicht? Wenn es keine Heilung gab?
Tränen traten ihr in die Augen, weil sie sich für einige Zeit dieser Vorstellung hingab.
Nein, sie durfte jetzt nicht verzweifeln. Es gab einen Ausweg. Es gab immer einen Ausweg. Und wenn sie diesen selbst finden musste.
Sie würde sich nicht damit zufrieden geben so auf diese erbärmliche Art und Weise ihr Leben zu lassen.
Mit diesen Gedanken schloss sie die Augen und schlief schließlich in der Badewanne ein.
Lika, die einfach nicht still sitzen konnte, lief die ganze Zeit auf und ab und wartete darauf, dass Orion sich noch einmal meldete.
Leider funktionierten die Handys nicht bei ihnen und so war Orions letzte Nachricht der Moment gewesen, als er auf die andere Seite übergewechselt war. Auch wenn die magische Welt ein Telefonnetz besaß, unterschied es sich doch stark von dem der Erde und Handys funktionierten nicht übergreifend.
Es konnte also sehr lange dauern, bis er wieder zurück war und Neuigkeiten für sie hatte.
Eine Weile beobachtete Lika Sezuna durch den Türschlitz und hoffte die Lage war nicht allzu schlimm. In dem Moment in dem sich die Tür aufschloss zuckte Lika zusammen und fuhr herum. Orion kam herein gemeinsam mit einer Frau mit kurzem, wasserstoffblondem Haar. Am Geruch der Frau erkannte sie diese als Vampirin, was vermutlich ganz gut war, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem Patienten auch um eine Vampirin handelte.
Die Frau grüßte Lika mit einem Nicken und die Blauhaarige deutete auf das Bad. „Sie badet gerade. Ich dachte es könnte ihr gut tun“, meinte sie zögerlich.
Die Frau nickte und trat nach einem kurzen Klopfen ein.
Sezuna, die mittlerweile tief und fest schlief, bemerkte davon nichts.
Lika trat hinter die Frau ins Badezimmer und hoffte irgendwie behilflich sein zu können.
„Ich heiße Iren. Und bin Ärztin beim WeVa. Es gibt immer mal wieder Ärger mit Vampiren und Werwölfen auf der Erde, daher kenne ich sowas. Allerdings nicht so schlimm“, stellte sich die Frau vor. „Ich werde ihr Blut abnehmen und dann sehen wir weiter.“
Lika nickte, auch wenn sie nicht ganz mitkam mit dem, was die Frau von sich gab. Ihre Sorge und Angst um die Vampirin lenkte sie zu sehr ab. Orion, der sich ins Wohnzimmer gesetzt hatte, um Sezuna nicht zu nahe zu treten hörte jedes Wort mit an.
„Wird sie ihrem Auftrag wieder nachgehen können?“, fragte er in normaler Lautstärke, da er wusste, dass die Frau ihn trotzdem hören konnte.
„Ich kann erst nach einer genauen Untersuchung sagen, ob bleibende Schäden entstanden sind, oder wie lange sie zur Genesung braucht“, erklärte Iren, die dabei war Sezuna Blut abzunehmen.
Als sie die Spritze entfernte, leckte sie den Rest ab und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Sollte sie es nicht können, wird ihnen Ersatz geschickt. Allerdings wäre das ein herber Verlust. Es gibt nur ganz wenige Wesen mit Sezunas Fähigkeiten. Wahrscheinlich wird es länger dauern Ersatz zu finden, als auf ihre Genesung zu warten, oder ihr Auftrag dauern“, erklärte sie weiter.
Schließlich runzelte sie die Stirn. „Ich sage das nur ungern, aber wir werden sie mitnehmen müssen. Sie muss zurück in unsere Welt, bevor sie ihr Gehirn beschädigt. Vampire können Fieber zwar länger standhalten als Menschen, doch es könnte irreparable Schäden verursachen.“
Lika schloss die Augen und hoffte, dass Sezuna wieder gesund wurde.
„Sie verträgt die Erde nicht. Der kalte Regen, den sie in ihrem Bericht erwähnt haben, hat die Sache zwar begünstigt, ist aber nicht schuld daran. Es wäre so oder so passiert. Bevor sie losgezogen sind, hätte sie die Tabletten mitnehmen sollen, die ihr angeboten wurden. Eine Versicherung für den Notfall, der nicht hätte eintreten sollen.“
Orion schluckte schwer und rieb sich die Nasenwurzel.
Wieso hatte Sezuna die Tabletten nicht von Anfang an mitgenommen? Sie schien doch immer so wohl durchdacht und vorsorglich zu sein, so etwas Leichtsinniges sah ihr überhaupt nicht ähnliches.
Seufzend lehnte sich Orion nach vorne und vergrub seine Hände in seinen dichten braunen Haaren.
Schließlich beendete die Ärztin ihre Untersuchung und Sezuna schlief die ganze Zeit durch.
„Wie gesagt, wir werden sie nach Hause bringen müssen. Ich kann noch nicht sagen, ob sie wieder zum Einsatz zugelassen werden kann. Wir müssen schauen, ob wir für sie ein paar Tabletten herstellen können, die ihre Fähigkeiten nicht verringern“, erklärte die Ärztin und Lika blickte sie fragend an.
„Was heißt das?“, wollte die Blauhaarige wissen.
Iren blickte sie nachdenklich an. „Sezuna ist ein magisches Archiv und ihre Fähigkeit steckt stark im Gehirn. Die Tabletten, die Vampire nutzen, um auf der Erde besser zurecht zu kommen, hatten Auswirkungen auf ihre Fähigkeiten. Damit hätte sie nur ein kleines Potential nutzen können und wäre nicht so hilfreich gewesen, deshalb hat sie die Tabletten wohl auch nicht genommen, obwohl sie diese dabei hat. Denke ich zumindest. Genaueres können wir erst sagen, wenn wir sie im Krankenhaus untersucht haben. Ich werde mich sofort um den Abtransport kümmern“, nun blickte sie zu Lika. „Würdest du sie transportfertig machen?“
Die Blauhaarige nickte traurig und tat sich schwer den Blick von Sezuna abzuwenden.
Dennoch zwang sie sich dazu in die dunkelroten Augen der Frau zu blicken, um nicht unhöflich zu sein.
„Ich werde mich darum kümmern. Sorgen sie nur dafür, dass sie wieder gesund wird“, antwortete Lika unerwartet entschlossen.
Die Frau packt ihre Sachen zusammen und verließ Augenblicklich die Wohnung um alles vorzubereiten. Lika sah hilfesuchend zu Orion. Ihre Angst schien deutlich zu sein und sie bat Orion ihr einen Weg zu weisen an dem sie sich festhalten konnte.
Er stand auf um Lika an den Schultern zu packen und sie anzusehen.
„Bleib ganz ruhig. Du gehst Sezuna fertig machen und ich sage Havok das Sezuna die nächste Zeit fort sein wird. Alles wird gut, okay?“, erklärte er langsam, um sie zu beruhigen und ihr einen klaren Kopf zu geben.
Lika nickte, wenn auch nicht ganz überzeugt. „Denkst du, sie kommt wieder?“, fragte sie und ihr war anzuhören, dass sie Angst hatte, dass Sezuna es vielleicht doch nicht schaffte.
Obwohl die vampirische Ärztin nicht sonderlich besorgt schien.
„Ganz bestimmt“, versicherte Orion ihr, obwohl er sich eingestehen musste, dass er sich selbst nicht ganz sicher war. Er versuchte für Lika zu lächeln, damit diese sich keine Sorgen machte, doch sie kannte ihn lange genug, um zu wissen wann ein Lächeln echt und wann es erzwungen war.
Bevor sie jedoch weiter darauf eingehen konnte, verabschiedete sich Orion und verließ die Wohnung um sie mit Sezuna alleine zu lassen.
Lika seufzte schwer und begab sich dann ins Bad, um Sezuna zu wecken und für den Transport fertig zu machen.