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[Inhalt: Trautman hatte einen Sohn auf der Nautilus. Doch selbst Kapitän Nemo verschwieg er, warum dieser das Schiff plötzlich verlassen hat.]
Der verlorene Sohn
„Nicht schon wieder“, murmelte Trautman, als das Licht im Salon flackerte. Er seufzte tief und blickte fast schon genervt zu Nemo, der jedoch alles andere als entmutigt erschien. Aber seit der junge Prinz auf der Welt war konnte beinahe nichts dem Kapitän der Nautilus den Tag vermiesen. „Wir haben das Aggregat doch erst gewechselt. Ich verstehe nicht, dass es nun schon wieder ausfällt“, fuhr Trautman fort.
„Ist bestimmt nur ein Kabel, dass nicht richtig angeschlossen ist“, sagte Nemo und trat neben die Wiege, in der sein Sohn friedlich schlief. „Es wird nur eine Sache von fünf Minuten sein und selbst wenn nicht, wir haben noch genug Teile, um es zu reparieren.“
Dakkar stieß ein leises Wimmern aus, aber als Nemo sachte an der Wiege schaukelte schlief er sofort wieder ein. Der kleine Säugling war erschöpft. Die ganze Nacht hatte er geschrien, weil ihn sein erster Zahn, der durchbrechen wollte, gequält hatte. Amrit Singh, Nemos Leibwächter, hatte sich irgendwann des Jungen angenommen, damit dessen Eltern und damit auch sein Kapitän schlafen konnten. Zusammen mit Dakkar hatte er die ganze Nacht kein Auge zugemacht und schlief daher jetzt. Nemo war froh, dass er so eine Crew – nein vielmehr Familie – hatte. Den Leuten auf seinem Schiff konnte er vertrauen und ihnen würde er auch sein Leben oder das seines Sohnes in die Hände geben. Dennoch gab es da jemanden, um den er sich ernsthafte Sorgen machte.
„Dein Wort in Gottes Ohr“, seufzte Trautman mit einem säuerlichen Blick und stand von seinem Posten am Radar auf. „Thomas, übernimm bitte hier für mich.“
Der angesprochene junge Mann blickte von seinem Buch, dass er bisher halbherzig gelesen hatte auf und starrte seinem Vater trotzig entgegen.
„Ich würde euch viel lieber im Maschinenraum helfen!“, stieß er aus. Auf seinem Gesicht machte sich deutlich der Ärger Luft, den er fühlte, aber Trautman blickte ihm völlig ruhig entgegen.
„Nemo und ich schaffen das dort unten allein, aber wir brauchen jemanden hier oben, der aufpasst, dass sich nichts unbemerkt der Nautilus nähert.
„Tzz!“, stieß Thomas genervt aus. „Was soll sich uns hier schon nähern? Wir befinden uns 100 Meter unter der Wasseroberfläche! Sollte ich nicht eher etwas über die Funktionsweise der Nautilus lernen, um euch nützlicher zu sein?“ Er stockte und blickte zu dem zehnjährigen Jungen, der am Tisch über einigen Büchern und eng beschriebenen Seiten hing. „Gundha kann doch auf das Radar aufpassen!“
Trautman sah kurz zu Amrit Singhs Sohn und wechselte dann einen Blick mit Nemo. Was Thomas da auf ihren Gesichtern sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Generell gefiel es ihm nicht, wie der Kapitän ihn anblickte und schon gar nicht, dass er ihn meist außen vor ließ, wenn es um Arbeiten auf der Nautilus ging.
„Gundha hat Hausaufgaben zu machen“, sagte Nemo ruhig, aber Thomas hörte dennoch den Unterton in seiner Stimme. Eine gewisse Ungehaltenheit, die er nicht offen zugeben wollte. Warum sagte der Kapitän ihm nicht einfach, dass er ihn nicht leiden konnte? „Außerdem passt er auf Dakkar auf. Dann bist nur noch du da, der sich um das Radar kümmern kann.“
Schmollend setzte Thomas sich an die Konsole, während Nemo und Trautman sich bei dem jungen Gundha Singh versicherten, dass er sich in ihrer kurzen Abwesenheit um das Baby kümmern konnte. Als sie schließlich den Salon verließen, starrte er ihnen wütend nach. Wenn es nach den beiden ginge, dann würde er hier auf dem Schiff versauern. Thomas verstand sowieso nicht, was Nemo sich davon erhoffte ruhelos durch die Weltmeere zu steuern. Da draußen war eine blühende Welt, der sie mit der Nautilus viele Bereicherungen bringen konnten. Aber dieser Mann behielt lieber alles für sich. Selbst seinen Vater hatte er so sehr auf seine Seite gezogen, dass er alles tun würde um ihn zufrieden zu stellen. Denn Thomas war sich sicher, dass sein Vater ihn schon längst mit in den Maschinenraum genommen hätte. Sicher hatte Nemo etwas dagegen gesagt.
Ein leises Wimmern riss ihn aus seinen Gedanken. Nemos Sohn war erneut aufgewacht und strampelte unruhig in der Wiege.
„Bleib sitzen. Ich geh schon“, sagte Thomas zu dem jungen Singh, der von seinen Aufzeichnungen aufblickte und zu Dakkar eilen wollte. Zögernd sah er Thomas entgegen und ließ den Blick dann über seine Bücher und zum Radar gleiten. „Hier ist alles ruhig. Kannst ruhig weiter lernen.“
Schließlich nickte Gundha, wenn auch zögerlich. Thomas grinste über den Eifer des Jungen ein guter Leibwächter zu sein. Er verstand nicht, was mit diesem Kind los war. Anstatt Spiele zu spielen, verbrachte er seine Stunden lieber mit Studien oder dem Kampftraining seines Vaters. Und noch etwas machte Thomas wütend: Gundha wusste mit seinen zehn Jahren wohl mehr über die Funktionsweise der Nautilus, als er. Dass, obwohl er ganze acht Jahre älter war als der Junge und wohl viele eher als Mechaniker geeignet war.
Seufzend stand er auf und lief zu Dakkars Wiege. Sein Wimmern schlug langsam in ein richtiges Weinen um und Thomas wusste, dass es ein infernalisches Schreien werden würde, wenn er länger wartete. Mit verdrehten Augen dachte er an den Lärm, den dieses Balg veranstalten konnte. Es war einfach nur nervig und trotzdem wurde jeder an Bord weich, wenn sie dieses Kind auch nur anblickten.
„Hey, kein Grund zu meckern“, teilte er dem Baby mit und schaukelte wie Nemo zuvor an der Wiege. Aus großen Augen blickte Dakkar zu ihm auf und verstummte. Er schien nicht genau zu wissen, was er von Thomas halten sollte und musterte ihn wie ein erstarrtes Tier, das hoffte nicht von der Schlange gefressen zu werden. „Das ist schon besser.“
Thomas lächelte, aber es erreichte nicht seine Augen. Er konnte einfach nicht nachfühlen, was alle in diesem Ding sahen. Wenn er ihn ansah fühlte er nichts. Er hatte nicht das Bedürfnis ihn aus seinem Bett zu heben, an sich zu drücken und zu kuscheln. Oder sich gar die Nacht wegen ihm um die Ohren zu schlagen, wie das einige hier taten. Selbst sein Vater nahm schlaflose Nächte in kauf, obwohl er einen eigenen Sohn hatte und sich nicht um einen fremden kümmern brauchte.
Sein Blick fiel auf die Decke, die der kleine Junge in seiner Raserei weg gestrampelt hatte. Kurz überlegte er, sie einfach so zu lassen. Dakkar hielt die Klappe und er konnte sich genauso gut wieder an seine Konsole setzen. Aber er hatte wohl ein paar gute Minuten, daher nahm er sie und zog sie dem Jungen bis zur Brust. Wieder lächelte er, aber es war diesmal verkrampft und seine Hand wollte sich nicht von der Decke lösen. Der Säugling ging ihm unglaublich auf die Nerven. Seit er auf der Welt war, drehte sich alles nur um ihn. Dakkar war der neue Lebensmittelpunkt auf dem Schiff geworden und es machte Thomas beinahe rasend.
Fast ohne sein Zutun bewegte sich seine Hand an der Decke weiter. Zog sie noch weiter nach oben, bis das kleine Gesicht vollständig bedeckt war. Der Junge war überraschend still dabei, wehrte sich nicht, als könne er nicht verstehen, was das über ihm war. Dann trat Thomas von der Wiege weg und setzte sich wieder an seine Konsole.
Plötzlich zerriss Dakkars ohrenbetäubender Schrei die Stille. Gundha ließ vor Schreck den Stift fallen, sprang auf und stürzte zum Bett des Babys. Entsetzt riss er die Decke von Dakkar, der wild strampelte und sich schon darin zu verfangen drohte, holte ihn aus dem Bett und drückte ihn schaukelnd an sich.
„Warum hast du das getan?!“, schrie Gundha Singh Thomas entgegen, der unbeteiligt an seiner Konsole saß. „Was getan?“, fragte der ruhig und drehte sich dabei langsam mit seinem Stuhl zu Gundha.
„Das weißt du ganz genau! Die Decke!“
Thomas lachte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und maß den jungen Sikh analytisch. „Was soll mit der Decke sein, hm?“
„Du hast sie ihm über den Kopf gezogen!“, rief Gundha aufgebracht. „Er hätte sterben können!“ Bei den Worten drückte er den aufgelösten Säugling an sich und versuchte ihn mit Streicheln zu beruhigen. „Ich werde es Nemo sagen!“, drohte er und blitze Thomas wütend an.
Diesmal verschwand der ruhige Gesichtsausdruck auf dem Gesicht von Trautmans Sohn. „Jetzt hör mal! Er hat sie sich wahrscheinlich selbst über das Gesicht gezogen, und du willst mich dafür anschwärzen?“ Bedrohlich richtete er sich vor Gundha auf. „Ich warne dich, überleg dir gut, was du machst! Du willst doch nicht, dass jemand unschuldiges darunter leidet?“ Er packte Singh an der Schulter und blickte ihm eindringlich in die Augen. Thomas war bewusst, dass der Zehnjährige ihn ohne Probleme abwehren und auf den metallenen Boden der Nautilus schicken konnte. Aber er wusste auch, dass das nicht ging solange er Dakkar auf den Armen trug. Ihn würde er nie gefährden. „Ich hab es nicht getan“, setzte er noch einmal ruhiger hinzu.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Trautman von der Tür aus. Sein Blick glitt misstrauisch über die Szenerie und dann zum Radar, dessen Konsole verwaist war. Thomas war seinem Blick gefolgt und zuckte entschuldigend mit den Achseln.
„Dakkar ließ sich schwer beruhigen und ich wollte Gundha helfen. Nicht wahr?“ Die letzten Worte hatte er an den jungen Singh gewandt, der die Lippen fest aufeinander presste und schließlich zögerlich nickte.
Seit diesem Vorfall waren einige Wochen vergangen. Thomas war sich nicht sicher, ob Gundha wirklich seinen Mund gehalten hatte bzw. ob er wirklich davon überzeugt war, dass das Ganze nur ein unglückseliger Zufall war. Aber das Leben auf der Nautilus war noch unerträglicher geworden. Nemo beäugte ihn noch misstrauischer und selbst sein Vater schien öfter ungehalten zu reagieren. Er war sich auch nicht mehr sicher, ob es ein Zufall war, dass er sich nie allein im Kommandobereich aufhielt.
Die Nautilus konnte für eine kurze Zeit problemlos von einem Menschen gesteuert werden und das kam auch öfter vor. Aber jedes mal wen er diese Aufgabe übernehmen wollte, ließen sie stets jemanden bei ihm zurück oder trugen ihm gar etwas anderes auf.
Grummelnd stand Thomas von seinem Bett auf. Würde sie ihn demnächst in seinem Quartier einsperren? War es schon so weit gekommen? Würde sein Vater das zulassen?
„Verdammte Scheiße!“, schrie er und boxte auf den Sack ein, der in der Mitte seiner Kabine hing. Seine Fäuste knallten ohne Erbarmen auf den weichen Widerstand und er stellte sich dabei vor, dass es Nemo war, auf den er einprügelte. Oh, er würde es so gern tun! Diesem Mann sein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht schlagen, bis er windelweich vor ihm lag. Bis er ihn anflehen würde aufzuhören, aber das würde er nicht. Dieser Mann glaubte, dass er etwas besseres war als er. Ein König, der eigentlich ein niemand war und der dachte, sich hier seinen hörigen Hofstaat züchten zu können.
Prasselnd schlugen seine Fäuste immer wieder auf den Sack, bis die Wut so plötzlich verrauchte, wie sie gekommen war. Kraftlos umklammerte er ihn und begann zu schluchzen. Er wollte nicht, dass die anderen ihm misstrauten und er verstand nicht, wieso sie es taten. Selbst sein Vater schien sich immer mehr von ihm abzuwenden!
Thomas ballte die Faust, stieß einen wütenden Schrei aus und schlug ein letztes Mal zu, sodass der Schmerz bis in seine Schulter ging. Dann gewann die Vernunft wieder. Er würde mit seinem Vater sprechen. Ihn fragen, warum ihm keiner Verantwortung geben wollte und er würde es für ihn geradebiegen. Ganz sicher würde sein Vater seine Sorgen verstehen und würde für ihn da sein. Alles was er tun musste, war auf ihn zuzugehen. Ja, das würde er tun. Noch heute. „Du schaffst das“, sprach er sich selbst Mut zu und verließ dann seine Kabine.
Als er die Hand auf die Klinke legte runzelte er die Stirn. Die Knöchel seiner Hand schmerzten und als er darauf blickte erkannte er, dass die Haut aufgesprungen war und blutete. „Na ganz toll“, murmelte er und steuerte den Waschraum auf, um sich die Wunden kalt auszuspülen. Das Wasser linderte den Schmerz, dennoch würde er davon noch einige Tage etwas haben. Jedoch, an seinem Entschluss, mit seinem Vater zu sprechen, hielt er fest und machte sich direkt auf den Weg.
Zwar war es schon recht spät, aber was interessierte einen Vater die Uhrzeit, wenn sein Sohn ein Problem hatte? Entschlossen lief er den Gang hinab und klopfte an. „Scheiße“, entfuhr es ihm, als seine Hände dabei noch mehr schmerzten.
„Thomas“, begrüßte ihn sein Vater mit einem überraschten, wenn auch erfreuten Gesichtsausdruck. „Was ist los? Kann ich dir helfen?“ Thomas räusperte sich. Jetzt, wo sein Vater vor ihm stand war er sich nicht mehr so sicher, ob mit ihm zu reden das Richtige war. Außerdem wollte er wohl gerade schon ins Bett, denn er stand in legerer Schlafkleidung vor ihm und wirkte auch sehr müde. „Was hast du? Komm rein.“
Die Tür öffnete sich vollends vor ihm, während sein Vater zurücktrat, um ihn hereinzulassen. Tief durchatmend tat Thomas den nächsten Schritt und erstarrte. Sein Blick fiel auf die Wiege, die neben dem Bett seines Vaters stand und in der Dakkar tief zu schlafen schien.
„Was kann ich für dich tun?“, fragte sein Vater wieder. Thomas schaffte es nicht ganz seine Aufmerksamkeit von dem Bett zu nehmen, dennoch versuchte er sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren.
„Ich … wollte mit dir sprechen … über ...“
Gerade, als er endlich den Mut gefunden hatte, klopfte es wieder an der Tür seines Vaters. „Warte kurz“, sagte der und öffnete. Es war Amrit Singh, der sie da störte, was Thomas veranlasste ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Der Sikh beachtete ihn jedoch nicht.
„Kannst du mir kurz im Maschinenraum helfen?“, fragte Singh an Trautman gewandt. „Dauert nur fünf Minuten“, fügte er hinzu, als er den schlafenden Dakkar betrachtete. Auf dem sonst so reglosen Gesicht schlich sich sofort ein Lächeln, was Thomas Übelkeit bereitete.
„Kein Problem“, antwortete Trautman pflichtbewusst wie immer und drehte sich zu seinem Sohn. „Wir sprechen gleich. Warte doch hier auf mich.“ Somit würde auch Dakkar nicht allein sein und er konnte sich dann immer noch anhören, was sein Kind auf dem Herzen hatte. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und folgte Amrit Singh auf den Gang hinaus.
Fassungslos starrte Thomas ihm hinterher. Es war schon wieder passiert! Sein Vater hatte ihn stehenlassen, wegen Nemo und seinem verdammten Schiff! Und nun stand er hier – allein. Abgestellt, um auf diese Balg aufzupassen. Was machte der hier überhaupt? Warum schaffte es sein Vater sich um diesen verdammten kleinen Prinzen zu kümmern, aber ein ruhiges Gespräch mit seinem eigenen Sohn war nicht möglich?
Bitter lachend ließ Thomas sich auf die Bettkante sinken und starrte missmutig in die Wiege. „Du glaubst wohl, dass du meinen Platz einnehmen kannst, hm?“ Wütend blickte er das Baby an, dass einfach weiterschlief und sich nicht einen Deut für seine Belange interessierte. „Aber ich sag dir was: Verlass dich nicht drauf, dass er immer für dich da sein wird. Oder dein alter Herr. Glaub mir, sie alle werden dich fallen lassen, wenn du sie am nötigsten brauchst!“
Er vergrub das Gesicht in den Händen, aber er konnte die aufkeimende Wut nicht mehr unterdrücken. Seine Hände ballten sich wieder zu Fäusten und die aufgeplatzte Haut spannte sich schmerzvoll darüber, aber es interessierte ihn nicht. Dann griff er zur Seite und packte das erste, dass in seine Finger fiel. Es war das Kopfkissen seines Vater und er wusste plötzlich ganz genau, was er damit tun wollte.
Wie in Trance stand er auf, nahm das Kissen in beide Hände und drückte es auf die Wiege. Das kleine Bett wurde vollständig davon bedeckt und er wusste ganz genau, dass der kleine Junge nicht mehr atmen können würde. Aber der Gedanke kam ganz stumpf in ihm auf, sodass er das Kissen sogar noch fester hinab drückte.
„Bist du irre geworden?!“, schrie eine Stimme, die er nur im letzten Moment als die seines Vaters erkannte. Dann wurde er zurück gerissen und mit ihm das Kissen, welches er noch immer in den Händen hielt. Die Faust traf sein Gesicht so unvermittelt, dass mehr Überraschung als Schmerzen fühlte. Aber sein Vater war noch nicht fertig mit ihm. Er packte Thomas am Kragen, zog ihn wieder auf die Füße und versetzte ihm eine weiteres Ohrfeige. Schließlich begann er ihn zu schütteln. Trautmans Gesicht war wutverzerrt. „Du hast ihn fast umgebracht! Verdammt! Was ist nur los mit dir?! Was geht in deinem Kopf vor, dass du bereit bist einen Säugling zu töten?“
Auf Trautmans Gesicht stand pures Entsetzen und eine Abscheu, die Thomas erschütterte. Er merkte kaum, wie sein Vater ihn von sich wegstieß und er mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Aber seinen Vater interessierte das nicht mehr. Er hatte sich umgedreht und den kreischenden Dakkar aus der Wiege geholt, den er ohne Unterlass zur Beruhigung liebkoste und schaukelte. Erst jetzt wurde Thomas klar, was er im begriff gewesen war zu tun.
„Es … es … tut mir leid“, stotterte er. „Ich weiß nicht was ...“ Er brach ab und etwas viel wichtigeres schoss ihm durch den Kopf. „Wirst du es Nemo sagen?“ Natürlich würde sein Vater das!
Der blickte betroffen zu seinem Sohn herab und schloss dann voller Schmerz die Augen. „Verdammt Sohn! Er wird dich töten! Wenn ich es ihm sage, wird er dich töten!“ Schon wollte Thomas aufatmen, da holte sein Vater tief Luft und starrte vernichtend zu ihm herab. „Du wirst morgen zu Nemo gehen und du wirst ihm sagen, dass du die Nautilus verlässt.“ Seine Stimme zitterte. „So schnell es nur geht und bis es soweit ist, wirst du deine Kabine nicht verlassen. Hast du mich verstanden?“
„Aber Vater ...“, flehte Thomas unter Tränen. "Wohin ... soll ich denn ...?"
„Nein, hör auf mich so zu nennen!“, fuhr Trautman auf und nun traten auch Tränen in seine Augen. „Ich habe keinen Sohn mehr! Mein Sohn würde nie ein unschuldiges Kind töten! Ich weiß nicht, wer du bist, aber ich will dich nie wiedersehen. Und jetzt geh!“
Es vergingen einige Minuten, in denen keiner in der Lage war etwas zu sagen oder sich gar zu bewegen, dann sah Thomas ein, dass es vorbei war. Innerlich erstarrt stand er auf und tat, was sein Vater gesagt hatte.
Es sollte das letzte mal gewesen sein, dass er etwas tat, was sein Vater verlangte. Als sich die Tür hinter ihm schloss, verschwand der Mann, der sein Vater gewesen war, aus seinem Leben und Tage später tat dies auch die Nautilus. Aber es entstand etwas Neues im ihm. Ein Ziel. Ein Lebensinhalt. Er würde Rache nehmen, an der Person, die ihm alles genommen hatte und er würde nicht ruhen, bis er Dakkars Leben ebenso zerstört hätte.
Ende