[Rating: keine Altersbeschränkung, Sixty Minutes]
[Inhalt: Manche Liebe ist vorherbestimmt. Sie beginnt bereits früh zu wachsen und es reicht eine kleine Berührung aus, um den Funken zu entfachen. ]
Sandkastenliebe
Nervös blickte ich immer wieder zu der kleinen Taschenuhr, die auf meinem Nachtisch lag. Ich musste feststellen, dass seit dem letzten Mal nicht mehr als ein paar Sekunden vergangen waren. Brummend legte ich mich hin, rollte mich zu einer Kugel zusammen und setzte mich dann schließlich ruckartig wieder auf.
Vielleicht sollte ich nachsehen gehen?, dachte ich. Aber bestimmt würden die Erwachsenen dann schimpfen, war mein nächster Gedanke. Es hatte vor sieben Stunden angefangen und mein Vater hatte mich direkt auf meine Kabine geschickt. Warum verstand ich nicht ganz. Es war doch nur ein Baby, das da geboren wurde und ich hätte genauso gut im Salon bleiben können.
Kaum, dass die Wehen eingesetzt hatten, hatte Dr. Mason Nemos Frau in ihre Kabine gebracht und mein sonst so ruhiger Vater rannte kopflos durch die Gegend. Schnell hatte er mich auf mein Zimmer verbannt, um Nemo Bescheid zu sagen und ich nahm an, dass sie jetzt genauso wartend im Salon saßen.
Vielleicht war das Baby aber auch schon da und sie hatten mich vergessen? Ich konnte es kaum erwarten endlich zu erfahren, ob ich der zukünftige Leibwächter für einen Prinzen oder einer Prinzessin war. Was wohl besser wäre?, ging mir durch den Kopf.
Ein Prinz wäre schön, dachte ich. Dann könnten wir zusammen kämpfen üben oder verstecken spielen. Wenn es aber ein Mädchen wäre, müsste ich mir wohl täglich das Gerede über schöne Kleider und Puppen anhören. Nein, darauf hatte ich keine Lust. Dann lieber einen Prinzen!
Aber ab heute würde ich nicht mehr das einzige Kind auf der Nautilus sein. Daher war es mir schließlich egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen war.
Endschlossen sprang ich auf und beschloss der Sache einfach selbst auf den Grund zu gehen. So langsam konnte ich mir gut vorstellen, dass die Erwachsenen mich tatsächlich vergessen hatten und auch ich wollte das neue Crewmitglied – nein, den neuen Angehörigen der königlichen Familie – kennenlernen.
Angestrengt lauschend trat ich auf den Gang hinaus und blickte den Flur hinab, an dessen Ende sich Nemos Kabine befand. Das gesamte Schiff lag still da und selbst das stetige Wummern der Maschinen war nicht zu hören. Wäre ich jetzt im Salon gewesen, hätte ich durch das Aussichtsfenster wohl sehen können, wie die Nautilus still im Meer verharrte. Als würde sie selbst auf den Prinzen warten. Über den Gedanken musste ich lächeln. Vor allem deswegen, weil ich nicht im Geringsten annahm, dass es ein Mädchen sein könnte. Es musste einfach ein Junge sein. Das wäre um einiges lustiger.
Vermutlich hätte mein Vater mich für diese Gedanken getadelt, weil ich nicht als Spielgefährte sondern als Leibwächter und Diener für den Prinzen da sein sollte. Aber spielen war doch auch eine wichtige Aufgabe. Da gab es absolut nichts über das er sich aufregen konnte, wenn ich so meine Pflicht erfüllte. Oder?
Mit gerunzelter Stirn blickte ich die Tür an. Ob ich wohl einfach klopfen sollte? Aber was, wenn sie noch … mittendrin waren. Mein Vater hatte mir erklärt, wo die Babys herkamen und wenn ich ehrlich war, dann wollte ich das nicht sehen. Ich fand das schon ziemlich ekelig. Aber, wenn ich dadurch einen Freund zum Spielen bekam, war es wohl in Ordnung für mich.
Noch immer konnte ich keinen Ton vernehmen, daher legte ich vorsichtig ein Ohr an die Tür. Und fiel im nächsten Moment in den Raum hinein, als Nemo die Tür öffnete.
„Es … t…tut mir … leid!“, stotterte ich, erschrocken auf dem Boden sitzend. Ich erwartete heftigen Ärger zu bekommen, aber Nemo lächelte mich an und zog mich wieder auf die Füße.
„Das braucht es nicht“, sagte er und seine leuchtend braune Augen strahlten dabei. „Willst du der Erste aus der Crew sein, der Hallo zu ihm sagt?“
Jetzt war ich es, der sein fröhliches Lächeln nicht unterdrücken konnte. Es war tatsächlich ein Prinz! Nemo führte mich zu dem großen Bett, in dem seine Frau lag und abwechselnd mich und das Bündel in ihren Armen anlächelte.
„Setz dich ruhig“, sagte sie und klopfte neben sich auf die Bettkante. Ganz Kind kam ich der Aufforderung nach und staunte nicht schlecht, wie klein der Prinz war. Etwas Sorgen machte ich mir ja, ob wir überhaupt zusammen spielen konnten und ich hoffte, er würde schnell groß werden.
Das kleine Bündel gab ein leises Jammern von sich, begann zu zappelnd und wedelte ungelenk mit den Armen in der Luft. Aus großen Augen beobachtete ich ihn dabei und hatte sogar mehrfach das Gefühl, dass er mir direkt in die Augen blickte. Aber womöglich hatte ich mich da auch geirrt.
„Ich glaube, er mag dich“, meinte Nemo lachend. Vor Freude strahlend streckte ich die Hand nach dem kleinen Jungen aus und ich bin mir bis heute sicher, dass das Folgende zum ersten Mal das Band zwischen uns geknüpft hatte.
Seine kleine Hand schoss plötzlich in die Höhe und ergriff meinen Finger so kraftvoll, dass er mir nicht möglich war die Hand wegzuziehen. Aber das wollte ich auch gar nicht, denn mir war klar, dass ich gerne in seiner Nähe war. Für immer, wenn ich konnte.
„Ich mag ihn auch“, sagte ich vor Glück lachend.
ENDE