Dämonenhund
„Heilige Mutter Gottes, beschütze mich!“, flehte ich, obwohl ich alles andere als gläubig war und es überhaupt nicht verdient hatte. Mein ganzes Leben hatte aus Gaunereien bestanden und in den letzten Tagen hatte ich geglaubt, den größten Fang von allen gemacht zu haben. Zuvor dachte ich, des Todes zu sein, jämmerlich ertrinken zu müssen, aber dann tauchte dieses Schiff auf. Mit ihm wäre ich endlich jemand! Ich würde die Welt beherrschen und alle – ja wirklich alle – würden mir zu Füßen liegen!
Wenn nur nicht dieser eitler Schnösel von Prinz mir im Weg gestanden hätte! Erst glaubte er, mich und meine Kameraden einsperren lassen zu können und dann weigerte er sich, mir sein Schiff zu übergeben. Natürlich hatte ich die richtigen Argumente, dass er es mir doch gab. Eine Pistole, ein scharfes Messer und meine Fäuste, mit denen ich sein hübsches Gesicht nur zu gerne bearbeitet hatte.
Ich war so nah dran! Ich hatte es in der Hand, doch dieser miese Bengel hatte mich hinters Licht geführt und mich nur glauben lassen, alles zu haben. Nun stand ich hier: An einen Baum gefesselt, während er mir immer näher kam. Noch nie hatte ich so tiefschwarze Augen gesehen, dass ich es sofort mit der Angst bekam und eine leise Stimme flüsterte mir zu, dass es sich nicht um einen Mann handelte, der auf mich zu kam. Es war ein Dämonenhund, der nur zu gern folterte.
„Es steht dir nicht zu, die Mutter eines anderen anzuflehen, nachdem du die meines Herrn soeben beleidigt hast!“, zischte er, das Messer geschickt in der Hand drehend. Dass er damit umgehen konnte, brauchte er mir gar nicht zeigen, denn noch immer steckte eines von seinen Messern in meiner Schulter. Der Dämonenhund hatte es aus einer Entfernung von mehreren Metern geworfen. Zuerst hatte ich triumphiert, aber schon bald war mir klar, dass er nicht verfehlt hatte. Mein Herz war nie das Ziel gewesen, denn sonst hätte der Dämonenhund nun keine Aufgabe.
Ich schluckte schwer, starrte an dem Mann, der sich mir unaufhaltsam näherte, vorbei und gewahrte seinen Herrn, den jungen Mann, den ich vorhin noch so siegessicher geschlagen hatte. Er grinste mir entgegen! Obwohl sein Gesicht gerötet und hier und dort geschwollen war und sicherlich wehtat, grinste er mich an, wie das berühmte Honigkuchenpferd!
„Lass ihn langsam ausbluten!“, rief er seinem Diener- und Leibwächter – und was wusste ich, was die beiden sonst noch waren – zu. Der drehte sich kurz zu ihm um und erwiderte das Lachen aus voller Kehle.
„Es wird mir eine Ehre sein, mein Herr!“ Damit verbeugte er sich tief und als er den Kopf hob, grinste er noch breiter. „Wollt Ihr etwas als Andenken, Herr? Vielleicht seinen ...“
Nun schoss mir das Blut ins Gesicht. Wenn ich es gekonnt hätte, dann hätte ich nun die Hände vor meinen Intimbereich geschlagen.
„Nein!“, kreischte ich, spitz und in hohem Tonfall.
„Ach nein, wer weiß, wie oft er den gewaschen hat!“, entfuhr es diesem schnöseligen Prinzen. „Nein, meine Sammlung an Körperteilen ist schon voll!“ Damit drehte er sich um, sich vor Lachen den Bauch haltend. Dann waren wir allein auf diesem Strand. Nur ich und der Dämonenhund.
„Also“, sagte er, als er bei mir anlangte, die Spitze des Messers dicht über meinem Gesicht haltend. „An welcher Stelle fange ich an zu schneiden? Glaub mir, ich werde jede Sekunde davon genießen, nachdem du es gewagt hast ihm auch nur ein Haar zu krümmen! Ich denke, dass ich mich zuvor nicht deutlich genug ausgedrückt habe: Jeder, der ohne seine Erlaubnis die Hände an ihn legt, bekommt es mit mir zu tun!“ Damit ließ er eine Pause verstreichen und ließ die Messerspitze so leicht wie eine Feder über mein Gesicht streifen. „Und du hast mehr getan als das. Jeden Kratzer muss ich dir doppelt und dreifach heimzahlen!“
Der Stoff meines Hemdes zerriss, als die Klinge mühelos durch fuhr. Er packte die Fetzen und riss sie mir vom Körper, sodass mein Oberkörper nackt vor ihm war.
„Mike hat gesagt, dass du das hier brauchen wirst!“, hörte ich die Stimme eines Mannes hinter dem Dämonenhund. Wenige Sekunden Aufschub, bevor er mich foltern würde, und das alles nur, wegen dieses eingebildeten Prinzen.
„Danke, Ben!“ Das Grinsen wurde dreckig, als er dem Mann die Blechschachtel abnahm und sie vor uns in den Sand stellte. Sicherlich befanden sich darin weitere Folterinstrumente, die er alle an mir verwenden wollte.
„Oh, und das hier. Er meinte auch, du hättest sicherlich Lust darauf.“ Dem Dämonen eine Flasche hinhaltend zuckte der Mann mit den Schultern und erkundigte sich, ob er noch Hilfe benötigte. Klar, dann würden sie mich zu zweit foltern. Das sah diesem Pack ähnlich.
„Ist es denn wenigstens der billige Rum?“, fragte der Dämonenhund, anschließen nahm er einen kleinen Schluck und verzog angeekelt den Mund. „Gut genug für dich.“ Mir die Flasche harsch an die Lippen pressend, konnte ich nicht anders, außer trinken. So schlecht schmeckte der Rum gar nicht und ich trank so viel ich konnte. Vielleicht bekam ich die Folter dann nicht mit.
„Du bist es es nicht wert!“, seufzte der Dämon und entriss mir die Flasche, nur um mir das Zeug über die Schulter zu kippen.
Ich schrie.
Es brannte wie Sau!
„Jetzt bist du nicht mehr so hart, wie?“, murmelte der Dämonenhund und riss das Messer aus der Schulter, anschließend presste er eine Kompresse gegen die Wunde. „Das ist wirklich Verschwendung, sag ich dir! Ich sollte dich verbluten lassen! Aber mein Herr, der ist nicht so wie du! An seinen Händen klebt kein Blut, auch deines nicht. Deswegen soll ich dich zusammenflicken, obwohl ich ganz genau weiß, wo es weh tut und auch, wo es dauert, bis man stirbt. Aber der Wunsch meines Herrn, ist auch mein Wunsch.“
„Wie?“, machte ich. „Dann … sterbe ich nicht?“
„Ich würde mich nicht zu früh freuen!“, murrte der Dämon. „Vielleicht bekommst du noch eine Infektion.“ Mit den Worten wühlte der mit der freien Hand in der Blechschachtel herum und holte Nadel und Faden hervor. Ohne ein weiteres Wort rammte er mir diese ins Fleisch, nur um kurz darauf inne zu halten. „Oh, er hat eine Betäubungsspritze eingepackt.“ Er seufzte und ließ sie so wie sie war wieder in den Kasten fallen. „Aber du bist ein ganz harter Kerl, oder? Du schaffst das ohne.“
Nur zu gerne hätte ich ihm widersprochen, jedoch machte der Blick in seinen schwarzen Augen mir klar, dass ich diesen Widerspruch vielleicht nicht überleben würde. Ich hatte seinen Herrn mehr als einmal geschlagen. Sein Gesicht würde noch in einigen Tagen angeschwollen sein. Es war klar: Ich war nicht in der Position Forderungen zu stellen.
Die Zähne zusammenbeißen ermahnte ich mich, keinen Laut zu machen und ihn bloß nicht zu animieren, mir die Nadel noch unsanfter durch die Haut zu stoßen.
„Das gibt’s doch nicht!“, seufzte der Dämonenhund als er den letzten Knoten gemacht und den Faden abgeschnitten hatte. Den Verband hatte er mir so liebevoll umgelegt, wie die sanften Pranken eines Riesen, der eine Fliege zerquetschen wollte, es fertig bringen würden. „Bei dieser Spritze hat er mir eine Notiz dazugelegt. 'Ich weiß, dass du ihm das Schmerzmittel nicht gegeben hast. Gib ihm aber das Antibiotikum'. Heute ist wohl dein Glückstag.“
„Kya!“, schrie ich auf. Er benutze Spritzen in etwa so, wie er es mit Messern pflegte, und so befand sich diese nun in meinem Bein.
„Pflaster sind aus!“, teilte er mir mit und stand auf, einen erwartungsvollen Blick aufgesetzt.
„D...danke!“, presste ich hervor. Dass ich mir dumm vorkam, muss ich nicht erst erwähnen. „Ich … tue es nie wieder!“, sprudelte es aus mir heraus. „Ja wirklich! Ich überfalle nie wieder ein Schiff!“
„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe“, murmelte er, mir das Messer vor die Füße werfend. Es landete mit der Klinge im Sand. Nahe genug, dass es mich verhöhnte und so weit weg, dass ich nicht ohne weiteres dran kam. „Dein Kumpel kann dich ja los schneiden, wenn er aufwacht. Ich habe ein Schiff zu bekommen, wenn du mich nun entschuldigst.“ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht packte er die Blechdose zusammen und deutete dann zum Strand. „Da sind Nahrungsmittel für drei Tage. Teilt sie euch gut ein und wenn wir uns noch einmal begegnen sollten, werde ich die Befehle meines Herrn missachten und wir werden sehr viel Spaß haben!“
„Und das, liebe Kinder, ist der Weg, wie ich in zu diesem Orden gefunden habe.“ Mit einem lauten Knall ließ Bruder Paulus, der einst ein Saulus war, sein Tagebuch zuknallen und blickte ängstlich aus dem Fenster. Die See lag ruhig vor ihm und er sollte verdammt sein, wenn er je wieder den kleinen Zeh in sie setzte.