Sixty Minutes Challenge
26.09.2021
Gesunder Menschenverstand
Das Lachen, das durch Mikes Kopf hallte, wurde mit jeder Minute lauter. Schon etwas genervt verbarg er das Gesicht in seiner Handfläche, rieb sich dann darüber und versuchte das unliebsame Geräusch krampfhaft zu ignorieren. Er war in den Salon der Nautilus gekommen, um zu lesen. Vor einigen Tagen hatte er nämlich ein interessantes Buch über Meeresbiologie gefunden, dass sein Vater, der berühmte Kapitän Nemo, selbst verfasst hatte, und darin wollte er nun herumblättern und die Stunden vergehen lassen. Aber natürlich war es Astaroth, der Gedanken lesende Meerkater gewesen, der ihn direkt in ein Gespräch gezogen hatte.
Dumm war nur, dass diese Gespräche immer länger andauerten, weil Mike der einzige war, mit dem Astaroth sich durch seine Telepathie verständigen konnte. Der einzige Gesprächspartner also und Astaroth hatte viel zu erzählen. Viel zu viel.
Heute hatte Mike jedoch Glück gehabt – so dachte er – und er konnte schon nach einer halben Stunde in Ruhe sein Buch lesen. Allerdings nur, bis Astaroth sich in seinem Kopf mit einem infernalischem Lachen zurück gemeldet hatte. Tapfer hatte Mike es zu ignorieren versucht, aber seit zehn Minuten steigerte es sich, dass er es mit der Angst bekam, der Kater mochte versuchen in echt zu lachen und würde daran ersticken.
„Was ist so lustig?“, ging Mike nun doch auf das seltsame Verhalten des Katers ein. Vermutlich ein Fehler, weil dieser ihn nun für Stunden für den Vortrag seiner Weisheiten pachten würde.
Anstatt einer Antwort, wurde das Lachen immer irrer und überschlug sich.
„Astaroth!“, knurrte Mike. „Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann lach wenigstens leise. Damit meine ich: Verschwinde aus meinem Kopf und lass mich dieses Buch lesen.“
Besagtes Buch hatte Mike schon genervt zugeklappt, sich gerade in seinem Sessel aufgesetzt und war durchaus bereit, den dicken Band dem Kater vor die Pfoten zu werfen.
„Kein Grund, aggressiv zu werden“, würgte der Kater zwischen mehreren Lachern hervor. „Es ist nur ...“ Mit einem lauten Kreischen brach Astaroth wieder ab und diesmal kugelte und kringelte er sich tatsächlich auf seinem schwarzen, von zotteligem Fell besetzten Rücken. „Ben!“, kreischte Astaroth lachend. „Ben ist so witzig!“
„Ach ja?“ Das bezweifelte Mike, wenn er den stets grummeligen Briten so beobachtete, der vor den Kontrollen der Nautilus saß und diese heute dem neuesten Crewmitglied Sally Harrison erklären sollte.
„Ja!“, schrie Astaroth lachen. „Er hat gesagt … Oh, Mike, das glaubst du nicht! Er sagte, um die Kontrollen der Nautilus zu verstehen, bräuchte man nur gesunden Menschenverstand!“
Nun war der Kater wieder vollkommen außer Kontrolle und Mike befürchtete, dass er seinen gesunden Katzenverstand verlor.
„Gesunder Menschenverstand!“, gluckste Astaroth. Mike ahnte schon, worauf das hinauslief und zog nur eine Augenbraue hoch. „Menschen … und Verstand! Ahahahaha! Mike! So köstlich!“
Wie hätte es auch anders sein können?
Mike seufzte, klappte das Buch wieder auf und stieß abermals die Luft in verzweifelter Manier aus. Dann verzog er die Lippen zu einem schiefen Grinsen.
„Hab schon verstanden, Astaroth. Es ist ein Wunder, wie die Menschheit es bis hierhin geschafft hat und sicherlich habt ihr Katzen daran einen nicht kleinen Anteil an Hilfe zu verbuchen. Jedoch hätte ich eine Frage: Darf ich eingeschränktes Menschlein mein Buch weiter lesen, oh mein großer Katzenmeister?“