[Teaser zu "Die, die wir zurückgelassen haben". In der Entstehung eine Kurzgeschichte zu "Andara-House", die zwischen Teil 1 und 2 spielt und die Ereignisse in London aus Stan's Sicht zeigt. Das Ganze habe ich genutzt um Übung 3 des Unterwelts-Übungsbuch zu schreiben. Sehr passend, da ich mich bei der Story noch nicht für die richtige Perspektive entscheiden konnte. https://belletristica.com/de/books/17338-ubungsbuch-unterwelt?chapter=64223, Rating: 16+]
Die, die wir zurückgelassen haben
Schreibübung 3 – Perspektivenwechsel
Erzähler – Perspektive:
Ein plötzliches klatschendes Geräusch und Sallys spitzer Schrei rissen ihn aus seinen Gedanken. Alarmiert blickte er in ihre Richtung, konnte neben der erschrockenen Frau jedoch nichts entdecken. „Was ist los?“, rief er ihr zu, während er sich hastig hinter dem Tresen vorarbeitete und zu ihr hastete. Vollkommen bleich vor Schreck starrte sie ihrem Ziehvater entgegen.
„Da … da war jemand!“, stotterte sie aufgeregt. „Jemand hat gegen die Scheibe der Tür geschlagen! Ganz sicher!“
„Ich glaube dir“, sagte er mit fester Stimme und schob Sally einige Meter von der Tür weg. Er hatte das Geräusch ja selbst gehört und ein Blick zur Tür hatte gereicht, um festzustellen, dass hier etwas nicht stimmte. Falls Sally es nicht schon selbst gemerkt hatte, hatte er mit Absicht den blutigen Fleck an der Tür nicht erwähnt.
„Bleib zurück!“, rief er Sally zu. Lief dann erneut hinter den Tresen und holte den Schläger hervor, den er dort für Notfälle, wie diesen, hatte. Nachdem er sicher war, dass Sally sich jederzeit in die Wohnung flüchten konnte, legte er die Hand auf den Schlüssel und schloss wieder auf.
Die Horde, die hereinstürmte und sie überfiel, blieb jedoch aus. Fest schloss sich seine Faust um den Schläger, dann drückte er entschlossen die Klinke herab und riss die Tür auf.
„Oh mein Gott!“, entfuhr es ihm und er ließ seine improvisierte Waffe achtlos fallen. Vor der Tür lag eine zusammengesunkene Gestalt. Stan konnte nicht viel erkennen. Nur, dass es ein Mann war und dass er schwer verletzt war.
Er schien bewusstlos zu sein. Aber noch bevor er sich zu ihm auf die Knie sinken lassen konnte, bemerkte er, dass er sich irrte. Der Mann murmelte etwas. Stan musste beinahe den Atem anhalten, um es zu verstehen, doch dann gefror ihm das Blut in den Adern.
„S…tan.“
Der Mann flüsterte ohne Unterlass seinen Namen! Und nun bekam er auch eine Ahnung, um wen es sich handelte. Vorsichtig legte er den Kopf des Mannes auf seinen Schoss und schob ihm die Kapuze vom Gesicht. Als er ihn erblickte sog er scharf die Luft ein. Aber nichtsdestotrotz, dass sein Gesicht voller Hämatome war und ein Auge begann heftig zu zuschwellen, erkannte er ihn.
„Singh“, murmelte er entsetzt und die zweifelhaften Gefühle zu ihm in der letzten Zeit waren vergessen. Was blieb war die Angst um das Leben eines Freundes.
„Stan … ich … Sie haben ihn“, versuchte Singh erneut zu sprechen. Er blickte Stan dabei an, aber seine Augen schienen durch ihn hindurchzusehen und seine Wangen glühten auffällig.
„Nicht jetzt!“, würgte Stan seinen Exfreund ab. „Du musst erst einmal ins Haus. Sally!“ Die Gerufene tauchte direkt hinter ihm auf und griff ohne weitere Erklärungen die Beine des schwer verletzten Mannes.
Im Nachhinein konnte Stan kaum sagen, wie sie es geschafft hatten ihn auch noch die Treppe hochzutragen und in Jeffreys Bett zu legen. Es war wohl wirklich so, dass die Verzweiflung übermenschliche Kräfte verlieh.
Ghunda Singh war zwar kein überdurchschnittlich großer Mann, aber wie Stan von dem ein oder anderen Stelldichein wusste, nicht gerade sparsam gebaut was seine Muskulatur betraf. Was ihm im Bett durchaus Freude bereitet hatte, brachte ihn nun ordentlich ins Schwitzen.
Mit zittrigen Händen öffnete Stan die Jacke und die Hemdknöpfe des jungen Mannes. Seine Kleidung war völlig durchnässt, dreckig und hier und da mit Blutspritzern verunstaltet. Dabei stöhnte Singh immer wieder gequält auf, wenn Stan seine Haut berührte. Als er ihn beinahe vollständig entkleidet hatte, wusste er auch warum.
Der Rest seines Körpers machte Singhs Gesicht ernsthafte Konkurrenz und war überseht von blauen Flecken und kleineren Schnittwunden. Man erkannte kaum noch die dunkelbraune Haut des Inders.
„Mein Gott, was ist passiert? Was hast du getan, Singh?“ Fassungslos nahm Stan das Gesicht seines Exfreundes in die Hände und musterte ihn besorgt.
Ja, sie hatten eine schwierige Zeit durchgemacht und es hatte letztendlich nicht funktioniert mit ihnen beiden. Aber egal war er ihm nicht. Vor allem nicht so, in diesem Zustand.
Singh versuchte etwas zu sagen, brauchte aber mehrere Anläufe. Selbst dann klang seine Stimme rau und kratzig – war kaum zu verstehen.
Besorgt beugte Stan sich zu ihm herunter, sodass sein Ohr fast dessen Mund berührte. „Ich … versucht … sie aufzuhalten“, hörte Stan ihn sagen. Die Worte ergaben kaum Sinn für Stan, aber eins war klar, Singh brauchte dringend medizinische Versorgung. Die kleineren Wunden würde er versorgen können, aber sein Freund war zu schwer verletzt.
„Sally! Benutz das Telefon! Wir brauchen einen Arzt!“, rief Stan seiner Tochter zu und war froh, dass sie sich dieses Gerät vor kurzem besorgt hatten. Ihm wäre nicht wohl gewesen Sally bei diesem Schneesturm nach draußen zu schicken. Genauso wenig, wie er sie mit dem schwer verletzten Singh allein lassen wollte.
Ich – Perspektive:
Ich hörte ein klatschendes Geräusch, das mich bis ins Mark erschütterte und wurde gleichzeitig durch Sallys spitzen Schrei aus meinen Gedanken gerissen. Alarmiert glitt mein Blick zu meiner Tochter, die kreidebleich neben der Tür stand, aber ich konnte nichts entdecken.
„Was ist los?“, rief ich ihr sorgenvoll zu, während ich mich hastig hinter dem Tresen hervorarbeitete und zu ihr hastete. Ihre Züge waren vollkommen erstarrt vor Schreck, als sie mir entgegenstarrte.
„Da … da war jemand!“, stotterte sie aufgeregt. „Jemand hat gegen die Scheibe der Tür geschlagen! Ganz sicher!“
„Ich glaube dir“, sagte ich mit fester Stimme. Vorsorglich schob ich Sally einige Meter von der Tür weg, denn auch mir war das Geräusch nicht entgangen. Außerdem hatte ein Blick zur Tür gereicht, um festzustellen, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Falls sie es noch nicht gemerkt hatte, wollte ich Sally nicht weiter verängstigen und hatte daher den blutigen Fleck an der Glasscheibe der Tür nicht erwähnt.
„Bleib zurück!“, wies ich Sally angespannt an. Anschließen lief ich hastig hinter den Tresen und holte den Schläger hervor, den ich für Notfälle dort gebunkert hatte. Zunächst stellte ich sicher, dass Sally jederzeit nach oben in die Wohnung flüchten konnten. Dann holte ich tief Luft und legte die Hand auf den Schlüssel. Nachdem ich mich mit einem Blick zu Sally versichert hatte, dass sie bereit war, schloss ich wieder auf. Aber die hereinstürmende Horde, die uns überfiel blieb aus und erst jetzt merkte ich, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte.
Soweit so gut, dachte ich und umschloss den Schläger noch etwas fester. Obwohl ich selbst ein ungutes Gefühl hatte, drückte ich die Klinke herab und riss die Tür auf.
„Oh mein Gott!“, entfuhr es mir und ließ vor Überraschung meine improvisierte Waffe fallen. Ich hatte damit gerechnet einem potenziellen Einbrecher gegenüberzustehen, aber was mich erwartete, war eine zusammengesunkene Gestalt, die direkt vor dem Eingang lag.
Viel konnte ich von ihm nicht erkennen, außer, dass es ein Mann zu sein schien und, dass er schwer verletzt war. Er lag bewusstlos oder vielleicht sogar tot da.
Hastig ließ ich mich zu ihm auf die Knie fallen und erkannte, dass ich mich geirrt hatte. Der Fremde war sehr wohl bei Bewusstsein und murmelte die ganze Zeit etwas vor sich hin. Jedoch war seine Stimme so schwach, dass ich geradezu den Atem anhalten musste, um ihn zu verstehen. Als die einzelnen Silben schließlich an mein Ohr drangen, war es als griffe der Schneesturm, der um uns tobte, direkt in mein Herz.
„S…tan.“
Noch nie hatte es mich so geängstigt meinen eigenen Namen zu hören! Aber noch schlimmer war die Erkenntnis, um wen es sich hier handelte. Ich traute mich kaum in zu berühren, dennoch legte ich seinen Kopf vorsichtig auf meinen Schoss und schob ihm die Kapuze vom Gesicht. Ich kannte sein Gesicht gut, aber als ich ihn jetzt erblickte, sog ich vor Entsetzen scharf die Luft ein. Sein Gesicht war ein einziges Hämatom und ein Auge war heftig zugeschwollen, dazu kamen unzählige blutige Schrammen.
„Singh“, murmelte ich atemlos seinen Namen. Ich hatte eine wahnsinnige Panik und ich schämte mich. Denn mir war noch klar im Kopf, wie wir auseinandergegangen waren. Aber all die zweifelhaften Gefühle waren mir jetzt unwichtig, was blieb war die nackte Angst um sein Leben.
„Stan … ich … Sie haben ihn“, versuchte Singh erneut zu sprechen. Verwirrt starrte ich ihn an. Seine Augen schienen durch mich hindurchzusehen und seine Wangen glühten auffällig.
„Nicht jetzt!“, würgte Stan meinen Exfreund ab. „Du musst erst einmal ins Haus. Sally!“
Meine Tochter tauchte schneller hinter mir auf, als ich dachte und ergriff ohne dass ich viel erklären musste Singhs Beine. Nachdem wir uns bemüht hatten ihn zu zweit die Treppe hochzutragen, konnte ich kaum sagen, wie wir das bewerkstelligt hatten. Keuchend legten wir ihn auf Jeffreys Bett ab. Dabei ging mir durch den Kopf, dass Verzweiflung einem wohl tatsächlich übermenschliche Kräfte verlieh.
Wir konnten von Glück reden, dass Ghunda Singh kein überdurchschnittlich großer Mann war. Jedoch war er was die Muskulatur betraf nicht gerade sparsam gebaut. Davon hatte ich mich in der ein oder anderen Nacht überzeugen können und hatte durchaus meinen Spaß daran gehabt. Jetzt brachte es mich an den Rand der Verzweiflung und heftig zum Schwitzen.
Mit zittrigen Händen öffnete ich seine Jacke und die Hemdknöpfe. Dabei fiel mir auf wie stark durchnässt und verdreckt seine Kleidung war, dazu kamen Blutspritzer, die überall zu finden waren. Jedes Mal, wenn auch nur meine Fingerspitzen seine Haut berührten, stöhnte er wie unter Höllenqualen auf. Als ich ihn schließlich vollständig entkleidet hatte, wusste ich auch warum. Was ich bereits auf seinem Gesicht gesehen hatte, setzte sich auf dem Rest seines Körpers fort. Unzählige Hämatome und Schnittwunden, ließen die eigentlich dunkelbraune Haut des Inders kaum noch erkennen.
„Mein Gott, was ist passiert? Was hast du getan, Singh?“
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich sein Gesicht in beide Hände nahm und ihn mit wachsender Besorgnis musterte.
Er war mein Exfreund und er hätte mir egal sein können. Aber so war es nicht. Vielleichten hatten wir eine schwierige Zeit durchgemacht und mussten uns am Ende eingestehen, dass es keinen gemeinsamen Weg für uns gab. Aber er war mir nicht egal. Nicht so, in diesem Zustand.
Singh versuchte etwas zu sagen, brauchte aber mehrere Anläufe. Selbst dann klang seine Stimme rau und kratzig – war kaum zu verstehen. Ich überlegte ihm das Sprechen zu verbieten, beugte mich dann aber doch zu ihm herunter, sodass mein Ohr beinahe seinen Mund berührte. „Ich … versucht … sie aufzuhalten“, hörte ich ihn krächzen.
Die Worte ergaben kaum Sinn für mich. Wen hatte er versucht aufzuhalten? Wovon? Und wer in aller Welt hatte ihn so zugerichtet?
Eines verstand ich jedoch ganz deutlich, Singh brauchte dringend medizinische Versorgung! Die kleineren Wunden würde ich wahrscheinlich gut versorgen können, aber Singh war zu schwer verletzt.
„Sally! Benutz das Telefon! Wir brauchen einen Arzt!“, rief ich meiner Tochter mit überschnappender Stimme zu und war froh, dass wir uns dieses Gerät vor kurzem besorgt hatten. Mir wäre absolut nicht wohl dabei gewesen Sally bei diesem Schneesturm nach draußen zu schicken. Genauso wenig, wie ich sie mit dem schwer verletzten Singh allein lassen wollte.