(Die Fortsetzung zu "Nemos Vermächtnis" auf meinem Pseudo, liegt so ziemlich auf Eis. Jedoch sind da vor Jahren schon einige Szenen entstanden. Diese wollte ich gerne mit euch hier teilen. Unbearbeitet.)
Irgendetwas war geschehen. Mike konnte nicht sagen was, aber er fühlte deutlich, dass etwas anders war. Er hatte das Gefühl, der Antwort so nahe zu sein, doch immer, wenn er danach greifen wollte, glitt sie davon.
Deutlich spürte er in seiner Brust, dass da etwas war, was vorher nicht da gewesen war. Nein, berichtigte er sich, es war schon länger da – nicht sein ganzes Leben – wohl aber seit ein paar Jahren. Doch hatte er es nie wirklich wahrgenommen, oder es hatte sich einfach gut vor ihm versteckt. Das Ding in ihm machte ihm Angst und doch war es so vertraut, wie nie etwas zuvor; und als wäre dieser Gedanke ein Tor gewesen, begann er sich zu erinnern.
Diese Mischung aus Angst und Vertrautheit hatte er schon einmal gefühlt; und er entsann sich auch wo.
In der Stadt der Alten – genau gesagt im Zentrum der großen Pyramide, in der er dem Großen Alten zuerst begegnet war. Es war der Tag ihrer Abreise und Mike wusste nicht, was ihn zurück in die große Pyramide geführt hatte. Der Schacht – in den der Große Alte sich zurückgezogen hatte, nachdem er Serena ihre Kräfte genommen hatte – war verschlossen und er selbst verschwunden. Aber etwas hatte ihn, beinahe schon gegen seinen Willen, genau hierhergezogen.
Verwirrt stand Mike vor dem riesigen Schacht, der verschlossen vor ihm lag und versuchte sich zu erinnern, was er gedachte hier zu finden. Er fühlte eine innere Unruhe, als ob er erwartete, dass etwas Großes geschehen musste und ließ seinen Blick prüfend zum einzigen Eingang dieses Raumes schweifen.
Wie erwartet war er alleine, denn gab es für die anderen keinen Grund mehr diesen Ort zu betreten. Was also wollte er hier?
„Warum bin hier?“, murmelte er zu sich selbst und erschrak über das Echo seiner Worte, dass sich an den glatt polierten schwarzen Wänden brach.
Als wäre dies ein Zeichen gewesen, erscholl ein Knirschen von Stein auf Stein und ein sachtes Zittern lief durch den Boden. Erschrocken fuhr Mike herum. Sein Blick starr vor Unglauben auf den Schacht gerichtet, dessen wuchtige Steinplatten sich auseinander schoben.
Was zur Hölle ging hier vor?
Der Alte hatte sich doch all ihre Kräfte geholt und war verschwunden; was hatte es zu bedeuten, dass sich der Schacht nun wieder öffnete?
Und warum gerade jetzt?
Mike fragte sich, ob er doch etwas übersehen hatte und sie nun doch für alle Ewigkeit in der Stadt auf dem Meeresgrund gefangen waren. Gab sich der Alte doch nicht damit zufrieden, dass er seine durch die Atlanter gestohlenen Kräfte zurückerlangt hatte?
Aber das konnte nicht sein, war Mike sich recht sicher; denn so etwas wie blinde Rachegefühle, hatte er bei ihm nie gespürt. Eher Schmerz über einen unsäglichen Verlust und eine Erleichterung, wie sie ein Verdurstender erfuhr, wenn er auf Wasser traf.
Die Erkenntnis verwirrte Mike und er fragte sich, warum er sich so sicher war, was das so fremde Wesen gefühlt hatte. Doch als es ihn berührt hatte – und damit mehr als seinen Körper, sondern auch seine Seele – war es ihm so klar gewesen.
Gebannt sah Mike auf den Schacht, der nun wieder vollkommen offen stand und war vollkommen unfähig sich zu rühren.
Aber er hatte keine Angst; es gab keinen Grund dazu.
„Du hast meinen Ruf gehört.“
Mike hatte die Stimme nur in seinem Kopf gehört und er wusste genau zu wem sie gehörte. Es erschreckte ihn nicht, die Stimme des Alten in seinem Kopf zu hören, denn es ließ etwas in ihm klingen, dass schon seit Jahren zum Schweigen verurteilt war. Sie war angenehm; und kämpfte die aufkommende Angst nieder, als sich die ersten schwarzen Tentakeln aus dem Schacht schoben.
Mit Verwirrung über sein eigenes Verhalten, erinnerte Mike sich an sein Grauen, als er den Alten zum ersten mal sah. Er war ein furchteinflößendes Wesen mit einem riesigen Kopf, der von übergroßen roten Augen beherrscht wurde und seine Tentakel, die direkt aus diesem aufgeblähten etwas wucherten, verstärkten diesen Eindruck noch.
Aber mit einem mal, war Mike klar, dass es nur das war: ein subjektiver Eindruck. Er glaubte was er sah, aber es entsprach nicht der Realität.
„Ich warte seit Jahrtausenden auf jemanden wie dich.“, sprach der Alte weiter und Mike sah ihn aus großen Augen an.
„Jemanden wie mich?“, gab er ruhig zurück. Es erfüllte ihn beinahe mit Belustigung, wie er vor diesem beängstigenden schwarzen Schrecken stand, der direkt aus dem Alptraum eines Kindes zu stammen schien, und doch einen inneren Frieden fühlte, wie noch nie zuvor.
Was war schon besonderes an Mike, dass das Wesen ihn brauchte?
„Ich hatte lange die Hoffnung aufgegeben und verlor mich in Hass und Gram“, erklärte das Wesen. „Doch als ich deine Seele berührte, wusste ich, was ich seit hunderten von Jahren vergessen hatte: Ich bin wie du!“
Erschrocken zuckte Mike zusammen. Der Alter war wie er? Wollte er ihm damit sagen, dass er eigentlich ein Mensch war?
Auf dem Gesicht des Alten – wenn man es so nennen konnte – erschien ein Ausdruck tiefen Bedauerns und irgendwie beschlich Mike der Verdacht, dass dieses Mitgefühl sich nicht auf das Wesen bezog, sondern auf ihn. Als ob Mike etwas fehlte, dass eigentlich da sein sollte.
„Du bist unwissender, als ich es war, bevor ich dich traf und doch…“ Das Wesen stockte, bevor es weitersprach. „… und doch habe ich keine andere Wahl. Du bist der Einzige der mich vor erneutem Wahnsinn bewahren kann und vielleicht haben wir beide einmal die Chance an den Ort zu kommen, zu dem wir gehören.“
„Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst!“, begehrte Mike auf, in dem nun doch eine leise Furcht nagte. Wie sollte er ein so mächtiges Wesen wie den Alten davor bewahren wahnsinnig zu werden? Das war doch absurd!
„Habe keine Angst, mein Kind.“, sagte der Alte, als sich seine Tentakel plötzlich in Mikes Richtung bewegten und seine Augen in noch tieferem Rot erglühten. Pure Panik ergriff Mike, doch schaffte er es nicht davon zu laufen und die Stimme des Alten wisperte wieder in seinem Kopf.
„Öffne deine Augen, mein Kind; und du wirst sehen das ich nicht dein Feind bin. Du weißt, dass du hinter das sehen kannst, was dein menschlicher Verstand dir vorgaukelt.“
Und der Alte hatte Recht. Mike hatte es ja zuvor schon Gedacht; die Schreckensgestallt war nur ein Trugbild und seine eigentliche Gestalt war…
Mike musste lächeln und fühlte die strahlende Wärme auf seinem Gesicht, welche einen wohligen Schauer zu seinem Herzen sandte. Die eigentliche Gestalt des Alten war wunderschön. Er bestand aus wogender Energie und Licht, welches beinahe schon eine menschliche Form hatte, aber in leuchtenden Tentakeln endete.
Diese bewegten sich immer noch auf Mike zu und er fühlte eine leichte Scham, das er noch vor wenigen Sekunden Angst davor gehabt hatte. Jetzt sah er fasziniert zu, wie einer der Arme seine Brust erreichte und wenige Millimeter davor stoppte, als würde es überlegen, ob es den nächsten Schritt wagen konnte.
Fest sah Mike den Alten an und als wäre dies ein stilles Einverständnis gewesen, berührte der Lichtarm ihn.
Mike spürte wie sich die Wärme nun in seiner Brust ausbreitete und von da aus in seinen gesamten Körper fuhr. Ihm war noch nie so angenehm warm gewesen. Das Gefühl war so intensiv, dass jede Abwehr in ihm brach und das Tor für etwas Neues öffnete: Erinnerungen.
Erinnerungen daran, wer er eigentlich war und die sein Vater tief in ihm verborgen hatte. Zusammen mit dem, was ihn ausmachte.
Doch er spürte keinen Zorn darüber, sondern nur Dankbarkeit, es jetzt zu wissen und nun verstand er auch, was der Alte meinte, als er sagte, er sei wie Mike.
Ja, er hatte recht; sie waren gleich.
Ein kribbeln ließ ihn seine Augen wieder öffnen, die er aufgrund des wohligen Gefühls geschlossen hatte, und sah verwundert auf seine Brust hinab. Der Alte hatte seinen Arm nicht mehr nur auf Mikes Brust liegen, sondern er schien regelrecht mit Mike zu verschmelzen und auch der Rest des Wesens verschwand immer mehr in ihm.
Das Licht durchlief Mikes Körper wie flüssige Lava und als der letzte Anteil des Alten seine weltliche Hülle durchbrach und verschwand, erlosch das Licht, als wäre es nie dagewesen.
„Es tut mir leid.“, hörte Mike eine Stimme. „Deine Erinnerungen muss ich dir nehmen; dein Vater hatte gute Gründe, dich dem Unwissen zu überlassen.“
Verwundert sah Mike sich um; er war vollkommen alleine. Dabei war er bis eben felsenfest überzeugt gewesen, eine Stimme gehört zu haben!
„Hey! Wo bleibst du denn?“, hörte er nun doch jemanden rufen – es war Juan. „Wir wollen los! Trautman ist schon ganz ungeduldig!“
Überrascht blinzelte Mike ihn an.
„Was hast du eben gesagt?“, fragte er Juan verwirrt, der die Stirn in Falten gezogen hatte und ihn mit unverhohlenem Spott ansah.
„Das wir loswollen und wir seit Stunden nach dir suchen. Jetzt komm! Trautman ist wirklich sauer.“
Aber Mike schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, davor. Was hast du davor gesagt?“
„Gar nichts.“, murrte der Spanier zurück.
Dann ging Mike auf, was Juan gesagt hatte. Sie suchten seit Stunden nach ihm? Aber er war doch nur für ein paar Minuten hier drin und …
Nervös glitt sein Blick zu dem Schacht, der fest verschlossen vor ihm lag. Dunkel erinnerte er sich an einen Traum, in dem genau dieser Schacht eine wichtige Rolle gespielt hatte.
Mike schüttelte den Kopf; das war doch verrückt.
„Was ist los?“, fragte Juan alarmiert, aber Mike vernahm auch den Spott in seiner Stimme. „Hast du hier im Stehen geschlafen, während wir alle geschuftet und die Nautilus beladen haben? Mal wieder typisch…“
„Ach, quatsch doch nicht!“, fuhr Mike auf und drehte sich mit einem Ruck um. „Komm, lass uns Trautman nicht noch länger warten!“