[Rating: 0+] [Das ist eine Geschichte, die ich als Vorgeschichte zu "Nemos Vermächtnis" (unter Pseudonym Miras Ezal) geschrieben habe. Ich weiß nicht, ob ich sie fortsetze, aber das erste Kapitel steht gut für sich. Daher lade ich es nun hier hoch.]
[Inhalt: Nemo könnte nicht glücklicher sein: Er hat mit seiner Frau einen gesunden Sohn bekommen. Doch dessen Fähigkeiten haben es in sich und da sind immer noch Fremde, die Nemo verfolgen.]
Torpedo am Morgen
Ein leises Glucksen und Lachen weckte ihn an diesem Morgen. Noch viel zu müde um aufzustehen, kuschelte er sich an den warmen Körper neben sich. Er hatte es die letzte Nacht gut gemeint mit ihnen und sie hatten sogar einige Stunden Schlaf am Stück bekommen. Es ging Bergauf, dachte er müde, aber erleichtert. Er wusste immer, dass ein Kind viel Arbeit bedeutete – besonders so eines – aber es dann am eigenen Leib zu erfahren, war etwas ganz anderes.
Bei aller Liebe zu seinem Sohn, aber nachdem die erste Euphorie nach seiner Geburt verflogen war, zerrte nun immer mehr die Anstrengung an ihm. Die ersten Tage waren buchstäblich die Hölle gewesen, da das kleine Wesen sich so gar nicht in dieser komischen, kalten Welt zurechtfinden wollte und dem entsprechend seine Wut herausbrüllte.
Der Spagat zwischen Vater und Kapitän eines Unterseebootes sein war hart. Es wäre wohl leichter gewesen, wenn er einer dieser Kapitäne wäre, die nach Hause gingen, die Tür hinter sich verschlossen und die Füße hochlegten. Aber das ging bei ihm nicht, denn er hatte kein solches Zuhause. Dieses Schiff und die Ozeane dieser Welt waren sein Zuhause. Er konnte nicht einfach irgendeinen Hafen anlaufen und die sprichwörtlichen Schlüssel ans Brett hängen, denn sein Schiff war etwas ganz Besonderes. Niemand – außer seine Besatzung natürlich – hatte je so ein Schiff gesehen und die die es taten, hielten es meist für ein Seeungeheuer. Über diesen Gedanken musste er schmunzeln, aber er konnte es ihnen nicht verübeln. Sie wussten es eben nicht besser und steckten noch in den Kinderschuhen. Doch da wo er herkam, da gab es viel phantastischeres als dieses Schiff.
Es war das Jahr 1897 und bereits jetzt rankten sich Legenden um die „Nautilus“ und ihrem geheimnisvollen Kapitän Nemo, über den man sich hinter vorgehaltener Hand die schlimmsten Geschichten erzählte.
Er seufzte.
Nicht die Hälfte davon stimmte, denn er war weder ein Pirat, noch ein gewissenloser Mörder. Nein, er war eher ein Opfer der Umstände und dazu verdammt sich auf dem Grund des Meeres zu verstecken. Nicht vor diesen Menschen, die sich einfach Geschichten ausdachten wo der Verstand nichts mehr erklären konnte, sondern vor noch viel schlimmeren Dingen. Dingen, von denen er nicht einmal seiner Frau oder seinen treuen Reisegefährten etwas erzählte.
Sie würden es nicht verstehen und ihn wohl für verrückt halten, wo er doch jetzt schon für etwas exzentrisch gehalten wurde. Aber er war eben anders und das in jeder Hinsicht. Ja, er war nicht einmal ein Mensch, doch das konnte er gut verbergen – immerhin sah er aus wie einer. Doch was sie unterschied, war das, wozu er fähig war und genau da begann für ihn sein aktuelles Problem, welches ihm zusätzlich den Schlaf raubte. Nemo verstand, dass es nicht gut war seine Kräfte offen zu zeigen, doch sein sechs Monate alter Sohn tobte sich nur zu gerne aus.
Erschrocken fuhr Nemo auf, als der kleine Kuschelteddy, den sein bester Freund Amrit Singh seinem Sohn vor kurzem erst geschenkt hatte, an seinem Kopf abprallte.
„Dakkar!“, flüsterte er seinem Sohn zu und sah nervös zu seiner Frau, die zum Glück noch fest schlief und von dem Chaos, welches ihr „hilfloses Baby“ angerichtet hatte, nichts mitbekam. „Dakkar, was machst du denn da?“
Sein Sohn hatte tatsächlich all seine Kuscheltiere, Decken und sonstige Spielsachen quer durch den Raum befördert. Nicht etwa geworfen. Nein, das konnte er noch gar nicht, zumindest nicht meterweit, sondern auf seine Art und man hörte welchen Spaß er dabei hatte.
Hastig fing Nemo einige der Kuscheltiere auf, die munter durch die Luft schwebten und klemmte sie sich unter den Arm, damit Dakkar nicht gleich auf die Idee kam, seine Mutter damit zu bewerfen.
„Das sollst du doch nicht machen“, tadelte er seinen Sohn, konnte aber den Stolz, der in seiner Stimme mitschwang, nicht verbergen. „Ich weiß, es macht Spaß, aber es ist hier nun mal nicht üblich so etwas zu können und wir wollen doch nicht auffallen.“
Lächelnd nahm er ihn aus seinem Bettchen. Der kleine Junge fing sofort an sich an seine Schulter zu kuscheln und dabei kräftig daran zu nuckeln. Der Kleine hatte Hunger, da würde sich seine Mutter freuen, dachte sich Nemo und blickte unsicher zu seiner Frau hinab, die noch tief und fest schlief.
„Was meinst du? Räumen wir erst einmal auf?“, fragte er seinen Sohn lautlos. Er wusste, dass sein Sohn die Worte noch nicht verstand, aber Nemo genoss es ab und zu auf diese lautlose Art mit ihm zu kommunizieren. Er war weit weg von seiner Welt und manchmal hatte er Sorge seine telepathischen Kräfte zu verlieren, wenn er sie nicht ab und zu benutze. Obwohl er genau wusste, dass das Unsinn war.
„Was ist denn hier passiert?“, hörte er eine müde Stimme hinter sich und drehte sich schuldbewusst um. Aus ihrem Aufräumplan war noch nicht viel geworden und es sah noch immer aus, als sei einer ihrer Torpedos in ihrer Kajüte explodiert.
„Wir … haben gespielt“, meinte Nemo zögernd und lächelte entwaffnend.
„Es muss großen Spaß gemacht haben. Ich bin wohl erschöpfter gewesen, als ich dachte, dass ich von dieser Party nichts mitbekommen habe“, sagte Sophie, als sie ihren Blick durch den Raum wandern ließ und dieser schließlich an der Lampe hängen blieb. Nemo beeilte sich Dakkars Decke von dieser zu fischen, hauchte Dakkar einen kurzen Kuss auf die Stirn und reichte Sophie dann ihren Sohn, der mittlerweile deutlich unruhiger war vor Hunger.
Er beeilte sich, sich fertig zu machen, denn er war jetzt schon spät dran und wahrscheinlich warteten Singh und Trautman schon ungeduldig auf der Kommandobrücke auf ihn. Wobei das ein rein subjektives Gefühl war, da die beiden die Nautilus praktisch allein führten, seit Dakkar oder Mike, wie Sophie ihn genannt hatte, auf der Welt war.
Schnell fuhr Nemo sich durch die wirren, schwarzen Haare, die ihm dennoch in wilden Wellen vom Kopf abstanden. Es wurde Zeit, dass sie wieder eine Schere sahen, dachte Nemo und band sie sich in einem kurzen Zopf zusammen. Dann verabschiedete er sich mit einem schnellen Kuss von Sophie und lief los, in der Hoffnung, dass Dakkar während seiner Abwesenheit nichts anstellte.