Sixty Minutes Challenge
21.07.2021
Höllenhund
Die Hände hatte man ihm fest auf den Rücken gebunden, sodass die Handgelenke schmerzten, dennoch fühlte Mike keine Angst. Er würde den Männern, die ihn hier hielten niemals geben was sie wollten, auch wenn sie ihn noch so oft schlugen.
„Wo hast du ihn versteckt?“, bellte der Mann vor ihm wieder und ballte die Hand zu einer Faust. Mike wusste, dass er ihm schon längst erneut damit eine verpasst hätte, wenn dessen Kumpel nicht dazwischen gegangen wäre. Wenn er das Bewusstsein verlor und gar nicht mehr aufwachte, dann würden sie nie erhalten, was sie benötigten.
„Ich weiß nicht, wovon ihr redet!“, erwiderte Mike, dabei konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen, auch wenn es seine Worte ungläubig machte. „Ihr habt doch alles, was ihr wolltet! Ihr hab euch mein Schiff genommen. Und nun, was wollt ihr noch?“ Damit spuckte er ihnen abfällig entgegen. Miese Piraten waren diese Männer, Ehrenlose, die es ausgenutzt hatten, dass die Crew der Nautilus sie aus dem Meer gefischt hatte. Zum Dank hatten sie gierig die Hände nach dem fremden Eigentum ausgestreckt und ihn, Mike – Prinz Dakkar, den Sohn des legendären Kapitän Nemo, von seinem eigenen Schiff geworfen.
„Sie bewegt sich keinen Meter!“, keifte der Mann, der den Fehler begangen hatte, ihn zu schlagen aufgeregt. Mike hob nur eine Augenbraue und ließ den Blick über seine Kameraden gleiten. Wie ihn hatte man sie von ihrem Schiff auf diesen Strand gezerrt, aber ein Gesicht fehlte und Mike kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass diese dahergelaufenen Piraten sich bald wünschen würden, ein anderes Schiff überfallen zu haben.
„Das liegt daran, dass ihr absolute Vollidioten seid und keine Ahnung von der Seefahrt habt!“
„Verkauf mich nicht für dumm!“, schrie der Mann, mit dem Arm ausholend. „Ich weiß, dass die Maschinen ohne diesen verdammten Kristall nicht laufen! Also: Wo hast du verdammter Hurensohn ihn versteckt?!“
Mike blinzelte nicht, obwohl er wusste, dass er sich einen weiteren Schlag einhandeln würde. Die flache Hand traf ihn hart und ließ ihn Sternchen sehen, jedoch war noch etwas in seinem Blickwinkel aufgetaucht. Mit aller Macht kämpfte er gegen die Bewusstlosigkeit an und grinste abermals.
„Das war ein Fehler“, teilte er dem Mann vor sich mit.
„Ach ja?“, entgegnete der. „Was lässt dich daran glauben, dass du in einer höheren Position bist, obwohl du gefesselt vor mir stehst?“
Mike wusste, dass der Mann darauf keine Antwort wollte, die Frage war rhetorischer Natur, aber er bekam sie doch. Etwas silbernes sauste durch die Luft. Bevor er es auch nur gesehen hatte, schlug das Messer in seiner Schulter ein. Mike reagierte instinktiv, ließ sich fallen und trat nach den Knien des Mannes, dass dieser zu Fall gebracht wurde und rollte sich dann weg, um mehr Abstand zwischen sich und ihn zu bringen.
Der zweite Mann fuhr herum, aber der Schatten, der auf ihn zugerast kam, war zu schnell. Bevor er auch nur seine Waffe heben konnte, lag diese auf dem Boden und er selbst folgte nur Sekunden später. Die Augen hatte er ungläubig auf einen Punkt über sich gerichtet, dann schlossen sie sich, als die Bewusstlosigkeit ihn empfing.
Mike wusste, dass der andere nicht ein solches Glück haben würde. Nicht nachdem Singh mehrmals gesehen haben musste, wie er ihn geschlagen hatte. Das Messer hätte sonst einen anderen Weg gefunden. Nur zu genau wusste Mike, wie zielsicher Singh damit umgehen konnte. Es war klar, dass der Mann vor ihm lediglich handlungsunfähig gemachte werden, aber klar bei Bewusstsein bleiben sollte.
„Es ist eine Verfehlung, die mit dem Tod bestraft wird, die verstorbene Königin mit solchen Worten zu entehren“, zischte Singhs kalte Stimme, als er den Mann am Kragen packte. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und hätte direkt aus der Hölle stammen können. Dabei waren seine Bewegungen so kraftvoll wie die eines Hundes. Ein Höllenhund, konnte man meinen und Mike hätte nun keine Lust gehabt, mit dem Mann zu tauschen. Er würde jeden Schlag, den er ihm verpasst hatte, nun selbst zu spüren bekommen, es sei denn, er – Mike – würde Singh befehlen es nicht zu tun. „Außerdem habt Ihr die Hände an meinen Herrn gelegt!“ Damit zog er den armen Piraten, der nicht gezögert hätte, sie alle zu töten, zum Waldrand. „Ich werde Euch also keinen schnellen Tod gewähren können“, erklärte Singh, böse zu dem Mann hinabblickend, während er ihn auf die Füße zog und an den nächsten Baum band. Dann wandte er sich in aller Ruhe ab und trat zu Mike. „Seid Ihr schwer verletzt, Herr?“ Die Schnüre um Mikes Handgelenke wurden durchtrennt und seine Schrammen und Blutergüsse an den Wangen eingehend begutachtet.
„Nein.“ Mike schüttelte den Kopf, blickte zu dem gebundenen Piraten und grinste, was den noch blasser werden ließ. Dann beugte er sich zu seinem Höllenhund vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
„Das mache ich gerne!“, lachte der, wetzte das Messer und drehte sich zu dem armen Tor um.
„Aber lass ihn langsam ausbluten!“, rief Mike, was Singh abermals lachen und den Mann kalkweiß werden ließ. Sollte er ruhig noch ein paar Minuten glauben,dass der Höllenhund Ghunda Singh ihn zu Tode foltern würde, bis der das tat, was Mike ihm befohlen hatte: Die Wunde versorgen und ihn losmachen.
Sobald die Crew der Nautilus wieder an Bord und der Kristall an seinem Platz war, würden die beiden Piraten auf dieser Insel ihr neues Zuhause gefunden haben. Natürlich weitgehend unverletzt, mit einigen Vorräten und in ein paar Tagen würde ein Funkspruch auf dem nächsten Festland eingehen, der Hilfe schicken würde.