Sie lagen kuschelnd im Bett, da klopfte es laut an der Tür. „Hallo ihr Turteltäubchen. Habt ihr Lust auf ein gemeinsames Frühstück? Es ist alles vorbereitet. Kommt einfach runter!“ Georg, Uwes Vater, meinte es freilich nur gut, doch Uwe verdrehte mal wieder genervt die Augen. „Mein Engel, siehst du? Das ist einer der Gründe, warum ich die Innsbrucker Wohnung bevorzuge.“
Moni lachte, „Ach Schatz. Sei einfach froh, dass du deinen Vater noch hast. Genieße die Zeit auf dem Hof, das war dir doch immer so wichtig!“ Sie kitzelte ihn zwischen den Zehen. „Los komm du Faulpelz, wer zuerst im Bad ist, hat gewonnen.“
Unten in der Küche duftete es nach Rührei, Speck und frisch aufgebrühtem Kaffee. Strahlend empfing Olga die Turteltäubchen. „Moni, ich freue mich ja so! Wie lange bleibst du?“
Moni musterte das ukrainische Mädchen bevor sie antwortete: „Mensch Olga, gut schaust du aus. Ich weiß es noch gar nicht so genau, mal sehen.“ Moni deutete lachend mit dem Daumen auf Uwe. „Je nachdem was mein Chef alles mit mir vor hat.“ Dann lagen sich die Frauen in den Armen. Aus dem schüchternen Mädel war eine selbstbewusste junge Dame geworden. Jetzt fiel Moni die Geschichte vom hässlichen Entlein ein.
Rita und Georg saßen mit Franz bereits an dem großen Bauern-Holztisch. „Guten Morgen ihr zwei Süßen! Na, was gibt es denn Neues aus deiner Heimat?“, fragte Rita neugierig. Moni bemerkte sofort, dass Rita nicht nur einiges abgenommen hatte, sondern auch ziemlich blass war. Letztes Jahr wurde bei ihr eine schreckliche Diagnose gestellt, eine bestimmte Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zusammen mit Georg war sie in einer der besten Kliniken Österreichs untergebracht. Durch eine geglückte Operation hatte Rita von den Ärzten eine gute Prognose erhalten.
Rita war die Schwester von Georgs verstorbener Frau. Sie hatte ihren Schwager schon immer sehr gemocht. Nachdem er jetzt seit vielen Jahren hier auf dem Hof lebte, sich um den Kräutergarten sowie um die Tux-Zillertaler Kühe kümmerte, hatte sich Rita in den charismatischen Senior-Hirnchirurg verliebt. Inzwischen waren die beiden tatsächlich ein Paar. Gemeinsam planten sie eine längere Reise durch die Staaten, dem Traumziel von Rita, die zeitlebens hier auf dem Hof gelebt und gearbeitet hat.
Moni hakte nach: „Rita, wie geht es denn dir inzwischen?“ Ihre Betonung lag auf dem Wort dir.
„Danke der lieben Nachfrage, ich kann nicht klagen. Hab ja den besten Arzt an meiner Seite.“ Verliebt lächelte Rita ihren Georg an, dabei hakte sie sich bei ihm unter. „Ich halte mich an den Ernährungsplan, lege viele Ruhepausen ein und genieße das Leben. Gut, dass mir Olga so viel Arbeit ab nimmt.“ Moni nickte, „So ist es recht! Habt ihr schon einen Termin für euren Urlaub, wann fliegt ihr?“
Jetzt mischte sich Georg in das Gespräch ein: „Vermutlich Ende Mai, Anfang Juni. Wir wollten dich fragen, ob du in dieser Zeit hier auf dem Hof aushelfen kannst.“
Moni nickte und schluckte ein Stück Brot mit frischem Ziegenkäse hinunter, „Na klar, auf jeden Fall. Das habe ich ja versprochen.“ Uwe lächelte und zwinkerte seinem Vater zu. „Macht euch keine großen Sorgen, wir helfen alle zusammen. Es gibt ja auch noch Olgas Stefan, wo ist er eigentlich?“
„Gerade ist er in der Kirche bei der Probe,“ antwortete Olga stolz. Stefan war ein grandioser Kirchenorgelspieler und inzwischen ihr Verlobter. Nach einer Sonntagsmesse lernten die beiden sich kennen. Käthe hatte damals wunderbare Verkupplungsarbeit geleistet. Denn auch Stefan war von Natur aus sehr schüchtern und zurückhaltend.
„Dann sehen wir ihn spätestens heute Nachmittag, oder?“
Olga nickte. „Moni, jetzt bist du dran mit erzählen. Wie hat deine Schwägerin den Tod von ihrem Vater inzwischen verkraftet?“
Moni plauderte drauf los: „Also, wie ihr euch denken könnt, war die Beerdigung eine traurige Angelegenheit. Vor allem weil die Jungs in erster Linie noch immer um ihren Vater trauern. Jetzt wurde Opa Adolf im gleichen Grab beigesetzt. Auch bei mir haben die Erinnerungen für viele Tränen gesorgt. Es gab nur eine sehr kleine Feier im engsten Kreis, wie man so schön sagt. Klara ist völlig mit den Nerven runter. Von ihrem Mann erhält sie kaum Unterstützung. Ihr wisst ja, der sitzt nur auf der Couch und glotzt ins Fernsehgerät. Ich habe mich um alle Termine und Angelegenheiten gekümmert. Selbst die Gespräche mit dem Pfarrer hatten sie mir aufgebrummt.“ Sie trank ihren Kaffee leer und stopfte sich den Rest ihres Brotes in den Mund.
„Das Haus wurde inzwischen an eine Immobilienfirma verkauft, die ein modernes Mehrfamilienhaus auf dem großen Gelände bauen. Ich habe meinen Anteil den Jungs geschenkt, sie werden sich dafür schöne Wohnungen in diesem Neubau kaufen können.“
Uwe hörte aufmerksam aber skeptisch zu. Was ihm bei der Berichterstattung fehlte, war die Tatsache, dass auch er in den letzten Wochen ebenfalls immer wieder an den Wochenenden bei seiner Liebsten in der Heimat war und sie bei wichtigen Erledigungen unterstützt hatte. Vor allem finanziell. Wenn er sich es recht überlegte, hatte er die kompletten Kosten der Beerdigung übernommen. Noch dazu dauerte die Fahrt jedes Mal um die fünf Stunden. Als Moni fertig war mit ihren Erzählungen, schaute er sie entrüstet an. „Ach, es hat dir also niemand geholfen?“ Moni drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Doch natürlich. Mein Uwe Schatz hat mich moralisch und geldtechnisch dabei unterstützt.“ Georg und Franz klatschten in die Hände.
Rita hatte in der ganzen Zeit nur ein winziges Stück Weißbrot gekaut. Jetzt legte sie ihr Besteck auf den Teller und schob ihn weit von sich, „Und was macht dein Strickcafé?“
Georg schenkte Kaffee nach und aus Moni sprudelte es nur so so heraus. Während Moni ihre Erzählungen ausschmückte und den Frauen ganz genau erklärte, wie das mit den Strickkursen funktionierte und welche Wolle derzeit der Hit war, nickten sich Uwe und Franz zu. Sie verließen die Küche, um sich Gummistiefel und Arbeitskleider anzuziehen. Durch das Fenster sah Moni ihren etepetete-Uwe in der Stallkluft durch den Schnee stapfen. Irritierte hielt sie einen Moment inne, dann plapperte sie fröhlich weiter. „Stellt euch vor, jeden Tag sind die Plätze des Cafés belegt. Die gebackenen Kuchen und Torten sind abends ausverkauft. Wir werden einen weiteren Mitarbeiter einstellen müssen, denn selbst Uta und Sandy, die begnadeten Bäckerinnen, sind inzwischen am Ende ihrer Kräfte. Das hätten wir so nie erwartet.“
„Das ist ja voll toll!“, freute sich Olga und tätschelte Monis Schulter. „Wir freuen uns sehr für dich.“ Rita nickte und lächelte, „Ja unbedingt. Wir kommen auf jeden Fall bald zu Besuch, nicht wahr Olga?“
Moni half den Frauen die Küche wieder in Ordnung zu bringen. Anschließend suchte sie die Hunde, holte Uwe aus dem Stall und überredete ihn zu einem Spaziergang. Zuerst drehten sie die Runde im Wald. Dann liefen sie zum Nachbarhof, wo Rondo schon fertig gesattelt auf sein Herrchen wartete. Neben ihm stand Karl, auch er begrüßte die beiden sehr herzlich. Doch dieser vermied den direkten Blickkontakt zu Moni. Bis heute wusste er nicht, ob Moni ihrem Uwe von diesem einen Abend erzählt hatte, als sie sich ein wenig näher gekommen waren. Im Nachhinein war ihm die Sache damals peinlich. Inzwischen hatte er sich in eine Frau aus dem Dorf verliebt und Moni einigermaßen aus seinen Gedanken vertrieben.
Rondo stand unruhig neben der Koppel und hob seinen Kopf hoch und runter. Dann erkannte er seinen Besitzer, wieherte kurz zur Begrüßung und schnaubte. Zu zweit streichelten sie seinen Hals. Uwe hielt ihm kleine Apfelstücke unter das Maul, welche das Pferd genüsslich entgegennahm. „Wie er sich freut, mhm?“ An Rondo gewandt sagte er mit seiner sanftesten Stimme, „Du bist ein wunderbarer Hengst. Komm her zu mir, ja?“ Uwes Blick wirkte leicht verklärt. Die Liebe zu Pferden sah man ihm sofort an.
Er nahm Rondos Zügel in die Hand und führte ihn. Zusammen mit Moni und den Hunden lief Uwe zu Fuß Dorf. Es war zwar kalt und neblig, dennoch genossen beide die frische Bergluft sowie den Schnee. Sie hatten vor, einen Platz im Biohotel für das Abendessen zu reservieren. Es war Uwes Wunsch, dass sie einen weiteren Abend nur zu zweit verbrachten. „Mein Engel, diese gemeinsame Zeit ist so selten, bitte lass uns alleine essen gehen.“