Der nächste Tag begann turbulent und chaotisch. Zuerst erkannte Moni entsetzt, dass sie verschlafen hatte. Direkt im Anschluss tappte sie barfuß in eine stinkende Lache, welche sich neben ihrem Bett auf dem Schlafzimmerboden befand. „Bruno! Was soll das denn?“ Hatte er tatsächlich in die Wohnung gemacht? Handelte es sich um Erbrochenes oder Durchfall? Schnell hielt sie sich die Nase zu, denn der Gestank war widerlich. Sowas gab es bisher noch nie. Winselnd kam der Hund zu ihr, den Schwanz hatte er eingezogen, den Kopf hielt er gesenkt. „Bruno, was ist mit dir?“ Moni streichelte ihn vorsichtig. Seine Antwort bestand nur aus einem lauten Bellen, dann rannte er an die Terrassentür.
Sie ließ ihn raus und sah ihm dabei dazu, wie er sich krümmte und würgte. Moni stieß einen Seufzer aus und suchte die Nummer des Tierarztes. Sie hatte ihn bis jetzt noch nicht benötigt, da Bruno nie kränkelte. Dann fiel ihr ein, sie könnte zuerst bei Tina nachfragen, schließlich kannte sie sich mit dieser Rasse am besten aus. Doch sie ging nicht ans Telefon. So schaltete Moni Kaffeemaschine und Radio an und wählte dabei Uwes Nummer. Auch er schien beschäftigt zu sein.
Achselzuckend lief sie ins Badezimmer, stellte sich unter die Dusche und wusste noch nicht, dass heute der Tag war, an dem sich die Ereignisse überschlugen.
Es folgte das harmlose Klingeln von Monis Handy. Es war ihr Schatz Uwe, der sich, so dachte sie zumindest, endlich zurückmeldete. Doch anstatt sie freundlich zu begrüßen, keuchte er so laut ins Telefon, dass Moni sich erschrak. Mit vor Schmerz verzerrter Stimme raunte er in den Hörer: „Liebes, mir gehts sauschlecht. Hilf mir... Ich glaube, ich habe einen Schwächeanfall.“ „Was? Wieso, ähm...“ Moni fühlte sich überfordert und wusste darauf keine Antwort.
„Ich zittere am ganzen Körper. Ich glaube, ich hab sogar Fieber!“
Inzwischen dachte Moni an Alkohol. Vorsichtig fragte sie nach: „Hast du getrunken?“
„Mein Engel, hörst du mir nicht zu? Ich habe Fieber, bitte ruf sofort Georg an. Ich ...“ Jetzt war die Verbindung weg. Sorgenvoll meldete sie den Vorfall bei Uwes Vater. Georg hörte ihr aufmerksam zu und schnell fiel ihm dazu ein: „Malaria? Hat er einen Schub?“ Moni riss ihre Augen weit auf. „Malaria? Oh mein Gott.“ Moni wurde es angst und bange, da kannte sie sich ja gar nicht aus. Sie hatten nie darüber gesprochen, dass die Krankheit womöglich ausbrechen konnte.
„Moni, ich kümmere mich um alles Weitere, komm bitte sofort hierher!“ Georgs Stimme klang dermaßen besorgt und ernst, dass Monis Augen sich mit Tränen füllten. Sie rannte in den Garten, um ihren Bruno zu suchen.
***
Georg versicherte seiner Rita, dass er schnellstmöglich wieder bei ihr war und alarmierte seine Tochter Tina. Draußen traf er Franz, der gerade rauchend vor dem Stall lehnte. Mit wenigen Worten erklärte er dem Knecht, was passiert war. Franz schlug drei Kreuze und zündete sich schnell eine zweite Zigarette an.
Rita saß in ihrem Fernsehsessel im Wohnzimmer und hielt sich die Hand vor den Mund. „Oh nein!“ Eigentlich wollte sie ihrem Georg genau heute von ihren seltsamen Schmerzen, die eher einem massiven Druck ähnelten, erzählen. Der Drang, zur Toilette zu müssen, war so stark, dass es sehr schmerzte. Jetzt wurde es dringend Zeit, doch das WC im Erdgeschoss war schon seit einer halben Stunde besetzt. „Olga, alles klar bei dir?“
„Bin mir nicht sicher,“ jammerte das Mädchen. „Es tut mir so leid, ich muss mich ständig übergeben, vielleicht habe ich was Falsches gegessen. Oder liegt es an dem selber gemachten Brennnesseltee?“ Da Rita den Druck nicht mehr halten konnte, schleppte sie sich ins Obergeschoss. Hier gab es noch ein zweites Badezimmer mit einer Toilette. Schon beim Treppensteigen spürte sie eine unangenehme warme Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen. Sorgenvoll aber gleichzeitig vorsichtig zog sie ihre Unterhose nach unten. Alles war blutig. Erschrocken darüber und völlig erschöpft blieb Rita einfach auf dem Deckel der Toilette sitzen. Viele Minuten später hörte sie Olga rufen: „Rita! Rita?“
„Olga, ich bin oben im Badezimmer, bitte hilf mir, ruf einen Arzt!“ „Was? Aber warum denn?“ Schnell sprang Olga die Treppe zu ihr hoch. Als das schüchterne Mädel ihre Rita so vorfand, begann sie zu zittern und zu schluchzen. „Oh mein Gott, Hilfe! Hilfe!“
***
In Windeseile packte Moni ihre wichtigsten Utensilien in die Tasche, gab ihrer Putzperle Chrissy Bescheid und legte ein paar Scheine für sie auf den Küchentisch. „Falls du irgendetwas benötigen solltest. Ich weiß nicht wie lange ich weg bin.“ Mit der Leine in der einen Hand und dem Handy in der anderen stürmte sie zu Bruno in den Garten hinaus. Moni erreichte jetzt endlich Uta und erklärte ihr die aktuelle Lage. „Ich fahr jetzt gleich nach Innsbruck, kannst du meinen Arbeitstag übernehmen?“ „Ja freilich, mach dir deswegen keine Gedanken. Ich drücke die Daumen, dass bei Uwe und auch bei Bruno schnell wieder alles gut ist.“
Dann versuchte Moni erneut Georg ans Telefon zu bekommen, aber bei ihm war ständig belegt. Aufgeregt wählte sie die Nummer von Uwes Station K1. Hier erreichte sie glücklicherweise Schwester Heidi, die beruhigend auf sie einredete: „Einer der Assistenzärzte kümmert sich bereits um Uwe, keine Sorge. Victor hat Notdienst, er wird jede Minute eintreffen. Georg hat zusätzlich einen befreundeten Internisten alarmiert. Auch dieser Arzt wird wohl demnächst eintreffen. Moni, hab keine Angst, wir kümmern uns um ihn.“
Nervös und aufgeregt lief Moni im Kreis. Wie nur sollte sie in diesem Zustand über 400 km fahren? Zurück in der Wohnung trat ihr der Geruch von Lavendel in die Nase. Chrissy stand da und hielt ihr eine dampfende Tasse Tee hin.
„Ach wie lieb, Dankeschön.“ Moni überlegte die ganze Zeit, mit wem sie noch reden könnte. Sie wählte Thommys Nummer. Leider meldete sich nur die Mailbox. Seufzend nahm sie ihr weniges Gepäck, gab Bruno eine Kleinigkeit zu essen und belud das Auto. Oder wäre es besser, sich lieber ein Taxi zu rufen?
***
Tina wählte den Notruf, blieb bei Rita sitzen und streichelte ihre Hand. Zusammen mit Franz hatten sie die blutende Dame aufs Bett gelegt. „Mir ist so schwindelig und schlecht“, flüsterte Rita kaum hörbar. Max nahm die völlig verstörte Olga, die inzwischen leichenblass war, mit zu sich auf den Nachbarhof. Seine Mutter Margit stand schon an der Tür und nahm das weinende Mädchen liebevoll in Empfang. „Oh Gott oh Gott, womöglich habe ich den Tee falsch zubereitet?“ Olga suchte die Schuld bei sich. „Alles gut, Olga. Das liegt bestimmt nicht am Tee. Komm rein, Linus und Lara freuen sich schon auf deinen Besuch.“
Karl war mit ernster Miene losgefahren, um Elsbeth abzuholen. Die freundliche Aushilfe hatte sich sofort bereit erklärt, auf dem Hof einzuspringen.