Moni kam zehn Minuten zu spät in das Café der Klinik. Uwe saß alleine an einem Fensterplatz und rührte gedankenverloren in seiner Tasse. Fröhlich rief sie seinen Namen und hob ihre Hand zum Gruß. Mit herumfuchtelnden Armen deutete sie an, sie würde sich gleich einen Kaffee an der Theke ordern. Uwe nickte und lächelte. Er lehnte sich entspannt zurück und betrachtete seine Auserwählte.
Wie wunderschön sie heute wieder aussah. Moni trug eine der modernen, hellen, enganliegenden Jeans, deren Gesäßtaschen raffiniert angebracht waren, so dass der Po klein und knackig wirkte. Die schwarzen Pumps mit niedrigem Absatz und die figurbetonte schwarze Bluse passten hervorragend dazu. Ihre lockige Mähne trug sie heute offen, was sie jugendlich wirken ließ. Sie hatte wie immer nur ein dezentes Make-up angelegt, da Moni Wert darauf legte, natürlich auszusehen. Ganz sicher würde sie niemand auf fünfzig schätzen. Er hörte ihre freundliche Stimme, „Vielen lieben Dank, Ihnen noch einen schönen Nachmittag, gell!“ Dann stolzierte sie selbstbewusst mit dem Tablett in der Hand zu ihm. Unterwegs lächelte sie die Besucher und Gäste strahlend an oder nickte ihnen zu. Mit ihrem offenen sympathischen Wesen öffnete sie die Herzen vieler Menschen in Sekundenschnelle. Was hatte er doch für ein Glück, diese einzigartige Frau kennen und lieben zu lernen.
Wie gerne würde er sie auf der Stelle heiraten. Doch dafür benötigte es noch ein wenig Zeit und Geduld.
Uwe stand auf und nahm seine Liebste in die Arme. Sie drückten sich einen schnellen Kuss auf die Wange. Das hatten sie so vereinbart.
In der Öffentlichkeit der Klinik keine heißen Knutschszenen, so wie sich Moni ausdrückte. Das brachte den Chefarzt zum Schmunzeln, aber er gab ihr Recht.
„Bist du ganz alleine hier? Ich dachte, Jo ist bei dir,“ wunderte sich Moni und sah sich suchend um. Sie steckte die Gabel in den Käsekuchen, um ihren Schatz von der süßen Köstlichkeit probieren zu lassen. Dankend öffnete Uwe den Mund, „Mhm, die beiden sind draußen. Ihr Sohn hat heute Geburtstag und sie wollten ihn anrufen, bevor er zur Uni fährt. Sie müssen immer die acht Stunden Zeitverschiebung einplanen.“ Uwe nahm Monis Hand und streichelte sie zärtlich. Sie schauten sich lange in die Augen. „Mein Engel, du bist so eine hinreißende Frau. Ich liebe dich!“
„Und ich liebe dich mein Schatz! Was denkst du, bis wann hast du heute Feierabend? Ich möchte gerne das Wochenende planen.“ „Aber Liebes, ich muss dieses Mal arbeiten, ich habe nicht frei.“ Monis gute Laune war sofort dahin. „Ach so,“ antwortete Moni resigniert.
Tränen bildeten sich in ihren Augen. Schnell nahm Uwe wieder ihre Hände in die seine. „Bitte, nicht weinen.“
„Ich sollte aber dringend nach Stuttgart fahren, das haben wir doch besprochen.“ Uwe kratzte sich an der Stirn und seufzte. „Ich habe mich wohl am Datum geirrt. Es tut mir leid. Victor und Eva haben noch Urlaub. Es ist das erste Wochenende für Jo, da sind die Abläufe ein wenig anders. Ich...“ Moni unterbrach ihn, „Schon gut, dann werde ich eben ohne dich fahren. Ich hoffe, Jan hat kurzfristig Zeit.“ Jetzt war es Uwe, dessen Gesichtsausdruck sich verdunkelte. „Ich ruf ihn sofort an und frage nach. Kommst du aber bitte abends wieder? Lass mich nicht über Nacht allein.“
Bevor Moni ihm eine weitere Antwort geben konnte, kamen Jo und seine Frau Iris an den Tisch. Sie freuten sich sehr, Moni zu sehen. Iris fragte direkt: „Wir würden euch gerne morgen Abend zum Essen einladen. Passt das bei euch?“ Moni lächelte, „Wie schön, das ist sehr lieb. Wir haben Zeit oder Schatz?“ Uwe wischte auf dem Display seines Handys und suchte nach eingetragenen Terminen. Dann lächelte er und nickte ebenfalls „Tatsächlich haben wir nichts vor.“ Jo freute sich, „Klasse, meine Frau kocht nämlich hervorragend, lasst euch überraschen.“
Sie verabschiedeten sich für heute, denn Jo hatte jetzt seine große Einstellungsuntersuchung. Dieser Check-up führte Dr. Haller im anderen Spital durch. Neben allen Routineuntersuchungen waren auch Titerbestimmungen wichtig, um evtl. versäumte Impfungen nachzuholen.
Uwe nahm Moni an die Hand und fragte liebevoll, „Mein Engel, kommst du mit mir ins Büro? Ich habe Post von zwei Tagen zu erledigen.“ „Gut, aber ich muss kurz vor 18 Uhr nochmal los.“ Bevor Uwe nachfragen konnte warum, piepte sein Pager Alarm und er rannte los. „Bitte fang schon mal an, ich komme gleich nach.“
Moni arbeitete sich durch die Briefe und Prospekte. Die Zeit verging wie im Flug und sie musste sich beeilen, um das Geschenk für Uwe rechtzeitig abzuholen. Da er sich noch nicht blicken hat lassen, ging Moni von einem Notfall aus und schickte ihm eine Nachricht. „Bin mit Bruno spazieren.“
Auf dem Fußweg in die Stadt traf sie zufälligerweise auf Kim. Die Freude war auf beiden Seiten groß. „Ach wie schön! Wie geht es dir?“
„Gut, und selber?“
Moni erzählte mit knappen Sätzen von der aktuellen Situation. Kim hörte gut zu und machte gleich einen Vorschlag.
„Komm nach deinem Termin bei uns auf einen Kaffee vorbei. Käthe ist zwar nicht da, aber meine Mama und ich würden uns auch freuen.“ Moni sagte zu, Uwe hatte ihre Nachricht noch nicht einmal gelesen.
Überaus freundlich überreichte der Juwelierverkäufer das fertige Armband. Moni nahm das gute Stück entgegen und betrachtete es von allen Seiten. Die Gravur war professionell eingearbeitet und entsprach genau Ihrer Vorstellung. Das Schmuckstück wirkte hochwertig und würde ihrem Schatz bestimmt gefallen. Sie freute sich jetzt schon auf die Übergabe.
„Wünschen Sie eine Geschenkverpackung?“
„Ja gerne, vielen Dank."
Der freundliche Verkäufer hielt Moni die Tür auf. „Viel Spaß und noch einen schönen Abend. Besuchen Sie uns gerne wieder. Für Ihren nächsten Einkauf bei uns erhalten Sie 20 % Rabatt.“ Fröhlich verließ Moni das Geschäft.
Bruno kannte den Weg zur Stadtvilla und zerrte an der Leine. Immer schneller lief der Hund, Moni hatte alle Mühe ihm hinterherzukommen. „Sachte, sachte. Bruno, was ist denn los?“ Kaum waren sie am Ziel angekommen, ließ Moni ihn frei und er rannte hinters Haus. Mit einem Satz sprang er an Kim hoch, so dass diese den Halt verlor und mitsamt Bruno im Gras landete. „Was ist denn das für eine stürmische Begrüßung?“, lachte Kim. Ihre Mutter saß im Rollstuhl auf dem Balkon und lächelte schüchtern. Sie begrüßte die Gäste mit einem leichten Nicken.
„Komm, setz dich, magst ein Stück Kuchen?“ Moni hielt sich die Hand an den Bauch. „Danke nein, ich habe schon genug Kalorien für heute.“ Kim erzählte von ihrer Arbeit in der Klinik und davon, wie sehr Uwe ihr vertraute.
„Ja Kim, ich weiß. Er hält extrem viel von dir und ist mächtig stolz darauf, dass du bei ihm arbeitest.“
Kim freute sich, dann sagte sie: „Ich habe gehört, dass du offiziell seine Sekretärin wirst.“ Moni zwinkerte, „So, so, hast du das gehört. Ja, das stimmt.“
„Was wird dann aus Bruno? Bringst du ihn zu Olga nach Montan?“ Moni überlegte, „Ich weiß es nicht so recht, habe noch keinen Plan.“
„Ich habe eine Idee. Meine Mutter wäre sehr dankbar, wenn sie ein wenig Abwechslung und Unterhaltung hätte, den lieben langen Tag. Meinst du, Bruno kann hier bei ihr bleiben, auch wenn sie nicht mit ihm spazieren kann?“ Monis Augen leuchteten. „Das ist ja eine wunderbare Idee! Mensch Kim, damit wär bestimmt beiden geholfen. Es reicht völlig, wenn Bruno ab und zu raus in den Garten springen kann, um sich auszutoben.“
Vergnügt marschierte Moni nach Hause. Jetzt war also auch dieses Problem gelöst. Wie schön.
Uwe war noch nicht da, auch die Nachricht hatte er nicht gelesen. Sie legte das Geschenk für ihn auf seinen Nachttisch, gab Bruno sein Fressen und schlenderte ins Badezimmer. Es war inzwischen acht Uhr und er hatte sich nicht gemeldet. Ein ungutes Gefühl beschlich Moni. Was war passiert, dass er sich nicht einmal kurz meldete?
Sie kramte ihr Strickzeug aus der Tasche, schaltete den Fernseher ein und versuchte, sich auf das Muster zu konzentrieren. Bruno schlief zusammengerollt neben ihr auf der Couch, als sie endlich die Geräusche der Haustür hörte. Mit einem mächtigen Knall flog diese zu. Skeptisch wartete sie auf ihren Schatz. Doch Uwe stürmte ohne zu grüßen, direkt in die Küche, riss den Kühlschrank auf und trank eine Flasche Cola leer. Er rülpste ungeniert, dann schrie er laut: „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“
Bruno verkroch sich unter den Tisch und Moni starrte Richtung Küche. „Hallo? Alles ok?“ Jetzt streckte Uwe den Kopf ins Wohnzimmer. „Ich brauch sofort einen Schnaps,“ waren die ersten Worte, die er an seine Liebste richtete. Schnell stand Moni auf und nahm ihn in ihre Arme. „Komm zu mir, Schatz. Was ist denn passiert?“