Jan Rudel hatte alle Taschen und Koffer im Wagen verstaut und brauste davon. Moni und Uwe radelten wieder mit den E-Bikes zurück nach Innsbruck. Doch vor der Fahrt gab es für Uwe eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Es war die Idee von Hannes. Neben dem Radweg bei den ehemaligen Fischerhäuschen stellten sie die Räder ab und liefen auf den Steg hinaus. Uwe blickte sich nervös um, aber sie waren alleine. Moni blieb ein paar Meter hinter ihm stehen. Motivierend rief sie: „Schatz, du machst das jetzt.“ Aus seiner Tasche holte er ein zerknittertes Foto. Darauf war er zusammen mit Susan zu sehen, sie strahlten um die Wette. Wenn er solche Bilder sah, spürte er diese Stiche im Herz. Immer noch.
Uwe kniff die Augen zu. Langsam zerriss er das Foto in kleine Fetzen. Diese warf er in den See. Das sollte der endgültige Abschied von Susan sein, damit er endlich seinen Frieden fand und aufhörte, Gefühle für diese Frau zu haben. Susan sollte keinen einzigen Gedanken mehr wert sein. Denn Hass sei auch ein Gefühl, so die Worte von Hannes.
Die erste Zeit radelten sie ohne zu etwas zu sagen. Sie genossen die Fahrt und die Natur. Ein jeder hing seinen Gedanken nach. Moni grübelte, ob es wirklich eine gute Idee war, ein drittes Mal zu heiraten. Uwe verscheuchte die Schatten seiner Vergangenheit. Immer wieder dachte er an die glückliche Zeit in Afrika zurück.
Zwischen Wattens und Hall in Tirol kehrten sie ein und aßen zu Mittag. Uwe war es, der das Schweigen brach. Zärtlich nahm er Monis Hand. Stolz betrachtete er den funkelnden Ring. „Mein Engel, alles gut bei dir?“ Moni nickte und schmunzelte. „Ja Schatz, warum fragst du? Ich habe die Fahrt genossen, ab morgen müssen wir ja wieder malochen.“ Uwe schlug sich lachend mit der Hand auf die Stirn. „Du und deine Ausdrucksweise. Arbeiten nennt sich das, wird dürfen arbeiten!“
Auf den letzten Kilometern bis Innsbruck gab es für Uwe nur noch ein Thema. Die Planung der Hochzeit mit allem drum und dran. Moni befürchtete, dass ihr womöglich alles zu viel wurde. Denn Uwe hatte außergewöhnliche Ideen. War das nicht eine Nummer zu groß für sie? Gleichzeitig dachte sie an das traumhafte Hochzeitskleid, welches sie vor kurzem in einem Prospekt entdeckt hatte. „Uwe Schatz, wann genau möchtest du heiraten? Hast du schon einen Plan? Nächstes Frühjahr?“, fragte Moni.
„Wieso denn so lange warten? Jetzt dann, so schnell wie es eben geht. Vielleicht in vier Wochen?“
„Oder an deinem Geburtstag?“
***
Schon am nächsten Tag kehrte der Arbeitsalltag wieder ein. Moni wachte kurz nach sechs Uhr auf und fand das Bett neben sich leer vor. Sie stand kopfschüttelnd auf. Früher dachte sie, ein Chefarzt schob eher eine ruhige Kugel und hatte angenehme Arbeitszeiten. Doch ihr Exemplar war grundsätzlich einer der ersten auf Station. Mit der Kaffeetasse in der Hand telefonierte Moni zuerst mit Lina und fragte, wie es ihr und den Enkelkindern ging. Lina beruhigte sie: „Mir gehts subber, s`isch alles guad. Wann kommsch du amol nach München?“ Moni versprach ihrer Tochter schon am nächsten Wochenende vorbeizukommen. „Ich habe euch etwas sehr schönes zu erzählen!“
Gleich im Anschluss wählte Moni die Nummer von Käthe. „Mami, wie schön. Bist du wieder da?“ Moni lächelte, im Hintergrund hörte sie Bruno bellen. „Ja Süße, ich würde kurz vorbei kommen und euch knuddeln, wenn es dir recht ist. Und ich habe Neuigkeiten!“ Bei wichtigen Dingen legte Moni Wert darauf, es persönlich mitzuteilen und nicht über die neuen Medien.
Die Nachricht von der Hochzeit verbreitete sich ruckzuck. Freunde und Bekannte reagierten unterschiedlich. Während sich Monis Töchter wahnsinnig für ihre Mutter freuten, war ihre Schwester Uta eher skeptisch. „Könnt ihr nicht einfach so zusammen leben? Warum denn heiraten?“ „Warum denn nicht? Es war schließlich seine Idee,“ antwortete Moni.
Andy fing sogar am Telefon vor Rührung an zu weinen, als Moni ihr die Neuigkeit erzählte. „Wird die Hochzeit dann im Fernsehen übertragen? So wie bei den Königshäusern?“ Moni war für einen Moment sprachlos, bevor sie zögerlich antwortete. „Ähm, um Gottes Willen. Das wäre ja... Hoffentlich nicht!“ Sie würde noch heute Abend mit Uwe darüber sprechen.
Uwes Familie, Freunde sowie die Arbeitskollegen waren außer sich vor Freude. Bis auf Thommy. Bei einem seiner Besuche in Innsbruck hatten sich die Kumpels zum Essen verabredet. Thommy fragte geradeaus: „Mensch Uwe, hast du dir das wirklich gut überlegt? Moni ist eine tolle, liebe Frau. Du weißt, ich mag sie sehr. Ich möchte nicht, dass sie an deiner Seite verkümmert!“ Uwe legte seine Gabel auf die Serviette neben dem Teller und starrte ihn an. „Was sagst du da?“
„Moni stammt aus einfachen Verhältnissen. Ich habe das Gefühl, dass du dich damals in einen Wunschtraum verliebt hast!“ Uwe schluckte. „Sag mal Thommy, spinnst du? Warum sagst du das? Ich wollte dich heute fragen, ob du mein Trauzeuge werden möchtest. Und jetzt sowas? Was ist denn mit deiner eigenen Ehe? Gerade von dir brauche ich keine Tipps!“ Er wartete Thommys Reaktion nicht ab. Wütend stampfte Uwe davon.
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Georg ging es die letzten Tage nicht sonderlich, denn er zermarterte sich sein Gehirn. Er fragte sich, ob es eine gute Idee war, zur Hochzeit seine neue Freundin mitzubringen. Heather würde liebend gerne seine Familie, Österreich und natürlich den Hof in Montan kennen lernen.
Um darüber zu reden, wählte er die Nummer seiner Tochter. Tina, die wieder einmal im Stress war, meldete sich hektisch. „Hi Pa, machs kurz. Ich muss los.“ Georg starrte fassungslos auf sein Telefon. „Was ist denn das für eine Begrüßung? Hallo, wie geht es dir?“ Von Tina kam keinerlei Reaktion, daher hakte Georg nach: „Warten deine Tiere auf dich?“ „Genau, also schieß los!“
Wenn er nicht wüsste, wie wichtig es für Uwe war, dass er ihn zum Altar begleiten sollte, würde er seinen Besuch anlässlich der Hochzeit absagen. Der Termin war zwar kurzfristig doch er verstand seinen Sohn. Uwe war inzwischen Ende Vierzig, auf was sollte er noch warten? Für ihn war die Tatsache, Moni zur Schwiegertocher zu haben, ein wundervoller Gedanke. Mit ihrer fröhlichen und lebensbejahenden Art passte sie perfekt zu seinem introvertierten, meistens sehr ernsten Sohn. Außerdem würde sie Uwe immer wieder auf die Erde zurückholen. Noch dazu hatte Moni bereits Stärke bewiesen. Denn nicht jede Frau hätte seine Alkoholexzesse mitgemacht.
„Was denkst du, ist es angebracht wenn ich mit Heather zur Hochzeit komme?“ Tina überlegte nicht lange. „Hör zu, Pa, ganz ernsthaft? Du bist mit ihr zusammen, also warum denn nicht? Genieße das Leben, solange es noch geht.“ Georg schmunzelte. „Danke, was meinst du wie Uwe darüber denkt?“ „Dem wird es wohl nicht so gut gefallen, du weißt ja wie spießig und konservativ er ist.“
***
Moni und Uwe engagierten Frau Schön, eine Hochzeitsplanerin, damit die Wünsche und Ideen bei einer Zentrale zusammenliefen und es keine Enttäuschungen oder gar böse Überraschungen gab. Die Familienmitglieder und Freunde konnten sich direkt mit ihr in Verbindung setzen. Sie würde den besonderen Tag gestalten und versuchen, alle Termine unter einen Hut zu bringen.
Moni wollte unbedingt in der kleinen Kapelle in Montan heiraten.
„Mein Engel, da passen kaum zwanzig Menschen rein,“ gab Uwe zu bedenken. Moni zuckte mit den Schultern, „Aber das ist mein größter Wunsch. Wir lassen die Türe auf, so dass auch Leute von draußen zuhören können.“
Für Uwe war es wichtig, dass traditionelle österreichische Bräuche auf seiner Hochzeit nicht zu kurz kamen. Nur einer Brautentführung würde er nicht zustimmen. Aber das lehnte Moni sowieso ab. Außerdem wünschte er sich, dass so viele Menschen wie möglich, an dem großen Fest teilnahmen „Mein Engel, was hältst du davon, wenn wir das ganze Dorf einladen?“ „Das ganze Dorf Montan?“
Uwe nickte. „Früher gab es den sogenannten Hochzeitslader.“ „Was ist das denn? Hab ich noch nie gehört,“ fragte Moni interessiert.
„Warte kurz. Hier auf der Seite Brauchwiki.de steht es.“ Uwe tippte ein paar Worte in die Suchmaschine seines Internetproviders und las laut vor: „Ein Hochzeitslader oder Prograder zog mit einem bunt geschmückten Ladsteckn von Tür zu Tür und lud mit einem Sprüchlein alle Bewohner zum bevorstehenden Feste ein: „Grüß euch Gott mit Herz und Mund! Ihr seid wohl alle frisch und g’sund? Auch ich bin froh und guter Ding’, weil ich euch eine Botschaft bring, einen lieben Gruß in Gottes Nam’ von der Jungfrau Braut und dem Bräutigam. Sie haben mir geboten, ich soll gehen auf Reisen, euch alle zur Hochzeit laden und heißen!“
Monis Augen leuchteten. „Mensch Schatz! Was für eine wunderbare Idee. Was hältst du von einer Art Rummel? Wir lassen ein großes Zelt unten auf der Wiese aufbauen, wie bei einem Volksfest. Mit Musik und einem bunten Unterhaltungsprogramm.“