Schon am nächsten Tag fuhren sie wieder zurück nach Innsbruck, denn Uwe wurde in der Klinik gebraucht. Moni hatte ihm versprochen, ebenfalls die restliche Woche hier in der Stadt zu verbringen.
Herr Baker hatte seinen ersten Arbeitstag. Uwe verabschiedete sich fröhlich und gut gelaunt: „Mein Engel, kommst du zum gemeinsamen Mittagessen vorbei?“ Moni überlegte und sagte zu. Sie hatte sich für heute nicht viel vorgenommen. Lediglich einen Spaziergang mit Bruno, Telefonate mit ihren Töchtern und ein neues Strickmuster ausprobieren, standen auf dem Programm.
Käthe meldete sich verschlafen und berichtete von dem Abend, bei dem sie sich nicht wohl gefühlt hatte. „Aber meine Süße, warum denn?“ Käthe wusste es selbst nicht. „Ich kenn halt noch niemand. Du weißt ja, dass ich schüchtern bin.“ „Ja, aber ich dachte, genau deswegen gibt es so einen Kennenlernabend?“ „Trotzdem!“ Käthes Stimme klang recht traurig. Moni reagierte schnell: „Weißt du was? Gleich morgen komm ich zu dir nach Salzburg. So ein Mutter-Tochter Tag ist doch längst überfällig, gell?“ „Juhu, tolle Idee. Danke Mami, hab dich lieb!“
Nach dem Spaziergang am Inn überreichte Moni ihrem Bruno einen großen Knochen. Damit würde er eine Weile beschäftigt sein. Auf dem Weg in die Kantine traf sie Victor. Er freute sich, Moni zu sehen. „Ah, da ist ja meine Lieblingspatientin,“ lachte der Oberarzt. Sie umarmten sich herzlich. Moni fragte nach: „Na du, wie geht es dir? Was macht die Ehe?“
Victor berichtete, dass sich fast alles wieder eingerenkt hatte. Ab und zu musste er eben nachgeben, wenn Irina ihre verrückten Ideen durch setzte. Bei der Gelegenheit gab Moni zu verstehen, dass sie dringend einen Termin bei seiner Frau benötigte. „Ich richte es ihr aus und sie wird sich bei dir melden. Jetzt habe ich endlich vier Tage am Stück frei!“ Lächelnd eilte Victor davon.
Moni entdeckte Iris neben dem Kiosk. Sie hielt einen Becher in der Hand und sah sich schüchtern um. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte Moni sie. „Hallo, schön dich zu sehen. Bist du auch zum Mittagessen eingeladen?“ Iris lächelte zurück und freute sich. „Hi Moni, ach bin ich froh, dass du ebenfalls da bist.“ Die Frauen fielen sich in die Arme. Jetzt erst bemerkte Moni den Unterschied zu ihrer Beziehung mit Resi. Mit ihr wurde sie einfach nicht richtig warm. Da war es mit Iris ganz anders. Obwohl sie sich noch gar nicht lange kannten, waren sie so etwas wie Freundinnen.
Die Zeit verging wie im Fluge und schon stand das Wochenende vor der Tür, welches Moni unbedingt in Montan verbringen wollte. Uwe gab nach, warnte sie aber vor, „Ich hab so viel Arbeit, ich werde einiges mitnehmen müssen.“ Moni zuckte mit den Schultern, „Das macht mir gar nichts aus. Vielleicht kann ich dir ja helfen?“ Uwe grinste und zwinkerte ihr zu. „Ich glaub schon, hab da ne Idee.“
Moni nickte und erklärte ihrem Schatz. „Käthe kommt aber nun doch nicht mit. Sie bleibt ein paar Tage bei Kim in Innsbruck und dann fährt sie nach München zu Lina. Sie wünschen sich beide ein wenig Abwechslung.“ „Gut, und wann geht sie zurück nach Salzburg?“ „Keine Ahnung, das Winter Semester fängt erst im Oktober an. Sie hat noch jede Menge Zeit.“
Der Samstag war leider verregnet. Moni kochte Olgas Lieblingsgericht Linsen und Spätzle mit Saitenwürstchen, was als der schwäbische Klassiker galt. Uwe war morgens am PC und mittags im Pferdestall. Er ritt dennoch mit Rondo aus. „Regen macht uns echte Kerle nichts aus!“, prahlte er. Moni dagegen half viel lieber bei den Kühen. „Was ist aus dem kleinen Stier geworden?“
Franz lachte: „Komm mit, ich zeig dir den Prachtburschen.“ Moni war erstaunt, wie groß das Kälbchen in der kurzen Zeit geworden war. Die Flecken im Gesicht sahen lustig aus. „Hat er jetzt einen Namen bekommen?“ Franz antwortete: „Ja, natürlich. Er heißt Marlon. Wie der Schauspieler.“
„Stimmt,“ war Monis Antwort. „Er schaut genauso treudoof wie der junge Marlon Brando.“ Sie lachten so laut, dass Marlon vor Schreck beinahe umfiel.
Gegen Abend trudelten Moni und Uwe gleichzeitig in der Wohnung ein. Sie umarmten sich liebevoll, küssten sich und schienen rundum zufrieden. „Musst du nochmal ins Büro?“ Uwe nickte. „Ja später. Jetzt möchte ich gerne in die Wanne. Kommst du mit?“ Uwes Augen funkelten.
Mit verheißungsvoller Stimme antwortete sie. „Mhm, nur wenn ich eine Rückenmassage bekomme.“ „Du? Ich dachte, ich hätte mir das jetzt verdient.“
Moni lief kichernd Richtung Bad, unterwegs zog sie sich schon die ersten Kleidungsstücke aus, welche Uwe pfeifend wieder einsammelte.
***
Nur in ihren Bademäntel gekuschelt saßen Moni und Uwe im Arbeitszimmer. Sie hatten gemeinsam in der Küche ein kleines Abendessen vorbereitet. Eine Servierplatte mit Käsewürfel aus Kuhmilch, Frischkäsekugeln aus Ziegenmilch, sauren Gürkchen, Paprikastreifen und Tomatenstücke stand neben dem Schreibtisch bereit. Dazu gab es dünne Baguettescheiben, die Moni mit Olivenöl bestrichen und im Backofen knusprig angeröstet hatte.
Moni setzte sich auf die bequeme Ottomane, die neben dem Büroschrank stand. Auf dem passenden Beistelltisch legte sie ihre Serviette und den Teller mit den Köstlichkeiten ab. „So mein Schatz. Ich bin bereit. Womit kann ich dir dienen?“
Irritiert blickte Uwe zu ihr. „Ach, bitte aufpassen beim Essen gell. Hier!“, aus seinem Aktenkoffer griff er nach einem Stapel Unterlagen und Mappen. „Alles Bewerbungsunterlagen.“
„Bewerbungen?“, fragte Moni nach. Es wurde ihr heiß und kalt. Waren das etwas die Sekretärinnen? „Ja mein Engel. Ich möchte ab jetzt mehr Zeit mit dir verbringen. Da war meine Idee, ich stelle jemanden ein, der mich mit dem nervigen Schreibkram unterstützt. Eine Sekretärin, nur für mich alleine.“
Moni schluckte schwer. Ach herrje.
„Und wie soll ich da helfen?“ Monis Stimme klang unsicher.
„Du hilfst mir bei der Auswahl. Ich habe keine Zeit dafür. Muss heute noch zwei Berichte schreiben, wichtige Anfragen von Kollegen beantworten und eine Auswertung überprüfen. Du entscheidest, welche Frau tagsüber an meiner Seite verweilt.“ Uwe sagte diesen Satz so beiläufig, dass sich Monis Unsicherheit vergrößerte.
Sie stand auf und setzte sich an den zweiten Schreibtisch. Krampfhaft überlegte Moni was für Kriterien in diesem Fall wichtig waren und warum sie diese Arbeit alleine übernehmen sollte. Es gab doch eine Personalabteilung.
Uwe kam zu ihr, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte. „Ach mein Engel, bitte denk dran, sie wird mich auch zu verschiedenen Kongressen und Vorlesungen begleiten. Achte also auf das Äußere. Du kennst ja meinen Geschmack: jung, schlank, lange dunkle Haare, grüne Augen. Bitte such mir drei Bewerberinnen aus, die in die engere Wahl kommen, deiner Meinung nach.“ Monis Mund fühlte sich plötzlich ausgetrocknet an. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen. Hatte sie richtig gehört? War das wirklich sein Ernst? Bei der Vorstellung, dass eine andere Frau ständig in seiner Nähe war, wurde ihr schlecht. Verärgert herrschte sie ihn an: „Hä? Soll das ein Witz sein, oder was?“
Uwe lächelte immer noch.
„Na ja, ich dachte, du freust dich darüber, dass du bei der Auswahl dabei bist. Ich meine es nur gut.“ Schnell drehte er seinen Kopf wieder Richtung Monitor und starrte konzentriert auf die Tastatur. Es fiel ihm schwer, sich das Lachen zu verkneifen.
Moni aber biss sich auf die Lippen und kämpfte gegen die Tränen an, die sich bildeten. „Gut, ok. Dann guck ich mir die Damen mal an!“ Monis Stolz siegte und sie nahm die erste Mappe in die Hand. Schnell blinzelte sie ihre Tränen weg.
Bei der Durchsicht der Unterlagen wurde es Moni endgültig klar, wie eifersüchtig sie geworden war. Intelligente Schönheiten sprangen ihr ins Gesicht. Scheinbar wollten selbst Models ohne kaufmännische Ausbildung Chefsekretärin werden. Ganz sicherlich würde sie keine Frau so oft und so nah an ihren Uwe ranlassen. Womöglich würden sie gemeinsam nach Salzburg ins Hotel reisen. Über Nacht.
Nö, nö, nie im Leben würde sie das zulassen! Sie hatte bereits eine geniale Idee.
***
Heather und Georg saßen in einer Eisdiele am Broadway und schlürften einen Cappuccino. Verliebt wie er im Moment war, las er ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Täglich schenkte er ihr eine Kleinigkeit und führte sie aus. Dafür gab sie ihm das Gefühl, er wäre der einzige Mann weit und breit. Vorsichtig sagte sie: „Ich bin dir nicht böse, wenn du deinen Kindern nichts von uns erzählen möchtest. Du hast mein Verständnis und ich glaube dir, dass du in Deutschland keine andere Frau hast. Ich warte brav, bis du wieder kommst.“ In Georgs Augen lag eine Traurigkeit. Er nahm ihre Hände in seine. „Meine Liebe, weißt du, es ist nur... Ritas Tod ist noch nicht lange her. Ich kann nicht einschätzen, wie Tina und Uwe auf diese Nachricht reagieren. Ich möchte niemand verärgern.“ Heather nickte verständnisvoll.
„Ich liebe dich!“