Die Wochen bis Ostern vergingen ruck zuck. Uwe war bei Monis Workshop Wolle selber färben vor Ort mit dabei. Mit Andys Mann Tom hatte er von weitem dem bunten Treiben zugeschaut. Gemeinsam hatten sie Blumenzwiebeln und verschiedene Stauden gepflanzt. Sie schleppten schwere Säcke mit Erde und kauften allerlei unnötige Deko-Artikel, wie zum Beispiel ein albernes Wasserspiel, in dem nahegelegenen Pflanzenmarkt. Es war das erste Mal für Uwe, dass er einen Garten anlegte. Und das alles im T-Shirt, denn in Stuttgart war es Ende März schon recht mild mit Temperaturen um die zwanzig Grad. Der Chefarzt aus Innsbruck genoss diesen warmen Frühlingsbeginn, den er so aus seiner Bergheimat nicht kannte.
Überall zwitscherten die Vögel, Insekten brummten und summten. An Bäumen und Büschen zeigten sich erste grüne zarte Knospen. Auf dem Grünstreifen an der Straße, der zu Monis Wohnung gehörte, blühten Krokusse, Schneeglöckchen, Winterlinge sowie kleine Narzissen um die Wette. Die Welt erwachte aus dem Winterschlaf.
Dafür begleitete Moni ein Wochenende später ihren Schatz zu einem Vortrag nach Salzburg. Zusätzlich blieb sie ein paar Tage bei Uwe in der Innsbrucker Wohnung und machte ihn zumindest in dieser Zeit zum glücklichsten Chefarzt der Welt. So seine eigene Aussage. Gemeinsam schlenderten sie durch die Stationen der Klinik. Moni blätterte neugierig in den Bewerbungen für die Oberarztstelle. „Der sieht aber sympathisch aus“, Moni zeigte ihm die Arbeitsmappe von Dr. Jo Baker, einem gutaussehenden, schwarzen Hirnchirurg aus Michigan, die an oberster Stelle auf seinem Schreibtisch lag. Uwe lächelte nur ein klein wenig. „Liebling, das Aussehen ist bei dieser Stelle nebensächlich.“ Dann zwickte ihn Moni in die Seite und grinste frech. „Was du nicht sagst.“
Moni stand im engen Kontakt zu Rita und Olga. Sie wusste nicht genau, welche Medikamente Rita einnahm, sie erzählte was von drei verschieden farbige Dinger, die ihr Georg jeden Tag zum Frühstück gab. Damit ging es ihr soweit gut und sie blieb schmerzfrei. Sie fühlte sich zwar schwach und müde, konnte aber aufstehen, ein wenig essen und die Tiere besuchen. Georg betreute sie rund um die Uhr. Gemeinsam erlebten sie den Frühlingsbeginn in den Bergen. Hier oben im kühlen Montan war er immer viel später dran. Dennoch wurden auch hier die Tage länger und die Sonne wärmte zumindest die Herzen. Während vielerorts die Weiden und Wiesen noch unter einer Schneedecke lagen, zeigten sich im Garten an der geschützten Hauswand des Huberhofes ebenfalls erste Frühblüher der Alpenwelt.
Zwei Kühe waren trächtig und die Ziegenherde von Tina und Max würde dieses Jahr um einiges wachsen. Noch dazu hatte Tina inzwischen fünf Interessenten für Marammen Abruzzen-Schäferhunde Welpen. Auch hier hoffte man auf Nachwuchs. Ihr Gnadenhof war fertig, die ersten Tiere hatten ein neues Zuhause gefunden. Meistens handelte es sich um kranke oder alte Tiere unterschiedlicher Art.
Deren Besitzer waren entweder verstorben oder hatten einfach das Interesse an ihnen verloren. Tina würde all diese liebenswerten Lebewesen auf dem Gnadenhof aufnehmen und schon jetzt hatte sie Angst, dass die Ställe schnell zu eng wurden. Max blieb indessen auf dem Hof und kümmerte sich liebevoll zusammen mit seiner Mutter Margit und dem Stallburschen Karl um die Kinder und die eigenen Tiere.
Uwe besuchte zweimal in der Woche sein Pferd Rondo für einen längeren Ausritt. Wenn er von den Ausflügen zurückkam, warteten Lara und Linus auf ihn und er musste mit Barbiepuppen oder Autos im Parkhaus spielen. Seine Nichte und sein Neffe waren in der Auswahl ihrer Spielzeuge ganz klassische Vertreter ihres Geschlechts. Sehr zum Leidwesen von Tina, die als moderne Mutter schon seit der Geburt der Kleinen darauf achtete, sämtliche Geschlechter-Klischees zu vermeiden.
Käthe hatte inzwischen alle Prüfungen hinter sich gebracht und tatsächlich ihre Matura mit Bravour geschafft. Sie war überglücklich, fühlte sich frei wie noch nie in ihrem Leben. Bald konnte sie in Salzburg mit ihrem Musikstudium beginnen. Uwe zeigte sich äußerst spendabel und einfallsreich. Er schenkte Käthe für ihre außerordentlich gute Leistungen einen Wochenendtrip für zwei Personen nach Wien mit einem Besuch in der Staatsoper. Dr. Uwe Ortner hatte durch einen gut befreundeten Kollegen VIP Loge-Karten für das Singspiel Die Entführung aus dem Serail von Mozart, ergattert und Käthe damit ein exklusives Geschenk übergeben.
Kim war eine fleißige Humanmedizinstudentin. Für sie reservierte Uwe in Gedanken einen Platz in seinem eigenen Team. Immer wieder kam es ihm in den Sinn, dass er dieser talentierten und engagierten zukünftigen Ärztin später einmal die Klinikleitung übergeben würde, sollten Lara und Linus kein Interesse zeigen. Schon damals an ihrem ersten Arbeitstag war Kim mit ihrem Wissen und emsigen Eifer aufgefallen. Da kam ihm ihre Freundschaft zu Käthe genau richtig.
Das Schicksal führt zusammen, was zusammen gehört. Der Chefarzt überlegte krampfhaft, von welchem schlauen Menschen dieses Zitat stammte.
Moni besuchte nur selten ihre schwangere Tochter Lina, die in Simon einen wunderbaren, verständnisvollen Partner gefunden hat. Sie genoss die wenige gemeinsame Zeit mit ihren Enkelkindern Irene und Gerhard in München.
Die Osterfeiertage verbrachte Moni in Montan. Ihre beiden Töchter waren zu Besuch. Uwe beschäftigte sich gerne mit den Kindern, wurde aber immer wieder in die Klinik gerufen. Am Sonntag nahm die komplette Familie an der traditionellen Ostermesse teil, wo Olgas Freund Stefan sein eigens für diesen Tag komponiertes Stück auf der Kirchenorgel vortrug. Es wurde eine sehr gelungene Premiere. Olga war unheimlich stolz auf ihn.
Am Ostermontag verabschiedeten sich Moni und Uwe in den Kurzurlaub nach Limone an den Gardasee. Es gab einen kleinen Disput am Vortag, da Moni unbedingt selber den Wagen fahren wollte. Uwe jedoch beharrte darauf, dass sein Chauffeur das übernahm. „Bitte mein Engel, lass mir den Luxus, den ich benötige, um mich wohl zu fühlen.“ Da verdrehte Moni die Augen und gab klein bei. Unterwegs trafen sie ihre Freunde Thommy und Resi in Südtirol. Wie immer aßen sie im Lieblingsrestaurant zu Mittag. Beiläufig planten sie den nächsten gemeinsamen Urlaub in der Finca auf Mallorca.
Sie erreichten ihr traumhaftes Urlaubsziel, als sich der Himmel in ein kitschiges rosarot verfärbte, um mit diesen einzigartigen Farben die Sonne zu verabschieden. Moni und Uwe lächelten sich zu, küssten sich lange und leidenschaftlich. Dann ließen sie sich von den Bediensteten die Koffer in die Suite bringen und spazierten Hand in Hand hinunter zum Meer. Sie setzten sich auf den schmalen Holzsteg. Uwe zog seine Liebste zu sich, streichelte ihr liebevoll durch die Lockenmähne. „Mein Engel, ich kann es nicht glauben, dass es ein ganzes Jahr her ist, als wir hier zum letzten Mal saßen.“ Moni nickte schweigend, dachte an das weiße Dinner auf der Yacht mit dem Oligarchen, dem sie nachts das Leben retteten. Dann streckte sie ihr Gesicht nach oben in den warmen Wind und sog die herrliche Luft ein. „Ja Schatz, das ist alles unglaublich!“ Schnell zogen sie ihre Schuhe aus und hielten ihre weißen Füße ins kalte Wasser. Vergnügt beobachtete das Pärchen, wie die Wellen immer wieder ihre Zehen umspülten.