Nach einer kleinen Verschnaufpause im Pavillon, lockte Frau Schön die Gäste auf die Festwiese. Hier warteten hunderte von grüngoldene, mit Gas befüllte Luftballons, auf ihren Start. Ein jeder durfte auf die vorbereiteten Anhänger Wünsche für das Brautpaar schreiben. Diese Glückwunschzettel wurden an die Ballons gebunden. Auf das Zeichen von Frau Schön starteten alle gleichzeitig. Eine riesige Traube aus Luftballons schwebte den umliegenden Berggipfel entgegen. Moni und Uwe blickten ihnen händchenhaltend hinterher.
Pünktlich saßen die engsten Familienmitglieder und Freunde im Festsaal des Hotels und warteten auf das Hochzeitsmenü. Nach reiflicher Überlegung, wie man die Tische anordnen sollte, hatte sich Moni für die klassische Sitzordnung entschieden. In der Mitte einer langen, festlich geschmückten Tafel saß das Brautpaar. Direkt neben Uwe hatte sein Vater mit Freundin Platz genommen. Danach all die Menschen, die zu ihm gehörten. Moni hatte sich ihre Töchter an ihrer Seite gewünscht. Daneben saß ihr Bruder mit Familie und Monis Freundinnen aus ihrer Heimat. Die Trauzeugen saßen dem Hochzeitspaar gegenüber. Die Kleinsten wurden an einem separaten Kindertisch bespasst. Auf den Tischen lagen Malbücher und Stifte bereit. Sie beschäftigten sich aber vor allem mit ihren mitgebrachten Spielsachen. Es grenzte schon an ein kleines Wunder, wie gut sich die sechs Kinder verstanden, denn es gab weder Streitereien noch Geschrei.
In Österreich war es Tradition, dass die Hochzeitsgesellschaft ein kleines Gastgeschenk erhielt. Uwe hatte sich sich dafür gezuckerte Mandeln ausgesucht. Die Näherinnen hatten Tüllsäckchen aus Resten des Brautkleides genäht. In ihnen lagen fünf Stück, wobei jede davon eine Bedeutung hatte: Liebe, Glück, Gesundheit, Erfolg und Fruchtbarkeit. Das Geschirr, die Blumen und die komplette Deko waren auf die Farben der Kleidung des Brautpaars ausgerichtet.
Nach dem ersten Gang, der schwäbischen Festtagssuppe, die Tina und Max extra für Moni ausgesucht hatten, überbrachten Käthe, Kim, Lina und Simon ihr Geschenk. Uwe hatte zwar ausdrücklich darum gebeten, dass niemand unnötig Geld ausgeben sollte, doch besondere Ideen waren herzlich willkommen.
„Liebe Muader, lieber Ongel Dogder. Mir gradulierd eich ganz herzlich, gell. Und des do, isch unser Gschenk an eich!“, Lina kicherte, zog ihre Bluse über den Bauch und übergab ihrer Mutter und Uwe je einen Bilderrahmen. Moni zwinkerte ihrem Mann zu. „Na dann gucke mir mol, gell!“ Uwe hielt sich die Ohren zu. „Oh nein, bitte nicht!“ Sie lachten herzhaft, während sie die Urkunden betrachteten, die sich in den Rahmen befanden. Zuerst kapierte es Moni nicht. Uwe reagierte schneller. „Ach, sieh mal. Ich habe einen Stern geschenkt bekommen.“ Moni staunte nicht schlecht. „Ich auch,“ freute sie sich. „Mama, es ist handelt sich um eine Duonova, zwei sich umkreisende Sterne. Sie tragen eure Namen, schau her. Hier steht es.“ Käthe klärte ihre Mutter auf. Moni wunderte sich einmal mehr, was man heutzutage alles kaufen konnte. Uwe war sichtlich begeistert. „So eine außergewöhnliche Idee. Vielen lieben Dank!“
Auf einem separaten Tisch türmten sich weitere Geschenke, die Moni und Uwe nach und nach auspacken wollten. Da erklang das liebliche Klingeling eines Glöckchens und schnell nahmen sie wieder ihre Plätze ein. Die Kellner servierten den zweiten Gang: Verschiedene kunstvoll angerichtete Salatplatten. Alle in Herzform. Gurken, Tomaten, Radieschen, Mais und Salatblätter waren darauf drapiert. Dazu wurde frisch gebackenes Bauern Baguette gereicht.
Jetzt war Georg an der Reihe. Uwe fuhr sich nervös mit der Hand übers Kinn. Der Senior Chefarzt hielt eine kleine Rede und wünschte dem Brautpaar ebenfalls alles erdenklich Gute.
„Nachdem es sich deine Frau nicht nehmen ließ, ihr Kleid selber zu bezahlen, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Wie würde ich denn da stehen so ganz ohne Geschenk.“ Moni kicherte, vor allem weil Uwe ihr einen seltsamen Blick zuwarf. „Da ich ein alter, seniler Kerl ohne Ideen bin....“ Georg zwinkerte seiner Freundin Heather zu. „Ach was, kommt mit und seht selbst.“
Vor dem Hotel stand neben der Kutsche ein weißes Pferd mit einer grünen Schleife um den Hals und am Schweif. In die Mähne waren goldene Strähnen eingeflochten. Bruno saß stolz daneben. Karl nahm den Schimmel an den Zügeln und setzte ein schiefes Lächeln auf. Moni hielt sich die Hände vors Gesicht. „Nein! Bitte nicht! Kein Pferd, ach nö.“ Doch dann fiel sie ihrem Schwiegervater um den Hals und küsste ihn aus lauter Freude aufs Ohr. „Na, na! Da werde ich gleich eifersüchtig!“, protestierte Uwe. Feierlich verkündete Georg: „Das ist Zafira, eine brave, gut erzogene Stute.“ Langsam lief Moni auf das Pferd zu und streichelte den Hals. Zafira hob ihren Kopf und schnupperte an Monis Hand. Gut, dass sie sich schon ein wenig mit Pferden auskannte. „Wir werden bestimmt gute Freunde,“ Moni lächelte.
Nach reiflicher Überlegung hatten Tina und Max für den Hauptgang Uwes Lieblingsgericht ausgesucht: Tiroler Gröstl in verschiedenen Varianten wurden angeboten. Diverse Beilagen rundeten das eher deftige Essen ab. Für die Vegetarier gab es Gnocchi mit gebackenem Ziegenkäse und Gemüse.
Feierlich begann Uwe seine kleine Rede: „Mein bezaubernder Engel, eigentlich sollte es ja eine Morgengabe sein, doch ich finde es weitaus schöner, dass du dein Geschenk zu dem jeztigen Zeitpunkt erhältst. Jetzt, im Kreise unserer Familie und engsten Freunde.“ „Machs halt net so spannend“, antwortete Moni frech.
Uwe zog einen Umschlag aus seiner Anzugstasche und wedelte damit in der Luft. Georg, der nichts davon wusste, reagierte überrascht. Er stellte sich neugierig hinter Moni. Lächelnd zog sie einen Flyer heraus. In schnörkeliger Schrift sprang ihr die Überschrift entgegen:
Haapiti Rahi – Deine Trauminsel in der Lagune von Bora Bora.
Moni dachte an einen weiteren exklusiven Urlaub, denn die Bilder erinnerten an ein Prospekt mit Traumzielen. Sie schenkte Uwe einen fragenden Blick. „Verbringen wir dort unsere Flitterwochen?“ Uwe nickte. „Deine Freude hält sich ja in Grenzen.“
„Ich versteh nicht...“ Georg, der den ganzen Text überflog, hatte verstanden. Er nickte anerkennend und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. „Das ist mal eine Morgengabe, mein Respekt!“ Dann las er laut vor:
Meine liebe Moni,
damit dir es in deinem Leben an meiner Seite an nichts mangeln wird, schenke ich dir diese kleine Insel in französisch Polynesien. Sie ist ungefähr ein Hektar groß. Dort gibt es nicht nur einen paradiesischen Strand, sondern auch ein 186 Quadratmeter großes Wohnhaus mit einer riesigen Terrasse. Vom Bett aus können wir gemeinsam die Sonnenaufgänge bewundern.
In großer Liebe, dein verrückter Uwe
Dieses Mal hielt sich Moni sprachlos die Hand vor den Mund. Ein Raunen ging durch die Hochzeitsgäste. Lina war die erste, die sich wieder gefangen hatte. „Mensch Muader, do hasch echt en gude Fang gmacht mit deim Onkel Dogder.“ Moni lachte befreit und gab Uwe einen Kuss. Dabei schüttelte sie verständnislos den Kopf. „Du bist tatsächlich verrückt.“
Mit einer halben Stunde Verspätung wurde die Hochzeitsgesellschaft zurück zum Festzelt gebracht. Dort herrschte eine ausgelassene Stimmung. Eine berühmte Tiroler Unterhaltungsband hatte die Innsbrucker Musikkapelle abgelöst. Sie übernahmen auch den Part von Frau Schön, die erschöpft, aber glücklich Platz genommen hatte und zum ersten Mal an diesem Tag etwas zu essen vor sich stehen hatte.
Die Menschen feieten, lachten und tanzten. Genauso hatten sich es Moni und Uwe vorgestellt. Es solle ein herrlicher unvergesslicher Tag sein.
Die Band brachte in den Spielpausen immer wieder typische Hochzeitsspiele ein, so dass es auch recht lustig zuging. Für den Abschluss des kurzweiligen Abendprogramms hatten sie sich das Versteigern des Brautschuhs ausgesucht. Moni und Uwe hatten vereinbart, den erspielten Gewinn an den Kindergarten in Montan spenden.
Wie bei einer echten Auktion wurde von den Hochzeitsgästen mit gesteigert. Der Brauch sah allerdings vor, dass das letzte Gebot beim Vater, Trauzeugen oder Bräutigam lag. Denn nur mit einem freigekauften Schuh konnte er die Ehre der Braut hochhalten. So kam es, dass Georg einen Scheck über sieben Tausend Euro ausstellte.
Kurz vor Mitternacht bildete ein spektakuläres Feuerwerk das Ende des Festtages. Die Hochzeitsgäste wirkten glücklich aber sehr müde. Moni gähnte schon seit über eine Stunde. „Ich freu mich jetzt richtig auf mein Bett. Einfach nur liegen und schlafen!“ Uwe zwinkerte und gab ihr lächelnd einen leichten Klaps auf den Po. „Du hast da was vergessen zu erwähnen.“
Allerdings hatte das Brautpaar die Rechnung ohne ihre Kumpels gemacht. Denn als sie vor Ihrer Wohnungstür standen, erkannten sie, dass diese mit Holzbretter zugenagelt war. „Mhm, was ist das denn für ein Mist!“, ärgerte sich Uwe. Zwischen den Brettern steckte ein Brief.
Liebes Brautpaar,
eure gemütliche und erholsame Wohnung bleibt euch heute verschlossen. Geht hinüber in den Pferdestall, dort wartet eine Überraschung. Gruß euer Thommy
Uwe biss sich auf die Lippen, denn Moni schaute ihn verärgert an. „Och nö, ich mag echt nicht mehr.“ Doch Uwe runzelte die Stirn, „Na kommt mit, wir schauen uns das mal an.“
Uwe öffnete die Stalltüre. Zafira und Rondo blickten sie erstaunt an. Ein paar Schritte weiter blieb Uwe stehen und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Na super! Hier steht unser Bett, komm mein Engel, wir können endlich schlafen gehen.“
***
Sonntag mittags verstaute Jan Rudel die Koffer im Wagen und fuhr damit zum Flughafen München. Von hier aus ging der Flug nach Australien, dort mussten sie in eine andere Maschine umsteigen. Da sich Moni einen weiteren Flug mit dem Helikopter gewünscht hatte, stand dieser schon bereit. Während die Menschen auf dem Rummel ihren Spaß hatten, starteten Moni und Uwe endlich in ihre wohlverdienten Flitterwochen Richtung Südsee. Leider ohne Bruno.
Gemütlich lehnte sich Moni an Uwes Schulter. Bei einem letzten Blick auf das von oben winzig wirkende Dörfchen, erkannte sie die orangefarbene Maschine, welche an der kleinen Kapelle parkte. Ein Mann in Motorradkleidung lief zum Haus. Obwohl er das Knattern des Hubschraubers hören musste, hielt er den Kopf gesenkt. Er nahm seinen Helm unter den Arm und sprang die Treppen hoch. Seine Tränen waren von weit oben nicht zu sehen.
Moni spürte ihren Herzschlag galoppieren. Ein großer Kloß setzte sich in ihren Hals. Nervös rieb sie ihre Finger. Uwe bemerkte die Veränderung sofort und fragte verblüfft. „Mein Engel, hast du etwa Angst?“ „Ach Quatsch, es ist nur die Aufregung.“