Gegen sechzehn Uhr trudelte die Hochzeitsgesellschaft im Festzelt ein. Für die geladenen Gäste hatte Frau Schön die vorderen Plätze reserviert. Ein professioneller Moderator stand auf der Bühne bereit und hantierte mit dem Mikrofon. „Test, Test, eins zwo, ein zwo. Test.“
Moni und Uwe saßen auf ihren Stühlen im Pavillon und ruhten sich ein wenig aus. Sie hatten bis jetzt nicht mal die Hälfte des Programms geschafft. Uwe gähnte herzhaft, und lachte dabei. „Ganz schön anstrengend so eine Hochzeit.“ Irina richtete seine Haare, da der Wind, den der Helikopter verursachte, seine Fönfrisur zerstört hatte. Moni puderte sich die verschwitzte Stirn. Ihre Frisur hatte glücklicherweise keinen Schaden genommen.
„Aber wunderschön mein Schatz,“ entgegnete Moni. Schon stürmte Frau Schön herein und bat das frischvermählte Paar ins Zelt. „Es geht los! Wir müssen uns beeilen, denn um achtzehn Uhr beginnt euer Galadinner im Bio-Hotel. Das Essen muss strengstens nach Plan ablaufen, sonst wird es zu spät für die bunte Abendshow.“
Hand in Hand betraten Moni und Uwe das Zelt und wurden mit lautem Beifall begrüßt. Wieder kam sich Moni wie ein weltbekannter Star vor. Damit konnte sie sich einfach nicht anfreunden. Zwischen all den vielen unbekannten Menschen suchte sie ihre eigene Familie, dabei flüsterte sie in Uwes Ohr. „Ist das nicht alles ziemlich übertrieben?“ Uwe gab ihr lächelnd einen Kuss und antwortete: „Nein auf keinen Fall, das ist genau richtig für uns!“ Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, bat der Moderator Uwe auf die Bühne. Frau Schön überreichte ihm eine viel zu große Schürze, auf der eine Kuh abgebildet war. Die Gäste lachten und jubelten ihm zu. Jetzt entdeckte Uwe das Bierfass neben der Treppe. Gleichzeitig nahmen die Musiker der Stadtkapelle Innsbruck ihre Plätze ein.
„Herzlich willkommen liebes Brautpaar und werte Hochzeitsgäste...“ Moni hörte gar nicht richtig zu, da sie nach Käthe suchte. Sie entdeckte ihre Tochter neben dem Eingang mit dem Dirigent. Leider hatte sie seinen Namen vergessen. Die beiden waren ins Gespräch vertieft. Käthe fuchtelte mit den Händen und zeigte auf ihre Mutter. Moni winkte freundlich zurück. Frau Schön flüsterte ihr ins Ohr, dass es gleich nach dem Fass-Anstich losging. Jetzt wuchs bei Moni die Aufregung, denn die geplante Überraschung für Uwe würde in Kürze stattfinden. Wenn sie das hinter sich hatte, konnte sie sich zufrieden auf den restlichen Tag freuen.
Bewaffnet mit dem goldenen Zapfhahn in der einer und einem Holzhammer in der anderen Hand begutachtete Uwe das Bierfass. Angefeuert durch die grölende Menschenmenge schlug der Chefarzt beherzt zu. Einmal, zweimal und schon beim dritten Schlag hatte es Uwe geschafft. Vergnügt rief er laut: „O’zapft is!“ Ein paar Tropfen liefen auf den Boden. Die ersten Bierkrüge, die den Aufdruck Hochzeitsbier von Moni und Uwe Ortner hatten, standen unter dem Zapfhahn und wurden von Uwe persönlich befüllt. Wieder klatschen alle Beifall und er verbeugte sich lachend. Uwe nahm das Mikrofon in die Hand. Gekonnt hielt er eine kurzweilige Rede. Einmal mehr beeindruckte er damit seine frischgebackene Ehefrau. Klar, war er ein guter Redner. Schließlich hatte er schon viele Vorträge in Salzburg gehalten.
Die Musikkapelle spielte zur Eröffnung einen schwungvollen Marsch. Uwe gab die Schürze zurück und lehnte einen Schluck aus dem Bierkrug dankend ab. Anmutig spazierte er zu seinem Platz. Moni strahlte und küsste ihn auf den Mund. „Schatz, das war absolut cool!“ Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Frau Schön das vereinbarte Zeichen gab. Unter dem Vorwand, sie müsse zur Toilette, schlich sich Moni aus dem Zelt.
Im Pavillon standen drei Frauen bereit, die Moni aus ihrem Kleid halfen. Käthe kam mit zwei Klarinetten in der Hand und reichte eine davon an Moni weiter. „Mami, hier nimm. Ich konnte sie leider nur kurz einstimmen, sorry.“ Moni nahm das edle Holzblasinstrument in die Hand und lächelte. Es hatte ihr wahnsinnig Spaß gemacht, zusammen mit Käthe diese bekannte Polka einzustudieren. Sie kannte das Stück früher, als sie noch im Musikverein ihres Heimatdorfes spielte. Es eignete sich perfekt für ein Klarinettenduo und passte wunderbar in ein Bierzelt. Außerdem wussten sie von Georg, dass es eines der wenigen Volksmusiklieder war, welches Uwe sehr gut gefiel. Monis Hände zitterten, als sie das Instrument hochnahm und das Mundstück auf ihre Lippen setzte. Kräftig blies sie die Tonleiter hoch und runter, was gar nicht so einfach war, wenn man dermaßen aufgeregt war. „Oh Gott, Käthe. Ob das gut geht?“ „Na komm, Mama. Du schaffst das!“ Schnell zogen sie sich um.
Nervös schaute Uwe immer wieder zum Zelteingang. Georg und Tina waren inzwischen bei ihm und nahmen ihn in ihre Mitte. So zogen und schoben sie Uwe mit sich nach vorne.
Käthe und ihre Mutter liefen in ihren Dirndl und den Klarinetten in der Hand hinters Zelt, um über den Künstlereingang auf die Bühne zu gelangen. Der schwarze Vorhang wackelte, Frau Schön kam und stellte sich als Sichtschutz vor sie.
Der Moderator nahm das Mikrofon in die Hand. Sein Blick richtete er zum Dirigent. Dieser stand in Blickkontakt mit der Hochzeitsplanerin. Sie nickten alle nacheinander.
„Verehrtes Brautpaar, liebe Hochzeitsgäste, wir freuen uns nun auf eine Überraschung. Dieses Lied ist gewidmet für den Bräutigam Dr. Uwe Ortner. Es trägt den Titel Böhmischer Traum.“ Während das Publikum kräftig in die Hände klatschte verließen die vier Holzbläser der Kapelle ihre Sitzplätze. Der Moderator schob das Mikrofon in die Mitte. Uwe schaute nach rechts und links, denn Moni war immer noch nicht aufgetaucht. Seine Schwester beruhigte ihn: „Hey Brüderchen, freu dich doch!“ In diesem Moment hob der Dirigent seinen Taktstock. Mit kräftigen Trompetenklängen spielte die Musikkapelle die ersten Töne der bekannten Polka.
(Falls jemand dieses Lied hören möchte: phttps://www.youtube.com/watch?v=yEqaTXHW-QY&list=RDyEqaTXHW-QY&index=1)
Nach nur wenigen Sekunden kamen Moni und Tina, die in ihren identischen Dirndl recht fesch aussahen, auf die Bühne. Sie setzten an der richtigen Stelle ein. Vergnügt und ohne nennenswerte Fehler, ließen die beiden ihre Klarinetten erklingen. Die Menschen erhoben sich, katschten und jubelten laut. Die Szene war wirklich filmreif. Mit offenem Mund starrte Uwe nach oben. Er brauchte einige Zeit, um zu kapieren, wer da zusammen mit Käthe das Klarinettenduett trällerte. Mit Gänsehaut am ganzen Körper hielt er sich die Hand vor den Mund. Die Ergriffenheit ließen seine Knie zitterten. Kein Ton brachte der Chefarzt heraus. Georg hakte sich bei ihm unter. Dann fing fing Uwe an, hemmungslos zu weinen. Tina brachte einen Stuhl, damit er sich im Notfall setzen konnte, denn er schwankte gefährlich.
Bei dem letzten Teil des Stückes, nahm Moni das Mikrofon in die Hand und begann den Text zu singen, den DJ Ötzi zu dieser Polka erfunden hatte. Der bekannte Schlagersänger nannte sein Lied Der hellste Stern.
Wenn ich träum‘ in der Nacht
Träum ich immer von dir
Du bist der hellste Stern In dieser schönen Nacht
Das setzte dem Spektakel die Krone auf. Monis Stimme und ihr Outfit hier in Montan mit dem Dirndl. Ein unbeschreiblich emotionaler Moment. Uwe plumpste kraftlos auf den Stuhl. Die Tränen liefen und er hatte Mühe weiter zu atmen.
Und der Stern sagt zu mir
Ich bleib gerne bei dir
Bis dass der Morgen erwacht
Dann such‘ ich deine Hand
Und es wird mir ganz klar
Du bist der Stern, der mit dem Morgenrot verschwand‘
Doch es wäre wunderschön
Bis ans Ende der Zeit
Mit dir zu gehn, Hand in Hand
Die Blaskapelle beendete das Musikstück mit einem Tusch. Alle Mitwirkenden erhoben sich. Moni nahm ihre Tochter an die Hand. Sie verbeugten sich vor dem tobenden Publikum, dabei strahlten sie glücklich um die Wette.
Uwe hatte sich nur ein klein wenig von dem positiven Schock erholt. Er konnte zumindest wieder stehen. Mit rot unterlaufenden Augen klatschte er Beifall. Georg nahm ihn an der Hand. Gemeinsam schritten sie die Treppe hoch. Der Dirigent bedankte sich mit einem Handschlag bei den Ehrenmusikern. „Herzlichen Dank an unsere heutige Ehrengäste Moni Ortner und ihre Tochter Käthe. Gerne dürft ihr mit uns auf Tournee gehen.“ Er lachte laut und an Uwe gewandt meinte er frech: „Lieber Uwe, wir kennen uns nun schon seit vielen Jahren. Umso mehr freue ich mich, dass auch du endlich den passenden Deckel gefunden hast. Wir wünschen dir und deiner bezaubernden Frau eine glückliche Zukunft, viel Gesundheit und Frohsinn.“ Wieder tosender Applaus. Nun machte er eine ausladende Bewegung mit seinen Armen. „Es ist uns eine Ehre diesen besonderen Tag für dich und deine Familie, Freunde und all den lieben Menschen musikalisch zu untermalen.“
Dieses mal waren es Uwe und Musikerrinnen und Musiker die Beifall gaben. Frau Schön überbrachte zwei bunte Blumensträuße, die der Dirigent feierlich an Moni und Käthe überreichte. Uwe nickte nur und schnäuzte sich die Nase. Er konnte immer noch nicht sprechen. Stattdessen nahmen sich die Männer herzlich in die Arme und klopften sich gegenseitig auf den Rücken.