Sonntags waren Moni und Uwe bei Tina zum Frühstück eingeladen. Linus und Lara hatten ihren Onkel nach dem Essen ins Kinderzimmer gezerrt und stritten sich mal wieder, wer zuerst mit ihm spielen durfte. Max war draußen bei den Ziegen. Moni half Tina beim Tisch abräumen. Dann aber nutzte sie diese Gelegenheit und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich habe Conny versprochen mich per Video Chat zu melden. Sie hat einige Fragen zu dem Workshop. Ist doch ok, wenn ich schon mal gehe, oder?“, rief sie Richtung Kinderzimmer.
„Kein Problem,“ tönte es, „Ich werde jetzt Barbiepuppen modisch anziehen!“
Entschlossen marschierte Moni zurück in die Wohnung und dachte darüber nach, ob es sehr töricht war, Uwe anzulügen.
Mit schnellen Schritten sprang sie die Treppe hoch, Bruno kläffend hinter ihr her. „Du musst noch warten, wir gehen heute erst später in den Wald,“ vertröstete sie ihren Hund.
Moni setzte sich ins Büro und tippte wild drauf los. Auf die Schnelle fiel ihr nichts anderes ein, als eine Vorlage aus dem Internet zu benutzen. In die Überschrift schrieb sie in Großbuchstaben:
BEWERBUNG ALS CHEFSEKRETÄRIN IN ALLEN BELANGEN.
Aus der Galerie ihres Handys wählte sie ein erotisches Foto, schickte es an ihre Mail Adresse und druckte das Bild samt dem Bewerbungsschreiben aus. Sie klebte das schlüpfrige Foto auf die erste Seite. Lächelnd und gut gelaunt suchte Moni sich eine der exklusiven Mappen aus. Pfeifend entfernte sie den Inhalt und legte ihre eigenen Blätter hinein. Gestern hatte sie bereits zwei nicht in Frage kommende Bewerbungen zur Seite gelegt. Diese drei Bewerbungsmappen breitete Moni nun auf der Tastatur von Uwes Computer aus. Den Rest räumte sie zurück in den Aktenkoffer und stellte ihn unter den Tisch. Ihr Puls raste vor Aufregung. Stolz und zufrieden mit ihrer Idee verließ sie wieder das Arbeitszimmer.
Dann wählte sie Utas Nummer, sie musste diese Sache unbedingt jemandem erzählen.
„Du bist echt der Knaller!“, freute sich ihre Schwester. Während des Gesprächs lief Moni immer wieder zum Fenster, um nachzusehen, wann Uwe endlich nach Hause kam. Bruno saß wartend vor der Balkontür.
„Und was machst du mit dem Strickcafé?“, fragte Uta nach.
„Wir werden eine Lösung finden, ich kann es dir überschrieben. Wie findest du die Idee?“
Es herrschte eine kurze Stille in der Leitung. „Falls du das ernst meinst, ich glaube, ich würde mich freuen,“ gab Uta zu verstehen.
Endlich stand ihr Schatz vor Moni. Seine Haare waren zerzaust, er wirkte verschwitzt, aber seine Augen leuchteten. Immer wenn Uwe mit den Kindern zusammen war, kam es Moni so vor, als wäre er selbst wieder ein kleiner Bub.
Moni strahlte ihn an, drückte einen Kuss auf seinen Mund und sagte selbstbewusst: „Auf deinem Schreibtisch liegen drei Bewerbungen, welche ich für dich in die engere Auswahl genommen habe. Meine Empfehlungen sozusagen.“
Schnell lief sie nach draußen, damit ihr Gesichtsausdruck sie nicht verriet. „Bis später! Ich geh mit Bruno spazieren,“ rief sie vergnügt. Uwe guckte ihr verwundert hinterher.
Seufzend nahm er die drei Bewerbungen an sich „Ja gut, ich werf mal einen ersten Blick drauf. Eigentlich wollte ich das gar nicht heute...“, doch Moni hörte ja nicht mehr zu. Mit den Unterlagen in seinen Händen setzte er sich auf die Couch. Er schaltete das Radio an und öffnete die erste Mappe.
Was er sah, ließ ihn stutzen. Auf dem Deckblatt der Bewerbung war unverkennbar eine ältere Frau zu sehen, sie hatte kurze graue Haare, die wild nach oben standen und war stark geschminkt. Schnell überflog Uwe die Seiten. Sie war schon seit vielen Jahren arbeitslos und ohne konkrete Berufserfahrung. Konnte sich aber durchaus vorstellen, einem Chefarzt persönlich zu dienen. Uwe kratzte sich am Hinterkopf, vor seinem inneren Auge erschien eine Domina, die mit einer Peitsche um sich schlug. Er blätterte alle Seiten noch einmal durch. Hatte er etwas übersehen? Warum um alles in der Welt hatte Moni diese Auswahl getroffen?
Er legte die Mappe weg. Was sollte das denn? Mit großer Verwunderung schaute er sich die nächste in Frage kommende Bewerberin an. Was er jetzt in der Hand hielt, war für Uwe ein schlechter Witz. Eine Bewerbung, die absolut nicht der Norm entsprach. Ein schwarz-weißes Foto, welches den Anschein hatte, es war auf die Schnelle aus einem Fotoalbum gerissen, klebte an einer Stelle, an die es nicht hingehörte. Der handschriftliche Lebenslauf umfasste drei Seiten, auf denen alle Krankheiten und Operationen aufgelistet waren, welche die Bewerberin bereits hinter sich hatte.
Kopfschüttelnd stieß Uwe einen Schrei aus und obwohl er alleine war, rief er laut: „Was zum Teufel soll denn dieser Scheiß?“ Seine gute Laune war dahin.
Genervt schnappte er sich die letzte Mappe. Er traute seinen Augen kaum, als seine Moni ihm halbnackt entgegen lächelte. Endlich hatte er es kapiert. Schnell las er sich durch das kurze Anschreiben und freute sich besonders über den letzten Satz.
Gerne möchte ich dich ab jetzt bei all deinen wichtigen Tätigkeiten unterstützen und mit dir zusammen in deiner Klinik arbeiten. Ich liebe dich.
Er fühlte sich leicht und übermütig wie schon lange nicht mehr. Eben wie der glücklichste Mann der Welt. Uwe rannte er aus dem Arbeitszimmer und stürmte auf den Balkon. Er entdeckte Moni bei den Kühen. Sie winkte lächelnd zu ihm hoch, „Huhu Schatz!“
Lässig steckte Uwe beide Hände in die Hosentaschen, mit einem breiten Grinsen rief er ihr zu: „Du freches Ding, du! Hast du mich veräppelt, was? Du bist eingestellt!“ Glücklich sprang Moni zurück zum Haus, hier fielen sich die beiden in die Arme und küssten sich innig. „Wir müssen uns aber noch um die wichtigen Details kümmern, zum Beispiel mein Gehalt,“ Moni gluckste vor Freude. Uwe gab ihr einen Klaps auf den Po. „Wie kann man nur so frech sein. Ich liebe dich mein Engel!“
***
Mit Tränen in den Augen stieg Käthe aus dem Zug. Sie hatte nur einen kleinen Rucksack mit nach München genommen, doch in ihm schienen Steine zu liegen, so schwer kam er ihr vor. Besorgt fragte Lina: „ Hey Sis, was ischn los?“
Käthe verzog das Gesicht, „Ach, alles Scheiße!“ Lina nahm ihre große Schwester in die Arme und zog sie ins Auto. „Na komm, mir gehet a großes Eis esse, okeee?“ Käthe nickte und dann sprudelte es aus ihr heraus. „Weißt du, ich bin dort ganz alleine in Salzburg. Seit ich in Österreich bin, habe ich immer liebe Menschen oder meine Familie um mich herum. In der Einsamkeit kamen die schrecklichen Erinnerungen zurück.“
Lina fuhr rechts an den Seitenstreifen, um ihre Schwester liebevoll zu drücken. „Des geht widder weg. Des kenn i. Ruf doch de Hannes o!“ Käthe nickte und sprach weiter: „Und noch dazu habe ich versagt. Ich habe heimlich mit dem Führerschein angefangen und bin durch die Prüfung gerasselt.“ Jetzt konnte sich Lina ein Kichern nicht verkneifen, „Durch die Theorie?“ Käthe schüttelte den Kopf, „Nee, die hatte ich gleich bestanden.“
„Weisch, i hab a zwei Anläufe braucht, des isch doch net schlimm!“
Käthe aber schluchzte laut, „Aber ich wollte doch die Mama überraschen.“ „Abber des kannsch ja immer no. Komm, lach amole widder. Jetztetle genießed mir die Zeit ohne die Kloine, komm.“
Lina schaffte es mit ihrer positiven Art, Käthe wieder zum Lachen zu bringen.
***
Jan Rudel fuhr mit dem Wagen vor. Es war an der Zeit, zurück nach Innsbruck zu fahren. Den kompletten Sonntagabend verbrachten Moni und Uwe damit, einen Plan auszuarbeiten, bei welchen Tätigkeiten Moni ihren Chefarzt unterstützen konnte. Moni wurde es mulmig. „Schatz, ich möchte aber nicht mit in den Operationssaal. Das kann ich nicht.“
Uwe lächelte gütig, „Natürlich nicht. Aber es ist schon notwendig, dass ich dir Verletzungen und Krankheitsbilder erkläre, damit du die Begriffe, Therapien und Abläufe kennen lernst.“ Moni nickte tapfer. Auf was hatte sie sich da bloß eingelassen. Sie hatte Angst davor, ihren Schatz zu blamieren.
„Mein Engel, mach dir keine Sorgen! Ich lerne dich gut ein. Wir fangen mit der Post an, so wie ich es dir schon einmal gezeigt habe. Gemeinsam lesen wie die Mails durch. Du bleibst an meiner Seite und hörst zu, wenn ich mich mit den Schwestern oder den anderen Ärzten unterhalte. Wenn es zu dir viel wird und du bemerkst, dass du dich nicht mehr konzentrieren kannst, dann machst du eine Pause. Gehst mit Bruno spazieren oder legst dich hin. Alles kein Problem. Wir haben jede Menge Zeit.“ Uwe rieb sich aufgeregt die Hände und strahlte. „Das wird wunderbar!“
Krampfhaft überlegte Uwe schon seit vielen Tagen, wann und wo er ihr endlich den Heiratsantrag machen könnte. Ihm fiel nur der Urlaub am Achensee ein, das würde ein absolut passender Traumort dafür sein. Doch bis dahin waren es noch einige Wochen.