In ihrem ganzen Leben hatte Moni noch nie so einen tollen Geburtstag gefeiert. Zuerst die Party in Stuttgart und jetzt mit den lieben Menschen in der herrlichen Bergwelt von Montan. Auch hier spielte das Wetter mit und sie saßen im Freien.
Georg hatte aus der Ferne mitgewirkt und für Moni ein Geschenk der Extraklasse vorbereitet. Er hatte den Bau eines Naturschwimmteichs organisiert, denn er wusste, dass dies ein großer Herzenswunsch von Moni war. Die Genehmigung dafür zusammen mit einem Plan für die zuständige Baufirma, waren in einem Umschlag abgegeben worden. Die kompletten Kosten hatte Georg im Voraus bezahlt. Selbst für Uwe war es eine Überraschung. „Mein Vater scheint dich wirklich sehr gut zu kennen und zu mögen,“ Uwe zwinkerte. An alle gewandt fuhr er fort: „Ich bitte um eure Aufmerksamkeit, ich habe eine Nachricht von Georg erhalten. Darin steht, dass er für die werdenden Mütter einen Mercedes Benz-Familienwagen der V-Klasse bestellt hatte.“
Ungläubig starrten sich Olga und Lina an.
„Damit nicht genug, soll auch Tina solch einen Van bekommen. Für Käthe steht ein kleines Stadtauto bereit, sobald sie ihren Führerschein bestanden hat.“
Großes Gemurmel war zu hören. Uwe fuhr fort: „Wartet, ich lese euch vor: Uwe, mein Lieber, du kaufst dir deine Autos am besten von deinem eigenen Geld. Ich gehe davon aus, du hast inzwischen mehr wie ich.“ Alle lachten. „Ich grüße euch alle lieb und herzlichst. Feiert schön und denkt an mich. Euer Vater, euer Georg.“
Die Gäste klatschten Beifall, doch für Moni war das alles ein wenig zu viel. Sie weinte Freudentränen.
Uwe murmelte leise, so dass es nur seine Schwester hören konnte, die inzwischen neugierig neben ihm stand und diese Nachricht selber las. „Ich gehe davon aus, dass er ein schlechtes Gewissen hat, aber warum? Was meinst du?“ Tina zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung was er wieder im Schilde führt. Wir nehmen die Geschenke an und fertig. Besser er gibt sie uns mit warmen Händen.“
Für die anwesenden Kinder hatte sich Georg ebenfalls etwas Besonderes einfallen lassen. Damit es ihnen nicht langweilig wird und sie die Erwachsenen nicht beim Feiern störten, hatte er einen Clown engagiert. Aus bunten Luftballons formte dieser lustige Tiere, führte einfache Zaubertricks vor und animierte die Kleinen zum Basteln. Alles in allem war es ein ausgesprochen gelungener Geburtstag und Moni fühlte sich wohl im Kreise ihrer Liebsten. Dabei vergaß sie völlig die furchtbare Zahl 50.
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Nach dem gemeinsamen Frühstück verabschiedeten sich Monis Töchter. Uwe drückte den beiden unauffällig einen Umschlag in die Hand. Moni hatte es aber sehr wohl bemerkt und den Kopf geschüttelt. Sie sagte nichts, stattdessen freute sie sich darüber, dass Lina und Käthe so verwöhnt wurden. Sie hatten keine einfache Kindheit und waren so lange krank. Für Moni war es immer noch ein kleines Wunder, wie sich alles zum Positiven entwickelt hatte. Zumindest für die Beiden.
Während Uwe bei Rondo im Stall war, packte Moni die Koffer. Anschließend half sie Olga in der Küche mit dem Geschirr und gab ihr Tipps für die weitere Schwangerschaft. „Olga meine Liebe, du darfst mich jederzeit anrufen, ich bin immer für dich da!“ Olga umarmte Moni und bedankte sich überschwänglich.
Kurz vor der Abfahrt legte Moni die Wanderausrüstung in den Kofferraum. „Schatz, wenn wir in den Sextner Dolomiten sind, möchte ich gerne auch wandern, du weißt wohin, falls das mit meinem Fuß geht.“ „Na klar, ich freu mich schon darauf!“, Uwe lächelte entspannt, zog seine Liebste zu sich und gab ihr einen langen Kuss. Bruno sprang kläffend um Moni herum. Scheinbar war er eifersüchtig.
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In Toblach wurden sie von Thommy und Resi herzlichst empfangen. Resi übergab Moni einen liebevoll geschmückten Geschenkkorb mit leckeren Südtiroler Spezialitäten sowie einer Wander- und Radkarte der Region. „Wir wünschen dir alles erdenklich Gute, viel Glück und vor allem Gesundheit zu deinem fünfzigsten Geburtstag.“ Moni bedankte sich freundlich. Thommy fragte frech: „Fünfzig? Was, so eine alte Schachtel?“ Resi gab ihm einen Klaps. Alle vier Freunde umarmten sich und freuten sich auf einen schönen, gemeinsamen Tag.
„Kommt herein, das Essen ist gerade fertig geworden.“ Auf Monis Wunsch hatte Resi Schlutzkrapfen, ein typisches Südtiroler Gericht, gekocht. Dazu gab es einen bunten Salat der Saison.
Nach dem schmackhaften Essen verzogen sich die Männer mit Cola und Zigarren auf den Balkon. Sie hatten sich schon länger nicht mehr gesehen, daher gab es viel zu erzählen. Resi und Moni unternahmen einen Spaziergang zum Toblacher See. Die Kinder hielten abwechselnd Bruno an der Leine und freuten sich über die schöne Abwechslung.
Bevor sie aufbrachen, wählte sich Uwe ein weiteres Mal in den Klinikrechner ein. „Vielleicht haben wir dort oben kein Empfang. Ich warte immer noch auf eine wichtige Mail von Jo Baker. Scheinbar gibt es in Michigan Probleme mit irgendwelchen Papieren,“ sagte er zu seiner Entschuldigung. Moni nickte zwar, dachte aber intensiv darüber nach, ob sie damit wirklich für immer leben wollte. Die Klinik war und bleibt Uwes Nummer eins. So schnell würde sich das sicherlich auch nicht ändern.
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Georg hatte all seine Pläne über den Haufen geworfen. Seine Freunde waren ziemlich sauer und enttäuscht. Doch er wollte vorerst bei seiner neuen Freundin Heather in New York bleiben. Das gemietete Wohnmobil konnte er nicht ohne Kosten abbestellen und so zog er kurzerhand von seinem teuren Luxushotel auf einen Campingplatz. Mit Heather war das Leben fröhlich und unbeschwert. Durch sie fühlte er sich wieder jung. Es war Liebe auf den ersten Blick. Zumindest dachte das Georg, denn es fühlte sich echt an. Sie hatten richtigen guten Sex. Wer also behauptete, die über siebzigjährigen gehörten zum alten Eisen, die haben sich absolut getäuscht. Er sagte es natürlich nicht seinen Kindern, sie würden ihn für einen senilen Volltrottel halten. Das war ihm schon klar. Daher genoss er einfach das hier und jetzt. Da Heathers Buchladen nicht so gut lief, hatte er ordentlich investiert. In Werbung und einem neuen Bücherregalsystem. Jeden Mittag aßen sie zusammen in einem feinen Restaurant, danach setzte sich Georg auf einen der bequemen Stühle im Shop und las verschiedene Sachbücher.
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Ursprünglich war es Hannes Idee, die Unglücksstelle aufzusuchen, um endlich Abschied von Herbert zu nehmen. Es würde Moni bei der Trauerarbeit gute Dienste leisten. Irgendwie hatte Moni es nicht auf die Reihe bekommen. Sie hatte das Vorhaben immer wieder verschoben oder verdrängt. Jetzt aber war es endlich soweit.
Mit einem Jeep hatten sich die vier Freunde auf den Berg fahren lassen. Der Wagen hielt direkt an der Maggiore Angelo Bosi Hütte, am Monte Piana. Hier war ein kleines Museum über den 1. Weltkrieg, von dem man in dieser Region noch viele Überreste fand. Es gab in den Fels gesprengte Schützengräben, Höhlen und sogar Reste vom Stachelzaun zu bestaunen. Das Restaurant, welches zur Hütte gehörte, lud zu einer gemütlichen Rast ein. Auch Postkarten und historische Bücher konnte man hier erwerben. Nach einer kleinen Stärkung machten sich Moni und Uwe sowie Resi und Thommy auf, um Richtung Pioniersteig zu spazieren.
Resi las aus dem Wanderführer vor: Die Italiener besetzten den Südgipfel, den Monte Piana und die Österreicher den Monte Piano, den Nordgipfel.
Uwe trug den Rucksack mit dem Holzkreuz, der Kerze und dem Kranz. Thommy führte die Gruppe an, denn er wusste noch ganz genau, wo er damals seinen Helikopter abgestellt hatte. Uwe suchte Monis Hand, doch sie benutzte die Wanderstöcke, da sie befürchtete, unterwegs schlapp zu machen. Die Wunde am Fuß schmerzte noch bei Anstrengung.
Die Aussicht hier oben war atemberaubend schön. Es zogen dunkle Wolken auf, man konnte nicht sicher sein, ob sie den einen oder anderen Schauer mit sich trugen. Auf einer Bank machte Moni eine Pause und schnaufte laut. „Leute, ich kann nicht mehr, geht ruhig schon vor.“ Thommy und Resi verstanden, nur Uwe blieb unbeholfen neben ihr stehen und wartete geduldig. Moni versuchte ein Lächeln. „Schatz, geh bitte mit ihnen, du hast ja all die Sachen im Rucksack.“ Zögernd lief Uwe langsam zu den anderen. Er ließ seine Liebste nur ungern alleine zurück.