Uwe erhielt eine Nachricht von Robert: Herzlichen Glückwunsch mein Lieber. Dein Vermögen hat eben die magische Grenze zur Milliarde überschritten. Ich bin mächtig stolz auf uns. Grüße auch an deine Moni.
Uwe biss sich auf die Lippen. Verzweifelt rief er: „Na super!“, denn diese Hochzeit würde mit einer Lüge beginnen. Oder sollte er es Moni erzählen? Er traute sich nicht. Die Angst, sie könne schreiend davon laufen, saß ihm tief im Genick. Er fühlte sich hin und her gerissen. Das blieb natürlich nicht unbemerkt. „Na, was ist jetzt wieder für ein schreckliches Unglück passiert? Müssen wir nach Innsbruck zurück?“
Uwe starrte immer noch auf sein Handy. „Es ist... nein um Gottes Willen, es ist etwas anderes. Ich... ich komme gleich wieder.“
Mit diesen Worten rannte er in den Innenraum der urigen Hütte. Er wählte Thommys Nummer und bat ihn um Hilfe. Der allerdings war außer sich: „Na, du hast vielleicht Probleme. In deiner Haut möchte ich wirklich nicht stecken,“ foppte ihn sein Kumpel. Dann lachte Thommy laut und beendete ohne eine sinnvolle Antwort zu geben, das Gespräch.
Da stand er nun, im Dunklen einer Almhütte auf beinahe zweitausend Meter. Draußen wartete neben seiner Zukünftige lediglich eine Tasse Kaffee und ein Glas Saftschorle. Was für ein Irrsinn. Eine aufmerksame Bedienung fragte ihn besorgt: „Braucht der gnädige Herr einen Schnaps?“ Uwe nickte. „Eigentlich schon, aber danke nein, ich trinke nicht.“ Er hob seine Hand und schritt aufrecht wieder nach draußen.
Moni war inzwischen bei den Kühen, die neben der Hütte an einem Holztrog genüsslich das frische Bergwasser genossen. Sie streichelte die Tiere und ließ sich von den mächtigen Zungen die Hände abschlecken. Uwe beobachtete sie kopfschüttelnd. „Mein Engel, muss das sein?“, fragte er angewidert. „Natürlich, du wirst eine Frau heiraten, die Kühe liebt!“
***
Schon seit Stunden wälzte sich Theo hin und her. An Schlaf war nicht zu denken. Er grübelte bereits die zweite Nacht. Warum war das Leben so gemein? Nicht nur, dass er seine Eltern sehr früh durch einen Autounfall verloren hatte und er bei Pflegeeltern aufwuchs. Nein, bis heute hatte er es nicht geschafft, eine ernsthafte Beziehung aufzubauen. Er hatte immer auf die falschen Frauen gesetzt. Hatte sich blenden, verraten und anlügen lassen. Dumm und naiv war er in Sachen Liebe. Daher stand er jetzt, Anfang vierzig, alleine da. Gut, es gab Antje. Doch sie beharrte auf ihre Freiheit und wehrte sich gegen eine feste Partnerschaft. Vor allem war sie weit weg. Sie lebte seit vielen Jahren in Tibet. Dort arbeitete sie als erfahrene und erfolgreiche Bergführerin. Ab und zu besuchte sie ihre Eltern in Bruneck. Theo kannte Antje aus Kindheitstagen. Sie waren Freunde Plus. So nannte man das heutzutage, wenn man mit dem besten Kumpel in die Kiste stieg. Er pfiff drauf. Er sehnte sich nach aufrichtiger Liebe und Zuneigung.
Theo hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass die guten Frauen vergeben waren. So wie diese Moni. Natürlich war sie äußerlich gesehen eine hübsche Frau. Mit ihren grünen mandelförmigen Augen und den langen dunklen Locken, ein echter Hingucker. Ein Weib mit üppigen Formen. Aber das, was ihm besonders gefiel, war ihre warmherzige Ausstrahlung. Diese offene, liebevolle und ehrliche Art. Wie sie sich bewegte, wie ihr Gesicht leuchtete, wenn sie lachte. Er hatte sich schon bei der Begrüßung zu ihr hingezogen gefühlt.
Wie gerne würde er sie näher kennenlernen. Doch es war ihm klar, dass es zu spät war. Ein Jammer, dass sie diesen widerlichen, arroganten Snob heiraten würde. Warum gerade Uwe? Theo konnte es überhaupt nicht verstehen, sie passten doch gar nicht zusammen. Moni machte nicht den Eindruck, als benötigte sie Reichtum, um glücklich zu sein. Oder irrte er sich mal wieder?
Der Gedanke, dass er sich jetzt öfters in Montan aufhalten würde, um sie dort vielleicht zu treffen, beruhigte ihn. Schließlich fand Theo doch noch in den dringend benötigten Schlaf.
***
Nach der morgendlichen Routine fuhren Moni und Uwe mit den Rädern durch ein idyllisches Tal im Alpenpark Karwendel bis zur Gramai Alm. Dabei handelte es sich um ein außergewöhnlich schönes Alpengenuss Hotel mit Restaurant und Café, welches auch gerne von Familien gebucht wurde. Dort gab es einen kleinen Streichelzoo, Kühe und Pferde. Und das alles mitten in der Natur in herrlichster Bergkulisse. Ein moderner Wellness- und Spa-Bereich rundete das Angebot ab. Hier konnte man kulinarische Köstlichkeiten sowie typische Souvenirs kaufen. Moni befand sich im Ausnahmezustand eines Kaufrausches und belud die Taschen für die ganze Familie und Freunde. Uwe schüttelte den Kopf und wartete an der Kasse. Er freute sich eigentlich immer, wenn Moni übermütig das Geld zum Fenster rausschmiss. Aber dass ihr diese typischen Touristenartikel gefielen, verstand er überhaupt nicht. „Mein Engel, diese Plüschkühe und Plüschmurmeltiere braucht doch kein Mensch!“, gab er vorsichtig zu verstehen. „Natürlich Schatz, schau nur, wie süß die sind.“
Den Abend verbrachten die Verliebten im Hotel Einwaller. Nach einem äußerst schmackhaften fünf Gänge Menü besuchten sie den Wellnessbereich, den Uwe nur für sie beide gebucht hatte. Er duldete keine anderen Menschen in seiner Nähe, wenn Moni „oben ohne“ oder sogar komplett nackt zu sehen war. Sie gehörte ihm alleine. Er war der erfolgreichste Gehirnchirurg Österreichs. Ein Gott in weiß. Und ein stinkreicher Milliardär. Der Gedanke ließ ihn schmunzeln, denn noch wusste es ja niemand. So ein kleines Geheimnis kann ja nicht schlimm sein. Während der Rückenmassage schlief Uwe zufrieden ein.
***
Da es Moni so gut gefallen hatte, fuhren sie ein weiteres Mal mit der Seilbahn hinauf ins Rofangebirge. Uwe entschied sich für eine gemütliche Wanderung durch den Zauberwald bis zur Dalfazalm. Immer wieder blitzte der Achensee zwischen den Bäumen auf. Vom Tal stiegen Nebelschwaden auf, am Himmel bildeten sich erste dunkle Wolken. Die Lichtverhältnisse wechselten alle paar Minuten. Moni blieb immer wieder stehen und rief begeistert: „Schatz, schau nur wie wunderschön, guck mal!“ Dann knipse sie viele Fotos und verschickte diese an ihre Töchter und Freundinnen. Am Berggasthof angekommen, schüttete es wie aus Kübeln und sie saßen eingequetscht zwischen all den anderen Wanderer, und aßen heiße Gulaschsuppe. Scheinbar die Beste weit und breit.
Sie warteten bis die Sonne wieder zum Vorschein kam, um den steilen Weg hinunter ins Tal in Angriff zu nehmen. Dieser führte am idyllisch gelegenen Dalfazer Wasserfall vorbei, an dem waghalsige Abenteurer ihre Kletterkünste zeigten. Automatisch kam ihr Theo in den Sinn. Sie stellte sich vor, wie er halbnackt den Felsen hinunter sprang, so wie Tarzan. Gut, dass Uwe ihre Gedanken nicht lesen konnte.
Abends besuchten sie Familie Lauterbach, die ehemalige Nachbarn von Uwe. Die konnten es beinahe nicht glauben, dass es tatsächlich Uwe war, der vor ihnen stand. „Ach, herrje! Uwe! Was für eine Freude. Du bist es. Sag, hast du abgenommen?“ Uwe nicke und verkündete stolz: „Ja das kann schon sein, ich trinke nicht mehr.“ Frau Lauterbach strahlte und nahm ihn in den Arm. Sie schenkte Moni ein neugieriges aber ebenso freundliches Lächeln und bat die beiden herein. Auch dieser Abend verlief harmonisch. Beim Abschied erwähnte Uwe die Hochzeit. „Es gibt zwar noch keinen offiziellen Termin, doch hiermit laden wir euch jetzt schon zu unserem großen Fest ein.“ Uwes Augen leuchtete und er drückte liebevoll Monis Hand.
Am letzten Urlaubstag badeten sie auf Monis Wunsch im eiskalten Wasser des Sees. Die Temperatur betrug höchstens zwölf Grad. Uwe unterdrückte einen lauten Schrei. Denn in diesem kühlen Nass fühlte es sich an, wie wenn tausend kleine Nadeln in seine Haut stachen. Schnell rannte er wieder zurück auf die Wiese und schlüpfte in seinen Bademantel. Fasziniert beobachtete er seine Moni. Sie schwamm einige hundert Meter hinaus und lachte ihn aus. Aber dann spürte auch sie, wie sich die Kälte nach und nach in ihrem Körper bis in ihr Herz ausbreitete. Zitternd stand sie vor ihrem Zukünftigen, der sie mit besorgt mit einem Badetuch abrubbelte und dabei den Kopf schüttelte. „Mein Engel, du bringst mich immer wieder zum Staunen!“
Später fuhren sie, ebenfalls auf Monis Wunsch, mit dem großen Schiff und all den Touristen hoch zum Achensee Campingplatz. Von hier aus plante Uwe die Wanderung auf dem Gaisalmsteig, der sie zurück nach Pertisau führte. „Sag mal Schatz,“ fragte Moni frech, als sie auf der Übersichtskarte den Weg begutachtete. „Schaffst du das überhaupt? Womöglich wirst du dich schmutzig machen.“ Sie lachte und zwickte ihn in die Seite. Doch Uwe ließ sich nicht ärgern. „Ich schon, aber du wirst schreckliche Angst bekommen, auf dem schmalen, ausgesetzten Grat, direkt am Abgrund.“ Er lief kichernd davon. Sie holte ihn ein und dann blieben sie mitten auf dem Weg stehen und küssten sich leidenschaftlich. Uwe fuhr mit seinen Fingern unter ihr langes Haar und streichelte ihren Nacken. Verliebt schauten sie sich an. „Mein Engel, ich bin so glücklich mit dir.“