Die Einwohner des Dörfchens Montan hatten sich für die große Feier fein herausgeputzt. Viele warteten neugierig neben der Kapelle auf das Brautpaar. Einige pfiffen auf die Kirche und hatten schon im Festzelt Platz genommen. Der eine oder andere hielt ein Bierglas in der Hand. Aus den Lautsprechern tönte stimmungsvolle Blasmusik. Ein paar Kinder hockten glücklich auf den Holzpferden des Karussells.
Für ein Wochenende im September zeigte sich das Wetter noch einmal von seiner besten Seite. Harmlose Schleierwolken verzierten den ansonsten blauen Spätsommerhimmel. Da es nachts geregnet hatte, sah man am Straßenrand kleinere Pfützen, die aber nach und nach von der wärmenden Sonne aufgesaugt wurden.
Das Hufgeklapper kam immer näher, bald hatte die Kutsche ihr Ziel erreicht. Die Fotografen der Presse stritten sich um die besten Plätze. Der Pfarrer stand vor der geschlossenen Eisentüre der festlich geschmückten Kapelle. Er freute sich über Monis Wunsch, die Zeremonie hier abzuhalten.
Bei den Frauen und Kindern, die inzwischen im Pavillon eingetroffen waren, erreichte die Nervosität ihren Höhenpunkt. Moni dagegen blieb ruhig und wirkte recht professionell. Sie wundere sich einmal mehr über sich selbst. Wenn andere am Durchdrehen war, behielt sie einen kühlen Kopf, ohne etwas dafür zu tun. Als sie sich nun zum ersten Mal in voller Montur im Spiegel sah, konnte sie sich überhaupt nicht erkennen. Vielleicht war das des Rätsels Lösung. Moni Häberle gab es nicht mehr. Diese Frau, die ihr entgegenblickte war eine völlig andere.
In all dem Durcheinander nahm niemand Notiz von dem Lärm des Hubschraubers, der hinter dem Festzelt gelandet war.
In der Zwischenzeit stieg Uwe mit Hilfe von Karl selbstbewusst aus der Kutsche. Zusammen mit seiner Familie stellte er sich neben den Pfarrer. Die Menschenmenge klatschte Beifall. Jetzt durften sich die Fotografen austoben, denn während der Trauung war fotografieren oder gar filmen ausdrücklich verboten. Dafür hatte man ein Expertenteam beauftragt. Diese Aufnahmen blieben privat.
Frau Schön begrüßte den Bräutigam aufgeregt und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Uwe nickte, schüttelte ihre Hand und strahlte. Fesch sah er aus in seinem maßgeschneiderten Anzug. Wie so oft, wirkte er arrogant und überheblich. Auf der anderen Seite erkannte er Kim, Käthe, Stefan und Lina. Die Musikanten hatten schwarze Hosen und grüne Hemden an. Sie winkten ihm fröhlich zu. In diesem Moment ertönten die hellen Glocken und die Tür der Kapelle wurde von innen geöffnet. Lina wirkte genervt wie immer. Sie schob umständlich ihren kugelrunden Bauch vor sich her.
Die Gäste, die in dem kleinen Kirchlein Platz fanden, warteten gespannt. Vor dem Altar standen zwei mit weißen Rosen geschmückte Stühle. Auf der rechten Seite waren Lautsprecher und ein Mikrofon aufgebaut. Gegenüber hatten die vier Trauzeugen Platz genommen. Stefan stieg die Empore hoch und setzte sich an die Orgel. Olga blickte ihm mit leuchtendem Gesicht hinterher. Behutsam legte sie ihre Hände auf ihren riesigen Bauch und schloss die Augen. Karl, Margit und Elsbeth saßen neben ihr. Franz und Xaver konnten leider nicht dabei sein, denn es war nicht möglich, die Tiere auf den Höfen alleine zu lassen.
Stefan eröffnete den Gottesdienst mit dem schwungvollen, eher unbekannten Hochzeitslied von Charles-Marie Widor: Toccata f-moll. Dieses Lied hatte Uwe für seinen Einzug ausgesucht. Würdevoll begleitete ihn sein Vater Georg die wenigen Meter bis vor zum Altar. Hier warteten sie gemeinsam, bis das Musikstück zu Ende war. Dann drehten sie sich um. Die Kapellentür stand offen, damit die Menschenmenge, die sich draußen versammelt hatten, zumindest einen kleinen Einblick hatte.
Das laute Klatschen und die Beifallrufe kündigten die Ankunft der Braut an. Frau Schön stürmte hinaus, gab irgendwelche Handzeichen, eilte zurück und nickte Käthe zu, die mit ihrer Klarinette vorne am Mikrofon stand. Leise begann sie die ersten sanften Töne dem polierten Holzinstrument zu entlocken. Die Titelmelodie von Drei Nüsse für Aschenbrödel war zu erkennen. Dieses Lied hatte sich Moni ausgesucht, dass es aber von ihrer Tochter gespielt wurde, war eine der ersten Überraschungen für sie.
Vorneweg marschierten die Kleinsten in die Kirche. Aufgeregt hielten sie ihre Körbchen in der Hand und streuten fleißig die weißen Rosenblätter. Monis Enkelkinder Irene und Gerhard trugen die selbe Kleidung wie Lara und Linus. Alleine dieser Anblick brachte die ersten Herzen zum Schmelzen. Dann schwebte Moni anmutig über das ausgebreitete Blütenmeer. Die Hochzeitsgäste standen auf, um einen besseren Blick zu haben, ein Raunen ging durch die Menge.
Monis Anblick glich eher einer Königin als einer keiner Braut. Das Traumkleid aus reiner Seide schimmerte in einem zarten grünen Pastellton. Die mit Tüll und Spitze eingearbeiteten dunkelgrünen Blumenornamente waren an Eleganz und Raffinesse kaum zu übertreffen. Die vollendete Form des Kleides schmeichelte nicht nur ihrer Figur, sondern ließ Moni leuchten wie ein Stern in einer dunklen Nacht. Das funkelnde Diadem mit den eingearbeiteten echten Smaragden stand im Kontrast zu ihren dunklen Haaren. Wie ein Wasserfall fielen ihre Locken über ihre Schulter und in den tief ausgeschnittenen Rücken.
Feine Ohrringe und eine hauchdünne Kette, an der ebenfalls kleine funkelnde Smaragde eingefädelt waren, perfektionierten ihren Look. Thommys Kinder, die schon etwas älter waren, trugen stolz die lange Schleppe des Traumkleides.
Uwe starrte auf seine sich nähernde Braut als sähe er eine Fata Morgana. Kaum zu glauben, dass es seine Moni war, die auf ihn zu schwebte. Er würde diese wunderbare Frau heute heiraten. In diesem Moment setzte Stefans Orgelspiel ein und Linas Stimme hallte durch den Raum:
Lalalalalalalalalalalalalalalalalalala
Wenn es dich doch gibt, dein Herz nur für mich schlägt.
Wer sagt mir heut′ was morgen noch zählt,
Wird die Welt bald neu geboren!
Der Weg ist mir Blumen und Sternen gesät,
Ich spür' mein Herz wird kommen.
Siehst du was ich seh′,
Auch Wunder können geschehn'.
Dann wünsch‘ ich mir Flüsse die Wasser noch führn , Dornen die weichen und Rosen die blühn′.
Küss mich - halt mich - lieb‘ mich,Für immer küss mich - halt mich - lieb mich.
Ein Prinz der sein Leben, sein Herz für mich gibt.
Ein Kuss der den Mach und den Zauber besiegt!
Küss mich - halt mich - lieb mich,
Für immer küss mich - halt mich - lieb mich.
Die Lyriks wurden aus dem www kopiert und hier eingefügt
Wer sich das Lied anhören möchte
https://www.youtube.com/watch?v=kiIErIUXtsU
Jetzt war der Moment gekommen, an dem Uwe sich nicht mehr beherrschen konnte. Er ballte die Hand zur Faust und presste sie gegen seine Lippen. Dann heulte der Chefarzt laut los. Georg stützte ihn, aus Angst, sein Sohn könne umfallen. Als Moni ihn so sah, war sie dermaßen ergriffen, dass auch sie die ersten Tränen vergoss. Während Lina noch einmal den Refrain wiederholte Küss mich - halt mich - lieb mich,
Für immer küss mich - halt mich - lieb mich
nahm Uwe Monis Hand, betrachtete seine Frau von oben bis unten und strich ihr zärtlich über die Wange. Gemeinsam setzten sich auf die vorgesehenen Stühle.
Auch für Käthe war es schwierig unter diesen Bedingungen weiter zu spielen. Am Liebsten hätte sie ihre Mama umarmt und mitgeheult.
Der Pfarrer wartete einen Moment, bis sich alle wieder beruhigt hatten und begrüßte die Anwesenden. Er hielt eine kleine Andacht, betete und nickte anschließend den Trauzeugen zu. Uta und Andy standen auf und lasen abwechselnd Texte aus der Bibel vor. Weitere Wünsche und passende Sprüche kamen von Tina und Thommy, den Trauzeugen von Uwe. Nach einer kurz gehaltenen Predigt begann die eigentliche Trauung.
Nach der Befragung, an der natürlich beide ja sagten, überbrachte Linus dem Pfarrer die Ringe. Diese lagen eingebettet in weiße Rosenblätter auf einem zum Kleid farblich abgestimmten Seidenkissen.
Der Pfarrer segnete die Ringe und sprach laut und deutlich: So schließen Sie jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Sie das Ja-Wort sprechen. Dann stecken Sie einander den Ring der Treue an.
Die Musik zum Ringetausch hatte Uwe ausgesucht. Stefan spielte Bach, die Sinfonia aus der Kantate No. 156. Kim begleitete ihn auf der Gitarre. Mit zitternden Fingern stecke Uwe seiner Moni den mit Diamanten besetzten Cartier Ring aus Platin an. Sie schluckte, und war gleichermaßen entsetzt wie fasziniert. So ein elegantes Schmuckstück hatte sie noch bei keinem Juwelier in Innsbruck entdeckt.
Nach der Segnung und dem gemeinsamen Gebet setzten sich die Feiergäste und das Brautpaar wieder.
Es war mucksmäuschenstill in der Kapelle. Wieder ertönte Linas helle und reine Stimme. Sie trug Amazing Grace so leidenschaftlich vor, dass die Zuhörer Gänsehaut bekamen. Moni und Uwe hielten sich krampfhaft an den Händen. Die Situation war dermaßen bewegend, dass selbst der Pfarrer Mühe hatte, sich die eine oder andere Träne zu unterdrücken.
Frau Schön gab dem Pfarrer ein Zeichen, dieser nickte dem frisch vermählten Paar lächelnd zu und hob beide Hände. Damit deutete er an, dass sie aufstehen konnten. Jetzt nahm Uwe seine Moni in die Arme. Er küsste sie vorsichtig auf den Mund. Der Pfarrer überreichte ihm das Mikrofon.
Mit zitternden Stimme erklärte Uwe: „Mein Engel, du bist die bezauberndste Frau, die ich jemals kennengelernt habe. Dein Herz ist voller Güte und Stärke. Ich danke dem Herrn, dass er dich in mein Leben geschickt hat und dafür, dass ich dir meine Liebe schenken darf. Amen.“ Die letzten Worte waren kaum zu verstehen, da Uwes Stimme versagte. Wieder musste Moni aufpassen, dass sie mit ihrer Weinerei nicht ihre Schminke zerstörte. Vorsichtig tupfte sie mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augen.
Zu den Orgelklängen des weltbekannten Hochzeitsmarsches von Felix Mendelssohn Bartholdy zog die Hochzeitsgesellschaft aus der Kirche. Vorneweg wieder die Kinder, die froh waren, sich endlich wieder bewegen zu dürfen. Moni wünschte sich ein paar Minuten für sich alleine, doch das gerade war ein Ding der Unmöglichkeit. Daher schritt sie ganz langsam nach draußen in der Hoffnung, der restliche Tag würde ruhiger verlaufen. Aber genau das Gegenteil trat ein.