Uwe saß seinem langjährigen Freund, Finanzberater und gleichzeitig Vermögensverwalter Robert gegenüber und kratzte sich skeptisch am Kopf. Auf dem Tisch stapelten sich Unterlagen, Formulare und Kontoauszüge. „Mhmm, wenn du meinst, mir wird das alles zu viel“. „Tja, mein Lieber, Geld macht nicht immer nur glücklich. Es ist auch sehr anstrengend,“ dann lachten beide laut. Robert stand auf, ging zu seiner Vitrine, nahm eine Flasche Whiskey heraus und blickte seinen Partner fragend an. Uwe zögerte einen Moment, lehnte aber dankend ab. „Nein danke. Lieber nicht, ich habe noch sehr viel zu tun heute.“
Endlich hatte er wieder einen Überblick, keinen Durchblick, aber immerhin. Nachdem Robert die Geschichte von Susan gehört hatte, starrte er seinen Freund ungläubig und ernst an. „Was ich dir immer gesagt habe! Dieses Luder wollte nur an dein Geld, gut, dass du sie nie geheiratet hast!“ „Ach Quatsch, sie hat doch selber genug Kohle. Du kennst ihren Onkel und die ganze Familie. Wir waren jetzt fast zehn Jahre ein Paar und ich kenne sie von früher, von Afrika. Das weißt du doch alles.“ „Ja, ja, ja. Egal. Sei froh, dass sie weg ist. So ein Biest! So eine Schlampe! Ekelhaft!“ Mit einem Zug trank er sein Glas leer. „Es wird Zeit für einen Clubbesuch, oder? Morgen Abend?“ Wieder lehnte Uwe dankend ab. „Es tut mir leid, aber ich bin dieses Wochenende schon ausgebucht. Und, ähm, es gibt da eine Frau, die mein Herz berührt hat. Eine Patientin...“ „Ach Uwe, ein Scheiß nach dem anderen, oder was? Die wollen alle nur dein Geld!“ Uwe war beleidigt, „Das glaub ich kaum, sie weiß ja von nichts. Außerdem habe ich ja genug“. Er grinste seinen Freund frech an. „Oder?“
„Du bist immerhin Chefarzt deiner eigenen Klinik. Ich gehe davon aus, sie weiß von dieser Tatsache, oder?“ Nun lachte Robert ebenfalls, klopfte Uwe auf den Rücken und schenkte sich noch einmal großzügig ein. „Hier bitte, diese Formulare musst du unten rechts unterschreiben. Dann haben wir soweit alles.“
Uwe war froh, dass er diesen lästigen Termin hinter sich hatte. Zufrieden packte er die Aktentasche unter den Arm und lief direkt zur Bank, um alle Unterlagen vorsorglich in den Familien Safe zu bringen. Anschließend bummelte er durch die Innsbrucker Innenstadt. Er kaufte sich ein Stück Pizza, aß diese hastig im Stehen. Bewaffnet mit einem Kaffee to Go spazierte er weiter, dachte an sein Vermögen und spürte etwas Unbehagen. Er hatte die Tatsache, dass er sehr reich war immer verdrängt, da es ihm egal war. Schließlich konnte er sich jedoch darüber freuen, wie sehr sich die Investition in das 4 Sterne Wellnesshotel Hotel in Gnadenwald gelohnt hatte.
Als sie damals von Afrika zurückkehrten, hatte Georg das Geld, welches sich hier angesammelt hatte, in Aktien angelegt. Sein Freund Robert hatte ihnen einen guten Tipp gegeben. Georg konnte dadurch sein schon damals üppiges Vermögen vervielfachen. Er hatte damit die Klinik gegründet, Immobilien in Deutschland und Österreich gekauft und in den Huberhof investiert. Als das Schicksal zuschlug und Uwes Mutter starb, hatte sie ihren Anteil direkt an die Kinder vererbt. So war es vereinbart.
Dr. Uwe Ortner kaufte für Moni einen wunderschönen, riesigen Blumenstrauß mit verschieden farbigen Duftrosen. Dazu entschied er sich für eine gute Besserung Karte mit einem dicken roten Herz auf der Rückseite. In einer der besten Konditoreien von Innsbruck erstand er leckere Trüffelpralinen. Bei seinem Lieblingsjuwelier suchte er für Moni eine Uhr im Wert von 250,00 € aus. Ihre war beim Unfall kaputt gegangen. Hoffentlich würde sie die Geschenke annehmen. Er wollte ihr unbedingt eine Freude machen. Endlich fand er einen Wolle- und Handarbeitsladen. Entschlossen und neugierig betrat er diese für ihn neue Welt. Die überaus erfreuten Verkäuferinnen halfen dem gut aussehendem Herren gerne bei der Auswahl. Mit einer großen, schweren Filztasche, dem mächtigen Blumenstrauß und den Kleinigkeiten machte er sich zufrieden auf den Rückweg.
***
Victor hatte Moni zu sich ins Untersuchungszimmer geholt. Zuerst sprachen sie über die Zehenamputation. „Die Wunde ist super verheilt, du hast richtig Glück gehabt. Auch wenn es noch weh tut, das ist leider normal. Deine Spezialschuhe müssten in den nächsten Tagen eintreffen, damit kannst du hervorragend das Laufen üben.“ Moni nickte zufrieden und erleichtert.
Das nächste Thema war die trimalleoläre Sprunggelenksfraktur. Victor erklärte ihr freundlich, leise und ganz langsam: „Die Wundheilung der Narbe an sich dauert meist zwischen zwei und vier Wochen. Das heißt, diese erste Episode hast du bereits erfolgreich hinter dir. Bis zur vollen Belastbarkeit können allerdings noch mehrere Monate vergehen. Die Heilung des Knochenbruchs ist im Allgemeinen nach 6- 8 Wochen abgeschlossen und spätestens ab diesem Zeitpunkt kannst du Gelenk wieder voll belasten Das heißt, liebe Moni, bitte durchhalten!“ Moni nickte tapfer, „Ok, diese Verletzung spür ich kaum, es ist eher so ein Zwicken. „Ja, du hattest ja auch einen guten Arzt an diesem Tag,“ er deutete auf sich.
Zwei Röntgenbilder leuchteten an der Wand. Auf diesen Bildern war die Ellenbogenfraktur mit der Platte und den Schrauben zu sehen. Der Ellenbogen schien total kaputt zu sein. Moni wurde es warm und übel gleichzeitig. „Funktioniert das irgendwann wieder?“ Victor fuhr sich mit dem Zeigefinger übers Kinn und presste die Lippen zusammen. „Nun ja, wir müssen noch abwarten. Es kann sein, dass du den Ellenbogen nie wieder ganz ausstrecken kannst. Also aus einer Teilnahme bei Olympia wird wohl nichts mehr.“ „Sehr witzig, und wann kann ich wieder stricken?“
„Morgen machen wir die Gipsschiene ab und du bekommst dafür einen leichten Verband. Nach Abschluss der operativen Wundheilung erfolgt dann die zügige Steigerung des Bewegungsumfangs im Rahmen der Physiotherapie, wobei du ab jetzt aktive Bewegungsübungen durchführen kannst. Die Verletzung wirst du noch lange spüren, doch du kannst ab morgen mit dem Fingertraining beginnen. Also Gegenstände zu halten, greifen und zudrücken. Das Stricken wird bald klappen, ich verspreche es dir!“
Moni strahlte den Oberarzt an und vor Freude über diese gute Nachricht, versuchte sie ihn umständlich in Arm zu nehmen. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Uwe, Georg und Schwester Maria kamen dazu. Der Chefarzt staunte nicht schlecht. „Hab ich was verpasst?“, fragte Uwe unsicher, runzelte die Stirn und stemmte die Hände in die Hüfte. Moni strahlte übers ganze Gesicht, „Stell dir vor, ich kann bald wieder stricken, ist das nicht wunderbar?“ Die Ärzte freuten sich mit ihr. Maria schob die Patientin in ihrem Rollstuhl zurück aufs Zimmer, während die Männer noch einiges zu besprechen hatte.
Moni war aufgeregt und todmüde gleichzeitig. So viele gute Nachrichten, noch dazu hatten sich ihre Schwester Uta mit Mann angekündigt. Otto hatte seine Frau mit dem Kauf eines Wohnmobils überrascht. Die erste Fahrt führte ganz klar nach Innsbruck. Von Georg hatten sie die Erlaubnis erhalten, auf dem Klinikgelände parken zu dürfen.
Kaum lag Moni in ihrem frisch bezogenen, nach lavendel duftendem Bett, schlief sie sofort ein. Für Uwe war diese Tatsache wieder einmal sehr schade, als er mit seinem üppigen Blumenstrauß und den vielen Mitbringsel etwas verloren im Zimmer stand. „Ok, dann halt später“, murmelte er leise zu sich selber und verstaute die Sachen in seinem Arztzimmer.
In einer halben Stunde hatte er einen Termin bei Victors Frau in ihrem Kosmetik- und Schönheitssalon. Maniküre, Pediküre und eine Gesichtsbehandlung standen auf dem Programm. Bis vor kurzem hatte er solche Termine bei Sarah, der Freundin von Susan. Aber diese Phase war ja nun vorbei. Uwe spazierte gemütlich zu Victors Haus, das sich ganz in der Nähe der Klinik befand. Seine blutjunge, bildhübsche russische Frau Irina war damals mitsamt Mutter und Schwester eingezogen. Gemeinsam hatten sie im Erdgeschoss ein durchaus erfolgreiches Kosmetik-Studio eröffnet. Frauen und Männer aus der Innsbrucker Oberschicht fühlten sich hier gut aufgehoben und erstklassig behandelt.
Entspannt lehnte sich Uwe auf dem bequemen Stuhl zurück und ließ sich von den hübschen Frauen verwöhnen. Er musste später noch einkaufen gehen. Vor allem aber wollte er unbedingt die Geschenke bei Moni abliefern. Er spürte wieder diese quälende Sehnsucht in sich. „Uwe, wie geht es dir denn inzwischen?“ Tatsächlich erzählte er Victors Frau von seinen Gefühlen zu seiner Patientin.