Georg und Rita saßen noch lange zusammen, sie hatten viele Dinge zu besprechen. Damit sich Käthe richtig wohl fühlen konnte, wollte Georg im Obergeschoss die Zimmer renovieren und vergrößern. Die Etage über dem alten Kuhstall, der an das Wohnhaus grenzte, wollten Sie schon seit längerem renovieren und ausbauen. Eine große, moderne Wohnung sollte entstehen. Vielleicht würde Uwe Interesse haben, diese als Ferienwohnung einzurichten. Viele Ideen spukten in seinem Kopf. Rita lächelte ihn liebevoll an. „Du bist mir einer, denkst du nicht auch mal an deine Rente? An das Nichtstun?“
Der Senior-Chefarzt schüttelte lachend den Kopf „Nein, noch lange nicht meine Liebe, noch lange nicht“.
Von Uta und Otto hatte Georg zwei Flaschen Wein aus ihrer Heimat als Geschenk erhalten, eine davon hatten sie schon zur Hälfte geleert. Sehr lecker und von vollendetem Geschmack. Rita war Alkohol nicht gewohnt und hatte einen Sitzen. Die beiden kicherten und alberten herum. Aaron suchte im ganzen Haus nach Käthe, Olga war schon längst im Bett. „Küss mich“, schmachtete Georg, schnappte sich seine Rita und zog sie in sein Zimmer.
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Auch Uwe hatte zwei Flaschen Wein als Geschenk erhalten und eine davon schon geöffnet. Er saß auf seinem Sofa in dem kleinen Appartement, hatte den Fernseher laufen, war aber mit seinen Gedanken auf Reisen, bei Susan und auch bei Frau Häberle. Er überlegte die ganze Zeit, seine Freundin anzurufen, ließ es dann sein. Er dachte an den Musik-Stick, hatte diesen jedoch im Auto liegen. Nach zwei Gläsern von dem köstlichen Wein schlief er direkt auf dem Sofa ein.
Am nächsten Morgen saß er vor dem Dienstplan. Victor übernahm ab heute den Nachtdienst und er selber hatte Rufbereitschaft. Dr. Peter Wahl würde dafür Tagdienst haben. Für den Notfall konnte sein Vater jederzeit einspringen. Die beiden Assistenzärzte hatten abwechselnd sieben Tag- und Nachtdienste. Danach wieder drei Tage frei. Er war zufrieden mit seiner Ausarbeitung und ging damit zu seiner Station.
Während Käthe bei ihren Untersuchungen und bei Dr. Marowski war, hatte man bei Moni die Intensivpflege durchgeführt. Mit viel Aufwand wurden die langen Haare gewaschen und geföhnt. Für mittags hatte der Chefarzt eine Maniküre samt Pediküre veranlasst. Frau Häberle hatte seit heute ihre eigene Kleidung an. Inzwischen waren in dem flüssigen Infusionsgemisch, welches ständig in Monis Venen tropfte, lediglich die typische Elektrolytlösung, Schmerzmittel mit Entzündung-Hemmer und Glukose mit Vitaminen. Zwei Mal täglich kam eine Physiotherapeutin, der sich um die Muskulatur kümmerte und Übungen mit Moni machte.
Die Wunden der amputierten Zehen sahen gut aus, um den kompletten rechten Fuß hatte Moni eine Art Schutzgerüst, so dass dieser Bereich von Berührungen oder Stößen geschützt wurde. Der Ellenbogen-Trümmerbruch und die Sprunggelenkfraktur müssen weiterhin verheilen. Ob die Kopfverletzung bleibende Schäden hinterlassen hatte, konnte immer noch nicht gesagt werden. Die Blutwerte versprachen Besserung.
Moni würde bestimmt bald aufwachen. Käthe konnte es kaum erwarten, sie hatte ihr so viel zu erzählen, aber dann dachte sie an Herbert, das machte sie traurig. So leise, wie es möglich war, hatte Käthe ihrer Mutter auf der Klarinette einige schöne Stücke vorgetragen. Derzeit übte sie das von Mozart komponierte Klarinettenkonzert in A-Dur (KV 622). Moni selber hatte früher auch dieses Instrument gespielt, jedoch nur in dem örtlichen Musikverein.
Plötzlich klopfte es an der Tür, die süße Kim trat in das Zimmer. „Ey, das ist ja voll cool, du spielst genial“, freute sich diese.
Ganz schüchtern und kleinlaut antwortete Käthe: „Danke, ich übe dieses Stück gerade neu ein“.
„Also ich spiele ja E-Gitarre und E-Bass, hab ne kleine Amateurband hier in Innsbruck und ich liiieeebe Musik“, freudestrahlend plauderte Kim drauflos. Dann lud sie Käthe auf einen Kaffee ein, sie hatte noch eine halbe Stunde Pause. Die beiden Mädchen quatschten über ihre Instrumente, Musik und jede erzählte ein wenig von sich. Käthe konnte sich nicht sattsehen an dem hübschen Ding. Sie war gerade im Begriff sich in die süße Kim zu verlieben, oder? Zum Abschied fragte sie daher ganz zaghaft: „Sehen wir uns bald wieder?“
„Gerne“, Kim lächelte, „Hast du am Freitag Zeit?“ Käthe nickte, ihr Herz klopfte laut und sie fielen sich in die Arme.
Abends nahm Käthe den Bus und fuhr zurück nach Montan. So war es ausgemacht.
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Susan trainierte hart, bestaunte sich selber im Spiegel, während sie ihre Übungen ausführte. Sie war sichtlich zufrieden über ihr Erscheinungsbild und zwinkerte sich zu. Gleich begann der Gymnastik-Kurs den sie leitete, danach wollte sie mit Uwe zum Abendessen gehen. Er sollte endlich die Wahrheit erfahren. Peter hatte ihr erzählt, dass Uwe ein Gespräch mit ihm führen wollte. Aber er hatte Angst davor, er konnte und wollte es seinem Chefarzt nicht sagen. Nie im Leben. Er wollte weiterhin mit Susan ein Geheimnis, eine Affäre haben. Mehr nicht. Schließlich hatte er Familie. Die war im genauso wichtig.
Doch Susan konnte Uwe nicht mehr belügen, er hatte es definitiv nicht verdient. Der arme Kerl. Ihre Liebe zu ihm war verschwunden, ohne Grund, einfach so. Sie wusste jedoch nicht, welche Worte sie wählen sollte, wie konnte man so etwas beschreiben?
Uwe saß in der Pizzeria und wartete auf Peter, scheinbar verspätete sich dieser. Hatte er den Termin vergessen? Schließlich war das Gespräch notwendig. So unkonzentriert hatte er seinen Oberarzt noch nie erlebt. Wenn er Probleme hätte, könnte er sich ihm doch anvertrauen. Uwe bestellte sich eine Vorspeise und ein großes Bier. Kurz nach 18 Uhr sah er Susan durch die Tür kommen. Das irritierte ihn, seltsam, wo war Peter?
„Guten Abend Uwe“, Susan lächelte ihn an. „Woher weißt du dass ich hier bin? Hast du Peter getroffen?“
„Ähm ja, genau. Er, ähm, ja er trainiert seit neuestem und hat mir erzählt, dass du mit ihm reden möchtest. Ich soll ihn entschuldigen“, Susan konnte ihm doch nicht die Wahrheit sagen. Sie brachte es nicht übers Herz. Uwe, der so gut aussehende, erfolgreiche Chefarzt, der sein Milliarden-Vermögen seit Jahren ignorierte, blickte ihr offen und ehrlich entgegen. „Ach so? Das verstehe ich nicht. Ich werde Peter in den Zwangsurlaub schicken, wenn er nicht mit mir reden will.“
Sie aßen gemeinsam eine Meeresfrüchte-Platte und redeten belangloses Zeug, bis Uwe fragte: „Und was ist nun mir uns?“ Susan blickte zur Seite. „Ich weiß es nicht“.